Die Freundin im weißen Minirock kletterte mit den Rucksäcken auf die Rückbank und schlief sofort ein. So eine, die in sich bewegenden Fahrzeugen nicht wach bleiben kann. Während sie hier routiniert den Beifahrersitz für sich zurechtstellt und ohne weitere Verzögerung die Konversation aufnimmt.
Ich bin Oda, das ist Jutka. Sie kommt aus Slowenien. Aber ich — bin Albanerin.
Sie sagt es mit einem vertraulichen, freudigen Stolz, das Wichtigste sei gleich zu Anfang mitgeteilt, dass man gar nicht anders kann, als: Oh, Albanien zu sagen.
Oh, Albanien, sagte Darius Kopp.
………?
Zu schnell. Sorry?
Warst du schon mal da? Noch nie. Oh, why not?
Spielt, dass sie entrüstet ist — Noch nie in Albanien? Wie ist das möglich? — und lacht.
(Jemand Neues erscheint auf der Bildfläche und sofort ändert sich das Tempo, die Richtung, du musst dich anpassen, das irritiert. Sie zum Beispiel ist ungeheuer schnell, ihre Bewegungen, ihre Stimme, sie vibriert förmlich. Und wie sie schaut. Als würde sie einen intensiv beobachten. Ständig intensiv beobachten. Ihre Augen sind fast schwarz, ihr Blick von einer Offenheit, dass ich gar nicht hinschauen kann. Jemand, der ununterbrochen anwesend ist. Ich bin das nicht mehr gewöhnt. Ich werde noch langsamer davon, als ich es ohnehin schon bin. Im Vergleich und generell. Jeder Satz kommt von sehr weit her. Einer, der aus einer langen Abwesenheit kommt. Das wird jetzt deutlich.)
Ich weiß auch nicht… Es ist nicht… dazu gekommen… In den letzten… 20 Jahren… war ich viel… im Westen unterwegs. Und davor… war es the GDR. (So, jetzt habe ich auch meine Pointe gehabt. Ich bin auch nicht von irgendwoher. Und schon läuft es besser.) German Democratic Republic.
Ich weiß!
(Und lacht wieder. Sie ist vielleicht halb so alt wie unsereins. Gewöhn dich dran. Das heißt noch nicht, dass du etwas über sie weißt. Ich fahre mit zwei sehr jungen Frauen Richtung Süden, das ist alles, was gesagt werden kann. Aber jetzt: frag lieber selber was. Wer antworten muss, muss länger ran.)
Sie waren auf der Sziget?
Oh, ja! Jutka ist Fan einer slowenischen Band namens Psycho-Path.
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[Datei: fluspi]
Fluspi
«Wochentranquilizer«
Hochpotentes Neuroleptikum. Durch die Hemmung des Botenstoffs Dopamin im Gehirn kommt es zu einer Linderung der mit einer Psychose einhergehenden Symptome. Das Wirkprofil ist charakterisiert durch eine Reduktion von Wahnvorstellungen, Halluzinationen, Ich-Störungen sowie Denkstörungen. Weiterhin dämpft Fluspirilen psychomotorische Erregungsstörungen, Angespanntheit sowie krankhaft gesteigerte Stimmungen. Außerdem wirkt es schwach beruhigend, die Patienten werden dadurch ruhiger und ausgeglichener.
Häufige Nebenwirkungen: Krampfhaftes Herausstrecken der Zunge, Schlundmuskulaturverkrampfung, Blickkrampf, Schiefhals, Rückenmuskulaturversteifung, Kiefermuskelkrämpfe, Zittern, Steifigkeit, Speichelflusszunahme, Bewegungsunruhe, Müdigkeit. Gelegentliche Nebenwirkungen: Sehstörungen, vermehrtes Schwitzen, Schlafstörungen, Mundtrockenheit, Herzrasen, Blutdruckabfall, Kreislaufregulationsstörungen, EKG-Veränderungen. Seltene Nebenwirkungen: Unruhe, Erregung, Benommenheit, depressive Verstimmungen, Angst, Schwindel, Kopfschmerzen, Krampfanfälle, Körpertemperaturregulationsstörungen, Bewusstseinsstörungen, Gefühl der verstopften Nase, Augeninnendruckerhöhung, Verstopfung, Störungen beim Wasserlassen, Übelkeit und Erbrechen, Durchfall, Appetitabnahme, allergische Hautreaktionen (Rötung, Juckreiz), Augenlinseneinlagerungen, vorübergehende Leberwerterhöhung, Gelbsucht, Galleabflussstörung. Sehr seltene Nebenwirkungen und Einzelfälle: Wiederausbruch oder Verschlechterung psychischer Erkrankungen, neuroleptisches Syndrom (hohes Fieber, Muskelstarre, Herzrasen, Bluthochdruck, Bewusstseinseintrübung bis zum Koma), Darmverschluss, Blutzellzahlveränderung, Zuckerstoffwechselstörung, Regelblutungsstörung, Gewichtszunahme, sexuelle Funktionsstörungen, Brustvergrößerung, Milcheinschuss in die Brust, örtliche Hautreaktionen bei Verabreichung über die Vene. Besonderheiten: Bei Auftreten von hohem Fieber, Bewegungsstarre und Bewusstseinseintrübung muss an ein schweres neuroleptisches Syndrom gedacht werden. Es ist sofort ein Arzt aufzusuchen und eine entsprechende Behandlung muss eingeleitet werden. Eine ärztliche Kontrolle ist ebenso bei grippeähnlichen Beschwerden erforderlich.
Bemerkung: keine Nebenwirkungen. Patientin schläft fast immer. Wer schläft, sündigt nicht.
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Fluoxetin
Angewendet bei Depressionen, Zwangsstörungen und Bulimie.
Sehr häufige Nebenwirkungen: Übelkeit.
Häufige Nebenwirkungen: Verdauungsstörungen, Durchfall, Verstopfung, Gewichtszunahme, Bauchschmerzen, Herzklopfen, Kraftlosigkeit, Schläfrigkeit, Bewegungsarmut, Angstgefühle, Nervosität, Zittern, Kopfschmerz, Mundtrockenheit, Schlaflosigkeit, Benommenheit, Erbrechen, Magersucht, Schwindel, Schwitzen, Erregungszustände, Denkstörungen, Unwohlsein.
Gelegentliche Nebenwirkungen: Gelenkschmerzen, Muskelschmerzen, gestörte Bewegungssteuerung, Blutdruckabfall bei plötzlichem Aufstehen, Verwirrtheit, unwillkürliche Muskelkontraktionen, verzögerter Samenerguss, Hautausschlag, Juckreiz. Seltene Nebenwirkungen: Leberfunktionsstörungen, Störungen der Bewegungsabläufe mit Zunahme oder Verminderung der Bewegungen oder des Spannungszustands der Muskeln, Herzrasen, Hautausschläge mit Blasenbildung, Lichtüberempfindlichkeit, Krämpfe, starke innere Unruhe und Getriebenheit mit Hemmungsverlust (Manie), Wahnvorstellungen, Natriumblutspiegelerniedrigung, krankhafter Milchfluss, Hautblutungen. Besonderheiten:
Besonders zu Behandlungsbeginn kann es zu quälender Unruhe und Rastlosigkeit von Körpergliedmaßen (Akathisie) kommen. Bei Diabetikern kann es nach Einnahme des Medikaments zu Unterzuckerungen kommen. Das kann dazu führen, dass Diabetiker von ihrem Arzt neu eingestellt werden müssen.
Nach Absetzen des Wirkstoffs kann es zu Kopfschmerzen, Übelkeit, Benommenheit, Empfindungsstörungen und Angstzuständen kommen. Diese Beschwerden klingen meist innerhalb von zwei Wochen ab, können aber auch zwei bis drei Monate und länger anhalten. Eine Beendigung der Behandlung sollte daher nur mit langsamer Dosisverminderung über Wochen oder Monate hin erfolgen. Neuere Studien haben nachgewiesen, dass die Arbeit der knochenauf- und — abbauenden Zellen durch Fluoxetin besonders bei Langzeitanwendung nachteilig beeinflusst wird. So kann es vermehrt zu Knochenbrüchen, beziehungsweise der Entwicklung einer Osteoporose kommen.
Eingetretene Nebenwirkungen: krampfhaftes Gähnen, Müdigkeit, Mundtrockenheit, Appetitlosigkeit, weitere Gewichtsabnahme.
Jetzt bin ich also Patientin.
…Psycho-Path — Ja, so heißen sie wirklich — und außerdem halb Ungarin. Wir haben uns in der Ukraine kennengelernt. Wir sind beide Mitglieder in einer Reisecommunity. Sofas überall auf der Welt. Du übernachtest bei Leuten und lässt Leute bei dir übernachten. Wir sind gleichzeitig bei jemandem in Odessa gelandet. Jutka war da schon auf dem Rückweg nach Slowenien und ich noch unterwegs zur Krim. Auf dem Festival war ich nur am letzten Tag, soviel Leute, das ist nicht mein Ding, ich bin lieber ein bisschen rumgefahren und habe mir die Zeugnisse der römischen und der osmanischen Herrschaft angesehen in — sie zeigt die Anordnung auf einer Landkarte in der Luft — Estergon, Visegrad, Buda, Alba Regia und Sophiane. That's Pees today.
Sie spricht es Pex aus, keine Chance zu verstehen, um welche Stadt es sich handeln könnte, die antiken Namen helfen Kopp sowieso nicht weiter, also sagt er einfach so aufs Geratewohl:
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