«Ein Doppelzimmer, bitte«, wiederholte ich, und wieder schlug mein Herz, daß ich meinte, der Mann vor mir müßte es unter meinem Hemd sehen können.»Wenn möglich, eines mit Blick auf den Hudson.«
«Sie haben kein Gepäck, Sir?«
«Das ist richtig. Wir wollten eigentlich heute noch nach New York zurückfahren. Wir haben es uns anders überlegt. Sie haben sicher eine Zahnbürste und einen Kamm für uns.«
Er nickte, lächelte weiter freundlich, schlug sein Buch auf, das so breit war wie seine beiden Unterarme, und sagte etwas lauter als nötig.»Sie haben nicht vorbestellt, Sir?«
«Natürlich nicht. Wir haben vor einer halben Stunde noch gar nicht gewußt, daß wir überhaupt ein Hotel brauchen.«
«Gut, ich werde schauen, was sich tun läßt.«
Und dann geschah das Unglaubliche. Noch mit dem Lächeln dessen, der, etwas überlaut zwar, aber absolut korrekt, seinen Job erledigt, zischte er, ohne mich dabei anzusehen:»Wir sind kein Bordell, weißt du das? Und schon gar nicht eines, in das einer seine Negerhure abschleppen kann. «Um gleich darauf seinen Blick zu heben und nahtlos im freundlich überartikulierten Tonfall seiner Profession anzuschließen:»Tut mir leid, Sir, wir haben leider kein Zimmer mehr frei.«
«Was haben Sie eben gesagt?«
«Daß wir leider kein Zimmer mehr frei haben. Es wäre gut, wenn Sie das nächste Mal telefonisch ein Zimmer vorbestellen würden, Sir. Ich gebe Ihnen gern eine Karte des Hotels, da steht alles drauf, Telefonnummer, Adresse.«
Maybelle hielt mich am Arm fest.»Gehen wir«, flüsterte sie.»Schnell, komm, Luke!«
«Nein«, sagte ich. Für einen Augenblick schossen rote Flammen vor meinen Augen hoch, ich wandte mich an die Gäste, die in der Lobby waren:»Sehr verehrte Herrschaften!«rief ich.»Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit! Ich möchte Ihnen mitteilen, was dieser Herr an der Rezeption soeben zu mir gesagt hat. «Aber das war verrückt von mir, und es wurde mir klar, als die Flammen in sich zusammenfielen, nämlich daß ich Maybelle unendlich mehr demütigen würde, wenn ich tatsächlich laut wiederholte, was der Typ mir zugeflüstert hatte. Einige der Leute, die in der Halle in ihren Lederfauteuils saßen, wandten mir den Kopf zu. Die meisten taten, als hätten sie nichts gehört, unterhielten sich weiter, saugten an ihren Zigarren, nippten an ihrem Tee. Ich spürte, wie mein Gesicht den Ausdruck eines perfekten Idioten annahm.
Maybelle sagte:»Luke, ich gehe jetzt. Wenn du mitkommen willst, komm gleich. Sonst kannst du mit dem Daumen in die Stadt zurückfahren. «Damit drehte sie sich um und klackte, ohne irgend jemandem einen Blick zu gönnen, durch die Halle und hinaus zur Tür. Ich lief ihr nach. Ich hörte niemanden lachen.
Als wir eine gute halbe Stunde zurück in Richtung New York gefahren waren, schweigend und brütend, sagte sie:»Du bist nicht richtig angezogen für so ein Hotel, Luke. Wenn wir wieder in New York sind, solltest du dir in der Fifth Avenue einen Anzug kaufen, bei Bergdorf Goodman, dann kannst du es ja noch einmal versuchen. Aber das hat mir doch ziemlich gut gefallen, daß du ein Doppelzimmer für uns beide wolltest. Und jetzt laß mich ans Steuer!«
Ich stieg aus, und Maybelle rutschte auf den Fahrersitz. Sie wendete den Wagen auf der Straße, und wir fuhren wieder stromaufwärts, fuhren am Old Hotel Dutchess vorbei — wir fluchten weder, noch hupten wir, noch zeigten wir den Mittelfinger. Knapp vor Hyde Park, es war bereits stockdunkel, sahen wir dieses niedrige langgestreckte türkisfarbene Gebäude mit der Leuchtschrift Fink’s Motel auf dem Dach, das aus Büschen heraus von Scheinwerfern angestrahlt wurde.
«Zweiter Versuch«, sagte Maybelle.»Diesmal läßt du mich verhandeln.«
Eine junge Frau in grüner Uniform mit einem Zopf über der rechten Schulter stand an der Rezeption und schaute uns gelangweilt an. Maybelle füllte den Meldezettel aus, nahm den Schlüssel in Empfang, und wir gingen, sie ihren Arm um meine Hüfte gelegt, ich den meinen um ihre, über den Parkplatz zum Appartement Nummer 12 am Ende des Bungalows. Sie sperrte auf und sperrte hinter uns zu, und zog mir das Hemd über den Kopf und bat mich, den Reißverschluß in ihrem Rücken zu öffnen.
6
«Glaubst du, Luke«, sagte sie,»dir werden meine Titten gefallen?«
Sie verschränkte die Arme vor ihren Brüsten und drehte sich zu mir um. Ihre dunkle Gestalt, ihr Gesicht fast schwarz, die Mandelaugen, ihr stoischer, von einer klaren Linie umschlossener Mund, die Oberlippe in zwei geschwungene Dreiecke unterteilt, das leicht himmelwärts gereckte, eigenwillige Kinn — ich bemühte mich, in allem zu lesen. Ich trat einen Schritt auf sie zu und strich über ihre Oberarme. Sie fühlten sich kühl an, ein wenig rauh und so, als berührte ich sie zum erstenmal. Nun war ihr Gesicht im Schatten meines Kopfes. Gott hat Himmel und Erde ja nicht zum Scherz erschaffen und natürlich auch nicht die Träume, und Maybelle war die Hauptperson in einem Alptraum gewesen, auch daran dachte ich in diesem Augenblick. Nur die kleine, zitronenfarbene Lampe hinter mir im Eingang zum Appartement brannte, ein Schimmer davon lag auf Maybelles Schulter. Die Scheinwerfer der Autos, die uns auf der Straße entgegengekommen waren, hatten einen gleichen Schimmer über ihre Schulter gezogen. In dem Zimmer stand ein breites französisches Bett, über das eine cremefarbene Wolldecke gebreitet war. Maybelle stieß mit ihren Kniekehlen dagegen. Auf den Kissen lagen Candys, und auf den Nachttischen rechts und links stand je ein Weinglas, das mit einer Papierserviette abgedeckt war. Nicht eine Spur von Verlegenheit konnte ich in ihrem Gesicht wahrnehmen, auch nichts Spöttisches, auch nichts herablassend mütterlich Verführerisches, wie ich befürchtet hatte. Nichts Weiches, Sanftes, der Situation entsprechend Undeutliches.
Sie behielt die Unterarme weiter vor sich gekreuzt, hob sie aber ein wenig an.»Hast du sie dir so vorgestellt?«fragte sie.»Faß sie an, ich mag das. Und ich kann mir vorstellen, du magst es auch.«
Ich legte meine Arme um sie, vergrub die Augen in ihrem Haar und suchte mit dem Mund ihren Hals. Sie mußte meine Aufregung über meine Halsschlagader spüren. Mit den Lippen schob ich die Haare in ihrem Nacken beiseite, ein warmer feiner Geruch aus Parfüm und Schweiß stieg auf. Gleich würde ich weniger denken, dachte ich, und nicht mehr dauernd nur mich selbst vor mir sehen — in diesem Augenblick als das gesichtslose Porträt eines erotischen Pilgers, der auf Führung, Trost und Hilfe hofft und wahrscheinlich genau das gleich geboten bekommt. Maybelle ließ ihre Brüste los und strich mit ihnen über meine nackte Brust. Sie preßte ihr Becken gegen das meine und fuhr wieder mit ihren Fingernägeln sanft über meinen Rücken. Ich hörte nahe an meinem Ohr, wie sie ohne Eile tief Luft holte. Ich dachte an Abe und daß gleich seine Weissagung in Erfüllung gehen würde. Ich solle ihn fragen, ob er sie schon einmal nackt gesehen habe, hatte er zu mir gesagt, und ich hatte ihn gefragt:»Mr. Fields, haben Sie Maybelle Houston schon einmal nackt gesehen?«Und er, im Tonfall eines Sachverständigen vor Gericht:»Nicht über und über nackt, aber doch fast, nämlich am Georgia Beach in East Hampton auf Long Island, sie trug einen weißen ganzteiligen Badeanzug, der ihren Körper jedoch wahrer zeigte, als wenn sie nackt gewesen wäre.«—»Ist sie schön?«hatte ich gefragt. — »Ja, aber nicht auf eine exemplarische Weise«, hatte er geantwortet. — »Und was heißt das?«—»Daß sie eben nicht nur schön ist.«—»Und das haben Sie auch zu ihr gesagt?«—»Selbstverständlich.«—»Und wie hat sie darauf reagiert?«—»Sehr vernünftig.«
«Steck ihn mir rein«, sagte sie,»und hinterher sind wir lieb zueinander.«
Mit zwei Handgriffen schlüpfte sie aus allem, was sie noch anhatte, öffnete meinen Gürtel, und ich zerrte und trat meine Hose von den Beinen. Sie setzte sich breitbeinig auf den Rand des Bettes, hielt mich an den Hüften, nahm kurz meinen erigierten Penis in den Mund und warf sich zurück, und ich war in ihr. Sie gab einen so atemlosen Rhythmus vor, daß ich fürchtete, es werde mir bereits nach wenigen Stößen kommen.
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