Ihr zweites Anliegen war der Kampf gegen den Kommunismus. Der äußerte sich vor allem darin, dass sie kurz vor ihrer ersten Wiederwahl für ein Verbot der kommunistischen Partei auf Bali sorgte. Die wurde nämlich langsam größer, als für Amanda gut war. Auf diese Weise kam sie auch mit einem wesentlich geringeren Wahlkampfbudget aus.
Beim dritten Punkt hatte sich Amanda von Herbert und Allan helfen lassen. Von diesen beiden erfuhr sie nämlich, dass es in vielen Gegenden der Welt überhaupt nicht normal war, das ganze Jahr über dreißig Grad zu haben. Vor allem im sogenannten Europa war es wohl besonders kühl, vor allem ganz im Norden, wo Allan herkam. Das brachte Amanda auf die Idee, dass es auf der Welt doch jede Menge steif gefrorene Reiche geben musste, die man alle dazu ermuntern konnte, sich auf Bali auftauen zu lassen. Und so regte sie die Entwicklung des Fremdenverkehrs an, indem sie Baugenehmigungen für eine ganze Reihe von Luxushotels erteilte. Auf Grundstücken, die sie vorher selbst erworben hatte.
Ansonsten kümmerte sie sich auch nach bestem Wissen und Gewissen um ihre Lieben. Vater, Mutter, Schwestern, Onkel, Tanten und Cousinen bekamen alle wichtige, lukrative Positionen in der balinesischen Gesellschaft. Das führte dazu, dass Amanda nicht weniger als zweimal wiedergewählt wurde. Beim zweiten Mal ging die Anzahl der Stimmen und der Stimmberechtigten sogar glatt auf.
Im Laufe der Jahre schenkte Amanda auch zwei Söhnen das Leben: zuerst Allan Einstein (denn Herbert hatte Allan ja so gut wie alles zu verdanken), gefolgt von Mao Einstein (weil dieser Riesenhaufen Dollahs ihnen so viel genützt hatte).
Doch dann wurde es ihr eines Tages alles zu viel. Es begann mit dem Ausbruch des dreitausend Meter hohen Vulkans Gunung Agung. Die unmittelbare Folge für Allan, der sich gerade in siebzig Kilometern Entfernung aufhielt, war, dass die Aschewolke die Sonne verdunkelte. Für andere war es schon schlimmer. Tausende von Menschen kamen ums Leben, noch mehr mussten von der Insel fliehen. Die bis dahin so beliebte Gouverneurin traf keine bemerkenswerten Entscheidungen. Sie begriff nicht mal, dass sie eine ganze Reihe von Entscheidungen hätte treffen müssen.
Allmählich beruhigte sich der Vulkan wieder, doch die Insel war ökonomisch wie politisch aus dem Gleichgewicht geraten – wie der ganze indonesische Staat. In Jakarta übernahm Suharto das Amt von Präsident Sukarno, und der neue Führer des Landes hatte bestimmt nicht vor, politische Entartungen mit Glacéhandschuhen anzufassen, wie es sein Vorgänger getan hatte. Das hieß, dass er die Hatz auf Kommunisten eröffnete, auf mutmaßliche Kommunisten, mögliche Kommunisten, ganz eventuelle Kommunisten und den einen oder anderen Unschuldigen. Bald waren zwischen zweihunderttausend und zwei Millionen Menschen tot; diese Schätzungen waren allerdings sehr ungenau, weil viele ethnische Chinesen ganz einfach aus Indonesien ausgewiesen wurden, weil man sie von vornherein als Kommunisten abstempelte. Wenn sie dann in China ankamen, wurden sie natürlich als Kapitalisten behandelt.
Als sich die Rauchwolke gelegt hatte, äußerte bestimmt kein einziger der zweihundert Millionen Einwohner des Landes mehr kommunistische Ideen (das war zur Sicherheit auch gleich für illegal erklärt worden). Daraufhin betrachtete Suharto seine Mission als erledigt und lud die USA und andere westliche Staaten ein, an den Reichtümern des Landes teilzuhaben. Das brachte die Wirtschaft in Schwung, den Leuten ging es besser, und am besten von allen ging es Suharto, der bald unendlich reich war. Keine schlechte Leistung für einen Soldaten, der seine militärische Karriere mit dem Schmuggel von Zucker begonnen hatte.
Amanda Einstein wollte das Gouverneursamt einfach nicht mehr so viel Spaß machen wie früher. Ungefähr achtzigtausend Balinesen hatten bei den eifrigen Bestrebungen der Regierung in Jakarta, den Bürgern falsche Gedanken auszutreiben, ihr Leben lassen müssen.
In dieser chaotischen Phase ging Herbert in Rente, und Amanda zog es ebenfalls in Erwägung, obwohl sie erst knapp dreiundvierzig war. Der Familie gehörten ja Grundstücke und Hotels, und der Riesenhaufen Dollahs , der den Wohlstand der Familie überhaupt erst möglich gemacht hatte, hatte sich in einen noch größeren Riesenhaufen Dollahs verwandelt. Da konnte man sich doch ebenso gut zur Ruhe setzen. Aber was sollte sie nun mit ihrer Zeit anfangen?
»Was halten Sie davon, indonesische Botschafterin in Paris zu werden?«, fragte Suharto sie geradeheraus, als er sich am Telefon bei ihr vorgestellt hatte.
Er war im Bilde über Amanda Einsteins Arbeit auf Bali und ihr resolutes Kommunistenverbot. Außerdem strebte er ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Männern und Frauen bei der Besetzung der Spitzenpositionen in den ausländischen Botschaften an (wenn Amanda Einstein annahm, wäre das Verhältnis vierundzwanzig zu eins).
»Paris?«, wiederholte Amanda Einstein. »Wo ist das denn?«
* * * *
Allan dachte, dass der Vulkanausbruch von 1963 vielleicht ein Wink des Schicksals war, langsam doch aufzubrechen. Doch als die Sonne wieder hinter den Aschewolken zum Vorschein kam, war im Grunde alles wie vorher (nur dass jetzt aus irgendeinem Grund ein Bürgerkrieg auf den Straßen tobte). Wenn das Schicksal sich nicht deutlicher äußern konnte, dann war es selbst schuld. Und so blieb Allan noch ein paar Jahre auf seinem Liegestuhl liegen.
Dass er zum Schluss doch packte und aufbrach, war Herberts Verdienst. Eines Tages erzählte er ihm, dass Amanda und er nach Paris ziehen würden, und wenn Allan mitkommen wolle, würde ihm sein Freund einen falschen indonesischen Pass besorgen (als Ersatz für den falschen britischen, der inzwischen abgelaufen war). Außerdem würde die designierte Botschafterin ihm eine Anstellung in der Botschaft besorgen. Es sei zwar nicht nötig, dass Allan arbeitete, aber wenn er keine offizielle Beschäftigung habe, könne es sein, dass die Franzosen sich ganz schön anstellten. Die schauten nämlich genau hin, bevor sie jemanden ins Land ließen.
Allan nahm dankend an. Mittlerweile hatte er sich auch genug ausgeruht. Paris klang nach einem ruhigen, stabilen Fleckchen, ohne solche Krawalle, wie sie in letzter Zeit auf Bali gewütet hatten, sogar in der Nähe von Allans Hotel.
Die Abreise erfolgte schon zwei Wochen später. Amanda trat ihren Dienst in der Botschaft am 1. Mai an.
Man schrieb das Jahr 1968.
21. KAPITEL Donnerstag, 26. Mai 2005
Per-Gunnar Gerdin verschlief gerade den Vormittag, als Kommissar Göran Aronsson auf den Hof von Klockaregård einbog und zu seiner Verblüffung Allan Emmanuel Karlsson auf der großen Holzveranda auf einer Hollywoodschaukel entdeckte.
Benny, die Schöne Frau und Buster waren gerade mit der Wasserversorgung für Sonjas neuen Stall in der Scheune beschäftigt. Julius hatte sich einen Bart stehen lassen und so die Erlaubnis der Gruppe bekommen, Bosse zum Lebensmitteleinkauf nach Falköping zu begleiten. Allan war weggenickt und wachte erst auf, als der Kommissar sich bemerkbar machte.
»Allan Karlsson, vermute ich?«, sagte Aronsson.
Allan schlug die Augen auf und meinte, das vermute er ebenfalls. Hingegen habe er keine Ahnung, wer da gerade mit ihm spreche. Ob der Besuch ihm in dieser Frage wohl Klarheit verschaffen wolle?
Das wollte der Kommissar sofort. Er sagte, er heiße Aronsson, sei Polizeikommissar und suche Herrn Karlsson schon seit einer ganzen Weile. Gegen Herrn Karlsson sei nämlich Haftbefehl erlassen aufgrund des Verdachts, Leute umgebracht zu haben. Gegen seine Freunde, die Herren Jonsson und Ljungberg sowie Frau Björklund, übrigens auch. Ob er zufällig wisse, wo diese sich gerade aufhielten.
Allan ließ sich Zeit mit der Antwort. Er müsse kurz seine Gedanken sammeln, erklärte er, er sei ja eben erst aufgewacht, dafür habe der Kommissar hoffentlich Verständnis. Schließlich plaudere man nicht einfach irgendwas über seine Freunde aus, ohne vorher gut nachzudenken, ob ihm der Herr Kommissar da nicht zustimme.
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