So etwas hatte Allan nun wirklich noch nie gemacht – einfach so einen Menschen aus dem Weg zu räumen, als wäre er eine Brücke. Und er hatte auch sicher nicht den Wunsch, so etwas zu tun. Doch jetzt musste er gut nachdenken. Hatte dieser kettenrauchende Chefmörder irgendetwas Bestimmtes im Sinn?
Allan überlegte noch ein paar Sekunden und durchforstete sein Gedächtnis, doch ihm wollte auf die Schnelle kein anderer Name einfallen als:
»Glenn Miller.«
»Glenn Miller?«, wiederholte der Polizeichef.
Allan konnte sich noch gut erinnern, welch große Bestürzung es einige Jahre zuvor auf der Militärbasis in Los Alamos in New Mexico ausgelöst hatte, als es hieß, dass der Flieger der U. S. Army, in dem Glenn Miller gesessen hatte, vor der englischen Küste verschwunden war und dass die junge Jazzlegende offiziell als vermisst galt.
»Genau der«, bestätigte Allan und schlug einen verschwörerischen Ton an. »Der Befehl lautete, dass es wie ein Flugunfall aussehen sollte, und das ist mir ja auch gelungen. Ich habe dafür gesorgt, dass die beiden Motoren in Flammen aufgingen, und dann ist er irgendwo in den Ärmelkanal gestürzt und wurde nie wieder gesehen. Ein würdiges Schicksal für so einen Nazi-Überläufer, wenn der Herr Minister mich fragt.«
»Glenn Miller war Nazi ?«, fragte der Polizeichef verblüfft.
Allan nickte (und bat im Stillen alle Hinterbliebenen von Glenn Miller um Verzeihung). Der Polizeichef versuchte indes, sich von der Neuigkeit zu erholen, dass sein großer Jazzheld für Hitler gearbeitet hatte.
In diesem Moment beschloss Allan, dass es das Beste war, wenn er das Gespräch selbst in die Hand nahm, bevor der Chefmörder ihm weitere Fragen in Sachen Glenn Miller stellen konnte.
»Wenn der Herr Premierminister es wünscht, bin ich gern bereit, mit maximaler Diskretion jede Person aus dem Weg zu räumen, die mir angegeben wird. Im Gegenzug trennen wir zwei uns hinterher in Freundschaft.«
Der Polizeichef war zwar immer noch völlig aus der Bahn nach der traurigen Enthüllung über den Komponisten der Moonlight Serenade , aber deswegen ließ er sich noch längst nicht die Zügel aus der Hand nehmen. Auf Verhandlungen über Allan Karlssons Zukunft würde er sich ganz bestimmt nicht einlassen.
»Wenn ich will, werden Sie die Person aus dem Weg räumen, die ich Ihnen nenne, und im Gegenzug werde ich mir eventuell überlegen, ob ich Sie am Leben lasse «, korrigierte der Polizeichef und beugte sich über den Tisch, um seine Zigarette in Allans halb voller Kaffeetasse auszudrücken.
»Vielleicht hab ich mich ein wenig unklar ausgedrückt, aber genau so hatte ich das auch gemeint«, versicherte Allan.
* * * *
Das Verhör an diesem Vormittag hatte sich ganz anders entwickelt, als der Polizeichef es gewöhnt war. Statt einen mutmaßlichen Staatsfeind aus dem Weg zu räumen, hatte er das Gespräch vertagt, um die veränderte Situation erst einmal zu verdauen. Nach dem Mittagessen trafen sich der Polizeichef und Allan Karlsson noch einmal, und ihre Pläne nahmen Gestalt an.
Es handelte sich um ein Attentat auf Winston Churchill, während der von der Leibwache des Schahs beschützt wurde. Doch der Anschlag musste so inszeniert werden, dass niemand die geringste Verbindung zur Behörde für innere Sicherheit und Nachrichtendienst herstellen konnte, geschweige denn zu deren Leiter. Da man mit Sicherheit davon ausgehen musste, dass die Briten die Sache minutiös untersuchen würden, durfte nicht die geringste Schlamperei passieren. Doch wenn das Projekt gelang, würden die Auswirkungen dem Polizeichef in jeder Hinsicht zum Vorteil gereichen.
Vor allem würde es den überheblichen Briten das Maul stopfen, die dem Polizeichef die Verantwortung für die Sicherheit des Premiers entzogen hatten. Des Weiteren würde der Schah ihn sicherlich damit beauftragen, in den Reihen seiner unfähigen Leibwache aufzuräumen. Und sobald sich die Aufregung gelegt hatte, würde die Position des Polizeichefs wieder stärker denn je sein und nicht wie jetzt – empfindlich geschwächt.
Allan und er arbeiteten also ihren Plan aus, als wären sie die besten Freunde. Doch wann immer die Stimmung zu persönlich werden wollte, drückte der Polizeichef seine Zigarette in Allans Kaffee aus.
Nun rückte er langsam mit der Information heraus, dass die einzige gepanzerte Limousine des Staates in der Garage der Behörde für innere Sicherheit stand, ein speziell angefertigter DeSoto Suburban. Er war weinrot und sehr schick, versicherte der Polizeichef. Die Leibgarde würde sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit demnächst melden, um sich diesen Wagen auszubitten, denn wie sonst sollte Churchill vom Flughafen zum Palast des Schahs transportiert werden?
Allan meinte, die Lösung könnte in einem wohldosierten Sprengsatz unten am Fahrgestell des Wagens liegen. Aber mit Rücksicht auf den Wunsch des Premierministers, keine Spuren zu hinterlassen, die zu ihm führen könnten, schlug Allan noch zwei besondere Maßnahmen vor.
Erstens sollte der Sprengsatz genau aus den Ingredienzen bestehen, die Mao Tse-tungs Kommunisten in China benutzten. Zufällig war Allan über die Zusammensetzung dieser Bomben genauestens informiert, und er war zuversichtlich, den Anschlag als Tat der Kommunisten hinstellen zu können.
Zweitens sollte die betreffende Ladung im vorderen Teil des Chassis eingebaut werden. Mit Hilfe des Fernzünders, dessen Konstruktionsdetails Allan zufällig ebenfalls bekannt waren, würde der Sprengsatz nicht sofort detonieren, sondern sich lösen, herabfallen und eine Zehntelsekunde später explodieren, sobald er den Boden berührte.
Nach Ablauf dieser Zehntelsekunde befände sich der Sprengsatz nämlich direkt unter dem hinteren Drittel des Wagens, also dort, wo Winston Churchill mit Sicherheit saß und an seiner Zigarre zog. Die Bombe würde ein Loch in den Wagenboden reißen und Churchill in die Ewigkeit befördern, aber gleichzeitig einen Krater im Boden hinterlassen.
»So gaukeln wir den Leuten vor, dass der Sprengsatz im Boden vergraben und nicht am Auto befestigt war. Dieses Vertuschungsmanöver müsste dem Herrn Premierminister doch sehr zupass kommen, oder?«
Der Polizeichef kicherte vor lauter Vergnügen und Eifer und machte seine gerade angezündete Zigarette in Allans frisch eingeschenktem Kaffee aus. Allan meinte, der Herr Premierminister könne mit seinen Zigaretten und Allans Kaffee sicherlich ganz nach Belieben verfahren, aber wenn es sich so verhielt, dass der Herr Minister mit seinem eigenen Aschenbecher nicht so ganz glücklich sei, könne er Allan doch einen kurzen Hafturlaub gewähren, dann würde dieser gern in die Stadt gehen und dem Herrn Minister einen schönen neuen Aschenbecher besorgen.
Der Polizeichef kümmerte sich gar nicht um Allans Aschenbechergerede, sondern genehmigte den besprochenen Plan und erbat sich eine vollständige Liste aller Dinge, die Herr Karlsson brauchte, um innerhalb kürzester Zeit das betreffende Auto zu präparieren.
Allan schrieb die Bezeichnungen der neun Substanzen auf, die für diese Formel erforderlich waren. Außerdem fügte er noch eine zehnte hinzu – Nitroglycerin –, von der er meinte, dass sie auch ganz nützlich sein könnte. Und eine elfte – nämlich ein Glas Tinte.
Des Weiteren bat Allan darum, dass man ihm einen der vertrautesten Mitarbeiter des Herrn Premierministers als Assistenten und Einkäufer überließ und dass der Herr Premierminister Allans Zellengenossen, Pastor Ferguson, als Dolmetscher freistellte.
Der Polizeichef murmelte, dass er diesen Pfarrer lieber gleich ausschalten würde, denn Priester konnte er nicht ausstehen – aber seinetwegen solle diese Bitte gewährt werden, denn man wolle ja möglichst keine Zeit vergeuden. Daraufhin drückte er noch eine Zigarette in Allans Kaffee aus, um ihm zu verstehen zu geben, dass die Unterredung beendet war, und um ihn noch einmal daran zu erinnern, wer hier das Sagen hatte.
Читать дальше