»Machen Sie schon auf, verdammt noch mal. Ich weiß, dass Sie da sind, und werde nicht gehen, bevor Sie die Tür aufmachen, oder ich schlage sie ein.«
Als ich öffnete, wich Isabella einen Schritt zurück und starrte mich entsetzt an.
»Ich bin’s, Isabella.«
Sie drängte mich beiseite und eilte direkt in die Veranda, wo sie die Fenster aufriss. Dann ließ sie Wasser in die Badewanne. Sie nahm mich am Arm und zog mich ins Bad. Dort befahl sie mir, mich auf den Wannenrand zu setzen, hob meine Lider und sah mir mit einem Kopf schütteln in die Augen. Wortlos begann sie mir das Hemd auszuziehen.
»Isabella, ich mag jetzt nicht.«
»Was sind denn das für Schnitte? Was haben Sie sich angetan?«
»Nur ein paar Kratzer.«
»Ich will, dass ein Arzt Sie untersucht.«
»Nein.«
»Wagen Sie mir nicht zu widersprechen«, antwortete sie streng. »Und jetzt setzen Sie sich in diese Wanne und machen Sie Gebrauch von Wasser und Seife, und danach rasieren Sie sich. Sie haben zwei Möglichkeiten: Entweder machen Sie es selbst, oder ich mache es. Und glauben Sie nicht, dass ich mich nicht traue.«
Ich lächelte.
»Das weiß ich schon.«
»Tun Sie, was ich Ihnen sage. Unterdessen hole ich einen Arzt.«
Ich wollte noch etwas entgegnen, aber sie brachte mich mit einer Handbewegung zum Schweigen.
»Kein weiteres Wort. Wenn Sie meinen, Sie sind der Einzige, dem die Welt Schmerz zufügt, dann täuschen Sie sich. Und wenn es Ihnen nichts ausmacht, wie ein Hund zu verrecken, dann seien Sie wenigstens so anständig, zu bedenken, dass es uns anderen etwas ausmacht, obwohl ich wahrlich nicht weiß, warum.«
»Isabella…«
»Ins Wasser. Und tun Sie mir den Gefallen, Hose und Unterhose auszuziehen.«
»Ich weiß, wie man ein Bad nimmt.«
»Wer hätte das gedacht.«
Während Isabella einen Arzt holte, beugte ich mich ihren Befehlen und unterzog mich meiner Kaltwasser- und Seifentaufe. Seit der Beerdigung hatte ich mich nicht mehr rasiert, und im Spiegel sah ich aus wie ein Wolf. Die Augen waren blutunterlaufen und die Haut krankhaft weiß. Ich zog saubere Kleider an und setzte mich in die Veranda. Nach zwanzig Minuten kam Isabella mit einem Arzt zurück, den ich schon einmal im Viertel gesehen zu haben glaubte.
»Das ist der Patient. Achten Sie nicht auf seine Worte, er ist ein Schwindler«, verkündete sie.
Der Arzt warf einen Blick auf mich, um den Grad meiner Feindseligkeit abzuschätzen.
»Tun Sie, was Sie wollen, Doktor«, forderte ich ihn auf. »Als wäre ich gar nicht vorhanden.«
Der Arzt begann mit dem raffinierten Ritual, das die Basis der medizinischen Wissenschaft bildet — er maß den Blutdruck, hörte mich überall ab, überprüfte Pupillen und Rachen, stellte mysteriöse Fragen und guckte skeptisch. Als er die Schnitte auf der Brust untersuchte, die mir Irene Sabino mit einem Messer beigebracht hatte, hob er eine Braue und sah mich an.
»Was ist denn das?«
»Das bedarf einer langen Erklärung, Doktor.«
»Haben Sie das getan?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Ich werde Ihnen eine Salbe geben, aber ich fürchte, die Narben bleiben.«
»Ich glaube, das war auch die Absicht.«
Er setzte seine Untersuchung fort. Ich fügte mich widerstandslos und ließ den Blick auf Isabella ruhen, die von der Tür aus beklommen zuschaute. Da ging mir auf, wie sehr ich sie vermisst hatte und wie sehr ich ihre Gesellschaft schätzte.
»Was für ein Schrecken«, murmelte sie vorwurfsvoll.
Der Arzt untersuchte meine Hände und runzelte die Stirn, als er die wunden Fingerkuppen sah. Mit leisem Gemurmel verband er mir einen Finger nach dem anderen.
»Wie lange haben Sie schon nichts mehr gegessen?«
Ich zuckte die Schultern. Er wechselte einen Blick mit Isabella.
»Es besteht kein Grund zur Beunruhigung, aber ich möchte Sie spätestens morgen in meiner Praxis untersuchen.«
»Ich fürchte, das wird nicht möglich sein, Doktor«, sagte ich.
»Er wird kommen«, versicherte Isabella.
»Inzwischen empfehle ich Ihnen, etwas Warmes zu sich zu nehmen, zuerst Brühe und dann etwas Festes, viel Wasser, aber auf keinen Fall Kaffee oder Aufputschmittel — und vor allem Ruhe. Ein wenig an die frische Luft und die Sonne, aber ohne sich anzustrengen. Sie zeigen die klassischen Symptome von Erschöpfung und Dehydration und eine beginnende Anämie.«
Isabella seufzte.
»Nichts von Belang«, sagte ich.
Der Arzt schaute mich zweifelnd an und stand auf.
»Morgen in meiner Praxis, um vier Uhr nachmittags. Hier habe ich weder die Instrumente noch die Voraussetzungen, um Sie gründlich untersuchen zu können.«
Er klappte sein Köfferchen zu und verabschiedete sich mit einem freundlichen Gruß von mir. Isabella begleitete ihn zur Tür, und ich hörte sie zwei Minuten lang im Korridor tuscheln. Ich zog mich wieder an und wartete in der Veranda, ganz der folgsame Patient. Dann hörte ich, wie sich die Tür schloss und der Arzt die Treppe hinunterging. Ich wusste, dass Isabella im Vorraum stand und einen Moment wartete, bevor sie zurückkam. Als sie eintrat, empfing ich sie mit einem Lächeln.
»Ich mache Ihnen etwas zu essen.«
»Ich habe keinen Hunger.«
»Das ist mir egal. Sie werden essen, und danach gehen wir an die frische Luft, Punktum.«
Sie machte mir eine Brühe, und ich aß sie unter einiger Überwindung mit einem Kanten Brot und einem freundlichen Gesicht, obwohl sie nach Steinen schmeckte. Den leeren Teller hielt ich Isabella unter die Nase, die mich während des Essens wie ein Feldwebel bewacht hatte. Anschließend führte sie mich ins Schlafzimmer, zog einen Mantel aus dem Schrank, stattete mich mit Handschuhen und Schal aus und schob mich zur Tür. Draußen pfiff ein kalter Wind, aber der Himmel leuchtete im Schein der untergehenden Sonne, die die Straßen in bernsteinfarbenes Licht tauchte. Isabella hakte sich bei mir unter, und wir marschierten los.
»Als wären wir verlobt«, sagte ich.
»Sehr witzig.«
Wir gingen zum Ciudadela-Park und dort in die Gärten, die den Umbráculo-Pavillon umgaben. Vor dem großen Brunnen setzten wir uns auf eine Bank.
»Danke«, murmelte ich.
Sie gab keine Antwort.
»Ich habe dich gar nicht gefragt, wie es dir geht«, sagte ich zaghaft.
»Das ist nichts Neues.«
»Wie geht es dir?«
Sie zuckte die Achseln.
»Meine Eltern sind glücklich, dass ich zurück bin. Sie sagen, Sie hätten einen guten Einfluss auf mich gehabt. Wenn die wüssten… Aber wir vertragen uns wirklich besser. Ich sehe sie allerdings auch nicht häufig — ich bin fast die ganze Zeit in der Buchhandlung.«
»Und Sempere? Wie kommt er mit dem Tod seines Vaters zurecht?«
»Nicht sehr gut.«
»Und du, wie kommst du mit ihm zurecht?«
»Er ist ein guter Mensch.«
Sie schwieg lange mit gesenktem Kopf.
»Er hat mich gebeten, ihn zu heiraten«, sagte sie schließlich. »Vor zwei Tagen, im Quatre Gats.«
Ich betrachtete ihr Profil, das gefasst wirkte und nichts von der jugendlichen Unschuld besaß, die ich in ihr hatte sehen wollen und die es wahrscheinlich nie gegeben hatte.
»Und?«
»Ich habe gesagt, ich würde es mir überlegen.«
»Und wirst du es tun?«
Isabella starrte in den Brunnen.
»Er hat gesagt, er wolle eine Familie gründen, Kinder haben… Wir würden in der Wohnung über der Buchhandlung leben und diese am Laufen halten, trotz der Bedenken, die Señor Sempere gehabt hatte.«
»Nun ja, du bist noch jung…«
Sie wandte mir den Kopf zu und schaute mich an.
»Liebst du ihn denn?«
Sie lächelte unendlich traurig.
»Was weiß denn ich. Ich glaube schon, aber nicht so sehr, wie er mich zu lieben glaubt.«
»In einer schwierigen Lage kann man manchmal Mitleid mit Liebe verwechseln«, sagte ich.
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