Michael Köhlmeier - Abendland

Здесь есть возможность читать онлайн «Michael Köhlmeier - Abendland» весь текст электронной книги совершенно бесплатно (целиком полную версию без сокращений). В некоторых случаях можно слушать аудио, скачать через торрент в формате fb2 и присутствует краткое содержание. Год выпуска: 2007, Издательство: Hanser, Жанр: Современная проза, на немецком языке. Описание произведения, (предисловие) а так же отзывы посетителей доступны на портале библиотеки ЛибКат.

Abendland: краткое содержание, описание и аннотация

Предлагаем к чтению аннотацию, описание, краткое содержание или предисловие (зависит от того, что написал сам автор книги «Abendland»). Если вы не нашли необходимую информацию о книге — напишите в комментариях, мы постараемся отыскать её.

"Wenn du dich als Achtjähriger, als Dreizehnjähriger, als Sechzehnjähriger denkst, erkennst du dich in ihnen wieder?"
"Ja. Und sehr gerne dazu."
"Gibt es einen Lebensabschnitt, in dem du dir fremd vorkommst?"
"Zwischen fünfundzwanzig und dreißig ein bisschen fremd. Gestern und vorgestern sehr fremd."
"Glaube, Liebe, Hoffnung. Welche Reihenfolge?"
"Liebe, Hoffnung, Glaube. Wenn ich den anderen dabei zusehe."
"Bei dir selber?"
"Keine Ahnung. Ich denke, das gilt nur bis sechzig oder siebzig. Bei den Auserwählten vielleicht etwas länger." Er lacht.
"Was ist das Größte, das du in deinem leben vollbracht hast?"
Keine Antwort darauf.
"Abendland" ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Generationenroman. Mit großer erzählerischer Kraft wird dargestellt, wie die unterschiedlichsten Menschen jenseits der politischen und historischen Wechselfälle aufeinander angewiesen sind und aneinander hängen, warum sie sich gegeneinander auflehnen und wie sie dann doch ihren Frieden schließen. In einem bewegenden Panorama des 20. Jahrhunderts werden die großen historischen Sündenfälle und die kleinen privaten Reaktionen darauf beschrieben. Ein solches Buch hat es in der deutschen Literatur schon lange nicht gegeben.

Abendland — читать онлайн бесплатно полную книгу (весь текст) целиком

Ниже представлен текст книги, разбитый по страницам. Система сохранения места последней прочитанной страницы, позволяет с удобством читать онлайн бесплатно книгу «Abendland», без необходимости каждый раз заново искать на чём Вы остановились. Поставьте закладку, и сможете в любой момент перейти на страницу, на которой закончили чтение.

Тёмная тема
Сбросить

Интервал:

Закладка:

Сделать

Er gründete einen Chor. Von Anfang an gab er sich nicht mit Leichtem ab. Er studierte mit den Burschen und Mädchen in stundenlangen Proben Jazzstandards ein — wie I Got Rhythm von George und Ira Gershwin oder Georgia On My Mind von Hoagy Carmichael; Beatles-Songs gehörten zum Repertoire und — Vorarlberger Volkslieder. Er konnte kein Wort im Vorarlberger Dialekt sprechen, verstand nur wenig, bemühte sich auch nicht darum.»Zusammen mit Musik wird jeder Text zu bla-bla oder yeah-yeah, es ist sogar ein Vorteil, wenn man nicht versteht, was gesungen wird«, war seine Meinung. Er verwandelte biedere Volksweisen in aufreizende Nummern. Meine Mutter sagte, dies sei die schönste Musik, die sie in ihrem Leben gehört habe. Der eine oder andere Schülervater, die eine oder andere Schülermutter fragten, ob sie im Chor mitsingen dürften. Mein Vater nahm jeden auf, der mitmachen wollte, er fragte nicht nach musikalischen Qualitäten welcher Art auch immer; ihn interessierte die Verschiedenheit von Stimmen und nicht ihr Belcanto. Er war glücklich. Geprobt wurde in unserer Scheune. Auf der Gitarre spielte er nur noch selten.

Ich sang übrigens nicht in seinem Chor mit. Was ihm, denke ich, sogar lieber war. Ich wollte Musik machen wie die Beatles, aber ich wollte nicht mithelfen, fünf- bis sechsstimmig nachzusingen, was sie zwei- bis dreistimmig vorgesungen hatten. Zu meinem sechzehnten Geburtstag schenkte mir mein Vater einen Verstärker und eine elektrische Gitarre — eine gebrauchte, die er günstig von einem Wiener Freund erstanden hatte. (Fender Telecaster, Baujahr 58. Heutiger Sammlerpreis: etwa die Größenordnung eines Mittelklassewagens. Ich besitze sie selbstverständlich immer noch.) Mein Vater habe sich von der Gitarre verabschiedet, urteilte Carl, er habe sozusagen die Verantwortung für dieses Instrument an mich, seinen Sohn, weitergegeben. Bestimmt neigte Carl nicht zu Archaisierungen, und ich neige ebenfalls nicht dazu — in diesem Fall, denke ich, trifft sein Urteil zu. Seit meiner Kindheit hatte ich auf Gitarren und ähnlichen Gebilden herumgeklimpert. Auf der Ukulele war ich nicht schlecht gewesen. Aber Ukulele geht einem bald auf die Nerven, und sie gibt wenig her, weder was den Klang betrifft noch in bezug auf das Ansehen, das sie einem in der Welt verschafft. Auch auf der Mandoline habe ich mich durchaus mit Erfolg versucht, ebenso auf dem sechssaitigen Banjo (den Klang dieses Instruments haßte meine Mutter, ich kann es ihr nicht verdenken). Später hatte ich auf den Gitarren meines Vaters gespielt. Wir waren oft in unserer Küche in der Penzingerstraße gesessen, und ich hatte ihn begleitet, indem ich im Django-Rhythmus drei verminderte Septakkorde hinauf- und hinunterrutschte, während er seine Soli dazwischensetzte. Ich sei eine Rhythmusmaschine, jubelte er. Er hat mich auch zu eigenen Kompositionen animiert, und manchmal habe ich den Part der Lead-Gitarre übernommen, und er,»einer der besten Gitarristen der Welt«, ist mein dienender Begleiter gewesen. Nun, die bissige, bockige Telecaster am Riemen, stellte auch ich eine Band zusammen, und es gab keinen Beat-Gitarristen in einem Umkreis von fünfzig Kilometern, der, wäre er auf meiner Schulter gesessen, mir auch nur bis zum Kinn gereicht hätte.

Und eines Nachmittags stand Martin Rottmeier vor unserem Haus …

3

Alles hat etwas zu bedeuten, soviel wußte ich; aber ich verstand nicht bei allem, was es bedeutete. Was zum Beispiel hatte das Spucken zu bedeuten, dieses feine Spucken, fast ohne Speichel, das mehr ein Wegblasen eines Krümels oder einer Wimper von den Lippen war? Was hatte es zu bedeuten, daß er sich umdrehte und ohne weitere Anweisungen an mich ging? Hieß das, ich solle ihm folgen? Oder mich in den nächsten Tagen bei ihm melden? Oder warten, bis er sich bei mir meldete? Er hatte einen wiegenden Gang, als würde er alten Swingnummern lauschen; aber er kannte keine alten Swingnummern. Seine Hände steckten in den Taschen seines Lumberjacks, der die Farbe verdreckten Efeus hatte; sein Nacken bewegte sich im selben Rhythmus vor und zurück wie seine Hüften hin und her. Die blonden, fettigen Haare ließen sich nur schwer bändigen, einige Locken sprangen aus der Frisur und wippten synkopisch zur Bewegung des Kopfes und des Körpers. Ich fürchtete mich vor diesem Burschen; aber ich blickte ihm gern nach — wie er unter dem hohen, blassen Frühsommerhimmel dahinschritt, an unserem zusammengenagelten Bretterzaun entlang, über den Asphalt, dessen Staub noch vom Gewitterregen der Nacht schraffiert war. Als wäre alles Irdische auf ihn abgestimmt, auf ihn, der unbeeindruckbar war wie die Dinge, an die er anstreifte. Der in mir das ärgerliche Bedürfnis erzeugte, mich für ihn zu schämen. Dem jedes Nachdenken über sich selbst wider die Natur zu gehen schien. Der elend war, sich aber nicht elend machte. Der Motoren und Regenrinnen reparierte, ohne sich um den Nutzen oder die Benutzer zu scheren. Der sich über die Wunden, die ihm geschlagen wurden, mehr freute als die, die sie ihm schlugen. Wir anderen, wir bemühten uns und waren erfolgreich; er würde immer ohne Widerhall sein, aber auch ohne Beschwer. Wenn man auf seinen Rücken blickte, war es, als würde er aus dem Land gehen; wenn er auf einen zukam, war es, als hätte er einen weiten Weg hinter sich. Und ich dachte, er wird mir vielleicht das Leben ruinieren, aber er wird wunderbar in meine Band passen, er wird meiner Band erst das richtige Image geben: Hier wird nicht gute, hier wird gefährliche Musik gemacht, eine Musik, die sogar der verrückte Herr Lukasser nicht tolerieren will.

Ich wollte keine Verantwortung für unsere Familie mehr tragen, wollte nicht mehr voraus- und schon gar nicht mehr zurückblicken. Wollte mich in Zukunft um nichts mehr scheißen und mich bloß noch in dem Revier herumtreiben, das von dem brutalen Gitarrenriff in I Can’t Get No Satisfaction , dem polternd abstürzenden Baß in 19th Nervous Breakdown und der unerhörten Stimme von Mick Jagger ausgesteckt worden war. Ich wollte mies sein dürfen. Under my thumb / The girl who once had me down / Under my thumb / The girl who once pushed me around // It’s down to me / The difference in the clothes she wears / Down to me, the change has come / She’s under my thumb. Wenigstens ein bißchen mies. Die Beatles sollte mein Vater bekommen, die Rolling Stones waren für mich. Ich hatte mich gegen die Klischees meiner Generation gestemmt, ohne Applaus, von welcher Seite auch immer; jetzt wollte ich loslassen und einsinken in diesen süßen Brei aus Rebellion und Unterwerfung, Verweigerung und Hosenmode. Was mich einzig dabei störte, war, daß ich wußte, es handelte sich um einen süßen Brei. Seit ich einen klaren Gedanken fassen konnte, war ich in unserer Familie der ruhige Pol gewesen, der Flageolettpunkt, der Beschwichtiger, der Schiedsrichter, der Versöhner, der Launenglätter, der Vermittler-Aufrüttler-Aufheiterer-Aufheller, der Ernüchterer, der Mutmacher, der Friedenstifter, der Lober, der Anti-Schwarzseher, der Ruhegeber und Ruhehalter, der Sich-Freuende, wenn Freude erwartet wurde, der Tröster, wenn Trost erwartet wurde, der die Zähne zusammenbiß, wenn erwartet wurde, daß einer die Zähne zusammenbeißt —; ich war allein gelassen in allem; stets war ich einer Sorge ausgeliefert, die sich nicht bändigen ließ. Ich wunderte mich, woher ich in diesen Jahren die Kraft und die Zuversicht genommen hatte und dazu den Glauben, das habe alles einen Sinn.

Von weit her war eine Kreissäge zu hören — wenn sie ins Holz schnitt, kreischte sie kurz auf und hielt gleich wieder konstant und verläßlich ihren Ton, als wollte sie allen anderen Geräuschen im weiten Umkreis Gelegenheit geben, ihre Stimmung aufzunehmen. Die Mostbirnenbäume, die in der Wiese neben und hinter unserem Haus wuchsen, prunkten in ihrer Blüte, das Gras um sie herum war frisch gemäht und leuchtete in einem hellen, gedunsenen Grün. Mitten über die Wiese war eine Wäscheleine gespannt von einem Baumstamm zum nächsten und weiter zum übernächsten. Leintücher und Tischtücher hingen daran, die einen weiß, die anderen mit rotaufgestickten Kreisen. Die Sachen gehörten zu dem Gasthaus mit dem merkwürdigen Namen Matschels auf der anderen Seite der Wiese. Ein Mädchen aus der Parallelklasse gefiel mir, und es war ein bißchen aufregend, mit ihr in der großen Pause unter den Arkaden beim Marktplatz zu stehen und in eine Käsesemmel zu beißen, aber inzwischen ging sie mir doch eher auf die Nerven, weil sie vor den anderen unbedingt so tun wollte, als müßten wir zwei gar nichts miteinander reden und verstünden uns trotzdem. So wurde schon zu Hause getan, auch mein Bedarf an Schweigen war gedeckt. Mit Maro hätte ich mich wirklich gern unterhalten und hätte ihm wirklich gern zugehört. Von welchen Dingen aber sollte er mir erzählen? Von seinen Motoren? Seinen schrägen Geschäften? Den Faustschlägen, die er abbekommen, die er ausgeteilt hatte? Seinen Familienangelegenheiten? Und worüber sollte ich mit ihm reden? Ich hatte gerade begonnen, mich ernsthaft für Literatur zu interessieren. Ich besorgte mir wöchentlich Bücher aus der Leihbibliothek der Arbeiterkammer, setzte mich an den Nachmittagen im Auwald auf eine Lichtung, den Rücken an den harzigen Stamm einer Föhre gelehnt, und las mich ins Schlaraffenland menschlicher Einbildungskraft; hatte Dostojewskis Raskolnikow verschlungen und Die Dämonen und Der Idiot und Erniedrigte und Beleidigte und von Camus Der Fremde und Die Pest und (zum erstenmal) John Dos Passos’ Manhattan Transfer und von Joseph Conrad Herz der Finsternis und Lord Jim und Nostromo und Mit den Augen des Westens und alles, was es von Jack London gab; und war in John Steinbecks Früchte des Zorns auf Seite 107, wo Tom Joad und seine Familie ihre Sachen aussortieren und das Beste auf den Laster laden, um nach Kalifornien zu fahren, wo sie ein neues Leben beginnen wollen, und ihnen das Herz weh tut bei jedem Stück, das sie zurücklassen müssen, und wo es heißt: Wie sollen wir leben ohne unser Leben? Woher sollen wir wissen, daß wir’s sind — ohne unsere Vergangenheit? Nein. Laß es da. Verbrenn’s. War das nicht unheimlich? Aber es war wunderbar! Das Buch kommentierte mein eigenes Leben! Mir war, als würde ich in die Bücher hineinsteigen und alles, was mir dort etwas bedeutete, mitnehmen in mein Leben, ein literarischer Freibeuter war ich. Ich konnte mir Maro leicht als Helden in einem dieser Romane denken; aber mit ihm über diese Romane reden, das ging nicht. Nein, das würde nicht gehen. Konnte er überhaupt lesen und schreiben? Man erzählte sich, er sei mit zwölf Jahren eines Tages nicht mehr in der Schule erschienen. Weder der Lehrer noch der Direktor hätten etwas unternommen. Bei einem Rottmeier ist es wurscht, ob er zur Schule geht oder nicht. Ich wollte nicht so sein wie Maro, bestimmt nicht. Ich wollte nicht die Lücken haben rechts und links von den oberen Eckzähnen, nicht die flaumigen Wangen, nicht die roten verfrorenen Hände, nicht diese Augen wie Messer, nicht seine leere Zukunft, auch nicht die Anmut seines Lächelns, denn ich mißtraute diesem jähen Ausbruch von Schönheit, seine Stimme hätte ich gern gehabt, die ordinär und schrammig war wie eine Rock’n’Roll-Nummer ohne Gitarre-Schlagzeug-Baß; aber ich wollte, daß alle anderen in mir sähen, was ich in ihm sah. Auch wenn er Vorarlberg nie verlassen hatte, ja kaum einmal aus dem Dorf hinausgekommen war — furchtlos, auf niemanden angewiesen, vor der Welt geschützt durch die eigene Regungslosigkeit, eine freie Persönlichkeit mit großartigen Möglichkeiten zur Selbstzerstörung. In seiner Gegenwart, dachte ich, wird, wie Jack London in seinem Abenteuer am Schienenstrang schreibt,»das Unmögliche zum Ereignis und das Unerwartete springt bei jeder Wegbiegung aus den Büschen«. Ich hatte bis dahin nie vor mir selbst zugegeben, so etwas wie Ausweglosigkeit zu empfinden, und obwohl ich nicht einmal hätte sagen können, worin denn das Ausweglose an meiner Existenz bestehen könnte, fühlte ich in den Sekunden, als ich Maro nachblickte, wie er an den Schnauzen der Lastwagen des Frächters Winkler vorbeiging, daß mit diesem Wort das Leben meiner Familie auf den richtigen Begriff gebracht war.

Читать дальше
Тёмная тема
Сбросить

Интервал:

Закладка:

Сделать

Похожие книги на «Abendland»

Представляем Вашему вниманию похожие книги на «Abendland» списком для выбора. Мы отобрали схожую по названию и смыслу литературу в надежде предоставить читателям больше вариантов отыскать новые, интересные, ещё непрочитанные произведения.


Отзывы о книге «Abendland»

Обсуждение, отзывы о книге «Abendland» и просто собственные мнения читателей. Оставьте ваши комментарии, напишите, что Вы думаете о произведении, его смысле или главных героях. Укажите что конкретно понравилось, а что нет, и почему Вы так считаете.

x