»Nach dem Tod des jungen Mannes ritten Winslow und seine beiden Söhne zu der Stelle. Die Apachen waren längst verschwunden. Winslow entdeckte Teile eines Wagenrads und eine Menge Asche auf dem Grund der Schlucht, aber das war schon alles. Die Geier und die großen Katzen hatten sich die Leichen geholt.«
In ihrem Zimmer setzte sich Ashton zitternd aufs Bett. Zwei Wagen enthielten dreihunderttausend in Gold – dahin. Ebenso wie Powell. Sie hatte Lamar Powell mehr geliebt als jeden anderen Mann.
Nein. Das war vorbei, und sie mußte sich dieser Tatsache stellen. Sie saß allein in dieser gottverlassenen Wildnis, ohne irgendwelche finanziellen Mittel bis auf das Konto in Nassau, das jetzt ihr allein gehörte.
Während der nächsten zwei oder drei Monate würde sie zwar kaum an das Geld auf den Bahamas herankommen, aber eines wußte sie mit Sicherheit: Sie würde von diesem Geld so lange leben, bis sie die Schlucht entdeckt hatte, in der die Überreste der Wagen lagen. Der Händler und seine Söhne hatten nicht weiter nachgeforscht, wahrscheinlich, weil ihnen nie in den Sinn gekommen wäre, daß unter der Asche Goldbarren versteckt sein könnten. Je mehr sie an den Schatz dachte, desto schneller schwand ihr Kummer um Powell dahin.
James’ Tod löste keinerlei Trauergefühle bei ihr aus. Er war schon immer ein Schwächling gewesen. Der Gedanke an ihn brachte die Erinnerung an den versiegelten Brief, den er ihr in St. Louis übergeben hatte. In der Annahme, daß es sich ohnehin nur um sentimentales Geschwätz handeln würde, hatte sie ihn in ihre Tasche gestopft und vergessen.
Der Brief war alles andere als sentimental. Nach brüsker Anrede stand da:
Ich habe mich Mr. Powells Abenteuer nicht nur aus Gründen der Loyalität angeschlossen. Ich bewundere Mr. Powells Ansichten bezüglich der Rechte und Ideale des Südens, muß aber hier eingestehen, daß ich ihn persönlich verabscheue aufgrund meines Verdachts in bezug auf ihn und Dich. Mir fehlt zwar ein echter Beweis, aber ich bin überzeugt davon, daß Du schon seit einiger Zeit seine Geliebte bist.
Im Falle eines vorzeitigen Ablebens meinerseits kann ich wenigstens dafür sorgen, daß Deine Hurerei nicht auch noch belohnt wird. Bevor ich Richmond verließ, schrieb ich einen von Zeugen bestätigten Brief an meinen alten Partner der Kanzlei Thomas & Huntoon, Charleston. In Detroit bekam ich seinen Eingang als Testament bestätigt, das nun anstatt meines alten Testaments in Kraft tritt. Das unselige Geld von der Water Witch, das laut Ehegesetz mir gehört, wird nun im Falle meines Todes an meine Verwandten verteilt werden. Der Rest wird mildtätigen Zwecken zugeführt. Du wirst keinen Penny davon bekommen.
Das ist nur eine kleine Vergeltung für das viele Unrecht, das Du mir angetan hast.
James
Ashton taumelte hoch, zerknüllte den Brief. »Das ist nicht wahr«, flüsterte sie.
Sie packte ihr Täschchen und schleuderte es gegen die Jalousie. »Nicht wahr.« Sie kippte das Bett um, knallte den Stuhl gegen die Wand. Die Vermieterin hämmerte gegen die Tür.
»Señora, qué pasa aqui adentro?«
Der Stuhl zerbrach. Kreischend zerschmetterte sie die Waschschüssel.
»Nicht wahr – nicht wahr – nicht wahr!«
»Señora, está enferma?«
Die letzten Worte fielen in eine sturmgepeitschte Leere, als Ashton die Augen verdrehte und in Ohnmacht fiel.
Die Vermieterin drückte, bis der Haken an der Tür brach. Keuchend erklärte Ashton, sie habe einen Anfall gehabt, und versprach, alles zu bezahlen, was sie zerstört hatte.
Den ganzen Nachmittag und Abend lag Ashton stocksteif im Bett, ihr Gehirn ein einziges Chaos. Endlich, gegen Morgen, begann die Luft abzukühlen. Sie schlief ein und erwachte kurz vor Mittag.
Sie richtete sich auf und hielt sich den Kopf. Von Nassau würde sie keinen Dollar bekommen. Aber da draußen lag Gold. Sie war noch nicht geschlagen. Sie zog ihr bestes und leichtestes Kleid an. Nach den langen Reisen befand es sich in bedauernswertem Zustand, aber immerhin brachte das Korsett ihren Busen großartig zur Geltung. Und nur darauf kam es an.
Sie verließ ihr Zimmer und stieg die Stufen hinab. Man hatte ihr gesagt, der Hausherr sei ein Yankee. Als sie die Bar betrat, klappten den Männern buchstäblich die Unterkiefer herab. Sie kümmerte sich nicht darum, sondern ging auf den kräftigen Mann hinter der Bar zu, in dessem blonden Haar sich schon eine Menge Weiß zeigte.
Ashton lächelte ihn an. »Sie sind Amerikaner, ja?«
»Richtig.«
»Ich ebenfalls. Durch unerwartete Umstände hier gestrandet.«
»Ich habe Sie schon auf der Straße bemerkt. Fragte mich, in was für einer Lage – «
»Darf ich Ihnen eine Frage stellen? Vertraulich?«
»Sicher.« Es entging ihr nicht, wie sein Blick über ihre Brüste wanderte.
»Ich möchte gern die Namen der zwei oder drei reichsten Männer in dieser Gegend wissen.«
»Der zwei oder drei –?«
»Reichsten.«
»Hab’ ich tatsächlich richtig gehört.« Amüsiert fügte er hinzu: »Verheiratet oder unverheiratet?«
Zum Teufel mit ihm. Er hielt sie für ein dämliches Weibchen, über das man sich lustig machen konnte. Sie würde ihn eines besseren belehren. Ich werde auch das durchstehen, ich überlebe das, so wie ich alles andere überlebt habe. Und wenn ich soweit bin, dann wird jeder Mann in dieser Gegend des Landes um zwei Minuten meiner Zeit betteln.
»Ma’am? Verheiratet oder unverheiratet?«
Ashtons Lächeln war betörend.
»Das spielt wirklich keine Rolle.«
138
Unter dem stillen Sternenhimmel, kurz nach Sonnenuntergang, schlenderten Andy und Jane am Ashley entlang; sie unterhielten sich leise, suchten nach Antwort auf eine Frage, die Madeline gestellt hatte.
Ciceros Zukunft war klar. Er war zu alt, um neu zu beginnen. Er beschwerte sich sogar über die unerwünschte Freiheit, die Vater Abraham ihm aufgedrängt hatte, weil sie sein Leben durcheinanderbrachte. Jane wollte ihn zurechtweisen, überlegte es sich dann aber anders. Cicero war über siebzig; sie begriff, daß für ihn jede Veränderung eine Bedrohung darstellte.
Bei ihr und bei Andy war das anders. Und so spazierten sie eng umschlungen dahin, unterbrachen ihr Gespräch nur für einen gelegentlichen Kuß. Nach einer Stunde kehrten sie Hand in Hand zum Holzhaus zurück.
Alle waren noch auf, weil George und Constance morgen mit der flußabwärtsfahrenden Osprey abreisten. Madeline lächelte dem schwarzen Paar zu. »Hallo, Andy – Jane! Kommt herein!«
Jane fing an: »Wenn der Zeitpunkt schlecht ist, um mit euch zu reden – «
»Ganz und gar nicht. Kommt nur.«
Andy räusperte sich. »Wir wollten nur die Frage nach unseren weiteren Plänen beantworten.«
Es wurde still; die gesamte Aufmerksamkeit richtete sich auf sie. Jane sprach für sie beide.
»Wir dachten, wir bleiben noch ein bißchen in South Carolina.«
»Als freie Menschen«, fügte Andy hinzu.
»Es ist jetzt auch unser Staat«, sagte Jane. »Unser Land, ebenso wie das des weißen Mannes.«
Ihre Worte klangen leicht herausfordernd. Vielleicht zögerte Cooper deswegen einen Moment, bevor er sagte: »Natürlich ist es das. Ich begrüße eure Entscheidung. Ich würde mich freuen, euch hier zu behalten, wenn ihr nichts anderes im Sinn habt.«
Jane schüttelte den Kopf, blickte dann zu dem starken, stolzen Mann an ihrer Seite. »Mont Royal war gut zu mir. Besser, als ich erwartet hatte.«
»Aber wir können nicht ohne Lohn arbeiten«, sagte Andy. »Jetzt nicht mehr.«
Cooper und Madeline tauschten zustimmende Blicke. »Einverstanden«, sagte Cooper. »Dank George ist das jetzt möglich.«
Jane lächelte. Erleichterung zeigte sich auf den Gesichtern der anderen. Andy trat vor.
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