Bald merkte er, daß er die Ursache des Feuers falsch eingeschätzt hatte. Die Flammen stammten von einem der Wagen, der zwischen den Felsen auftauchte, geschoben von fünfzehn oder zwanzig tobenden Indianern. Das ganze vordere Drittel des Wagens brannte hellauf.
Grunzend und schreiend stießen die Apachen den Wagen über den Schluchtrand. Holz splitterte, das Feuer teilte sich, schlug an verschiedenen Stellen auf. Die Apachen verschwanden, tauchten bald mit dem zweiten brennenden Wagen auf, den sie ebenfalls in den Abgrund schickten. Dann standen sie da, jaulten und brüllten und schüttelten ihre Keulen und Lanzen.
Collins würde die Überreste genau untersuchen, das stand fest, aber bestimmt würde er das nicht in dieser Nacht tun. Er mußte nur die Nacht überleben. Bei Tagesanbruch war die Apachenbande bestimmt verschwunden. Die Trümmer der Wagen lagen für eine Weile sicher in der Schlucht; hier kam nicht oft jemand vorbei. Er konnte Wochen, sogar Monate später zurückkommen, er würde bestimmt das vorfinden, was in den Wagen verborgen gewesen war – vor allem, wenn es sich wirklich um Gold gehandelt hatte.
Banquo Collins wußte nicht viel über Metalle, nur eines wußte er: Gold konnte seine Form verändern, aber es konnte nicht zerstört werden.
In bester Stimmung machte er sich auf den Weg. Gelegentlich leckte er sich die Lippen, wenn er sich selbst als reichen Tourist sah, Austern schlürfend und auf jedem Knie eine Hure.
135
Heimkehrende Soldaten legten ab und zu eine Rast auf Mont Royal ein und berichteten den Mains in lebhaften Bildern vom Ruin des ganzen Staates. Dafür erhielten sie Wasser aus der Quelle. Nahrungsmittel hatte Cooper keine anzubieten.
Columbia war verbrannte Erde. Negerbanden verstopften die Straßen, befreit, aber von ihrem Status verwirrt und hungernd. Es gab weder für Weiße noch für Schwarze was zu essen. In den meisten Dörfern hatten die Besitzer ihre Läden mit Brettern zugenagelt.
Cooper versuchte es mit einer Juni-Ernte. Zur Bearbeitung des Bodens mit den wenigen rostigen Geräten hatte er nur Andy, Cicero, der für diese Arbeit zu alt war, Jane und seine Tochter zur Verfügung. Judith half aus, wenn sie nicht gerade kochte oder sonst mit dem Haushalt beschäftigt war.
Tausend Fragen hämmerten in seinem Kopf, bis er so sehr schmerzte wie sein Körper. Würden sie genügend Reis ernten, um ein bißchen davon verkaufen zu können? Um den Winter überleben zu können? Würde der Süden auf Jahre hinaus von feindlichen Truppen besetzt werden? Würde –
Er hob den Kopf von seiner Arbeit, als Andy scharf seinen Namen rief, und wischte sich den Schweiß aus den Augen. Judith kam über die Dämme gerannt, die die Reisfelder voneinander trennten.
»Cooper, deine Mutter. Wie gewöhnlich ging ich zu ihr, während sie ihr Nickerchen hielt. Nach ihrem Gesichtsaudruck zu schließen ist sie in Frieden gestorben. Vielleicht ohne jeden Schmerz. Es tut mir so leid, Liebling.«
Er legte einen schmerzenden Arm um sie; seine Augen füllten sich mit Tränen. Für den Rest des Tages kehrten sie zu dem Holzhaus zurück.
Cooper hatte schon vor langem entdeckt, daß das Leben eine perverse Art hatte, einen mit dem Unerwarteten zu überraschen. In der Dämmerung hämmerte er mit Andy einen Sarg für Clarissa zusammen, als Jane auftauchte.
»Wir haben drei Besucher.«
Cooper fuhr sich mit dem Unterarm über die nasse Stirn. »Noch mehr Soldaten?«
Sie schüttelte den Kopf. »Sie kamen mit der Eisenbahn, soweit es ging. Dann schafften sie es, ein altes Maultier und einen Wagen zu kaufen und – «
Gereizt sagte er: »Wer immer sie auch sind, du weißt, was du ihnen zu sagen hast. Sie können lagern und die Quelle benutzen. Aber Nahrungsmittel haben wir keine.«
»Sie werden diese Leute schon ernähren müssen«, sagte Jane. »Es sind Ihre Schwester mit ihrem Mann und Miss Madeline.«
Als es ihm einigermaßen sicher erschien, fuhr Jasper Dills in das besetzte Richmond. Er war entsetzt von der allgemeinen Zerstörung nach dem Zusammenbruch und der Flucht der Regierung der Konföderation. Einige halbwegs stabile Gebäude standen noch, aber ganze Häuserreihen waren zerstört. Es war die schönste Frühlingszeit, und die Luft hätte nach Blumen und erwachendem Grün riechen sollen. In Richmond roch die Luft nur nach Rauch.
Dills war hochgradig nervös, als er die Marketenderzelte erreichte, wo er mit seinem Kontaktmann zusammentraf, einem ehemaligen Agenten von Lafayette Baker, den Dills zu einem hohen Preis angeheuert und nach Virginia geschickt hatte, um eine möglicherweise nicht existierende Spur zu suchen.
Der Agent, ein untersetzter Bursche mit einem Schielauge, trank Lagerbier, während Dills eine jämmerliche Limonade zu sich nahm.
»Also, was haben Sie zu berichten?«
»Bis vor sechs Tagen hatte ich gar nichts. Bin fast drei Wochen den James rauf und runter, bevor ich auf was stieß. Ist aber immer noch nicht viel.«
Der Agent bestellte sich noch ein Bier. »Anfang Juni letzten Jahres sah ein Farmer eine Leiche im James treiben. Zivilkleidung. Der Körper war zu weit vom Ufer weg, um herausgeholt werden zu können, aber die Beschreibung – ein fetter, dunkelhaariger Mann – paßt in groben Zügen auf Captain Dayton.«
»Letzten Juni, sagten Sie?« Dills leckte sich die Lippen. Die Zahlungen waren während der ganzen Zeit erfolgt. »Wo war das?«
»Der Farmer war am Ostufer, ungefähr eine halbe Meile oberhalb der Pontonbrücke, die von der Armee im Herbst gebaut wurde. Ich trieb mich noch weitere drei Tage in der Gegend herum und stellte Fragen, aber es kam nichts dabei raus. Jetzt will ich mein Geld.«
»Ihr Bericht ist unbefriedigend.«
Der Agent packte das dünne Handgelenk des Anwalts. »Ich habe meine Arbeit getan. Ich will mein Geld.«
Dills holte die Bankgutschrift aus seiner Jacke. Der Agent betrachtete sie mißtrauisch, steckte sie ein, stürzte den Rest seines Bieres hinunter und verschwand.
Nach längerem Nachdenken kam der Anwalt zum Schluß, daß auch ein Bericht ohne konkretes Ergebnis seinen Wert hatte. Er konnte weiterhin Memoranden schreiben und versichern, daß Bent am Leben war. Das brachte ihm ein zeitlich unbegrenztes, festes Monatseinkommen – eine gewaltige Summe im Vergleich zu der kleinen Investition.
Er entspannte sich, ignorierte den Geruch von Rauch und billigem Parfüm und bestellte sich ein zweites Glas Limonade.
136
Dem gemurmelten Amen folgte ein Augenblick des Schweigens. Die Beerdigung von Clarissa Gault Main war vorüber. Andy sagte: »Ich erledige den Rest. Sie müssen nicht alle bleiben.«
Billy legte den Arm um Brett und führte sie durch das Tor in dem vollkommen verrosteten Zaun. Schmiedeeisen, bemerkte er. Eisen von Hazard hätte länger gehalten. Für einen Moment beunruhigte ihn der Gedanke.
Cooper und die anderen folgten dem jungen Paar. Plötzlich hielt Brett an und blickte durch die Eichen hinüber zu den schwarzen Aschehaufen, wo das Haus gestanden hatte. Wieder kamen ihr die Tränen, aber es ging schnell vorüber. Sie schüttelte den Kopf und wandte sich Billy zu.
»Mutters Tod gerade jetzt – es ist eine Art Wasserscheide, nicht wahr? Das Ende von Etwas. Dieses Haus, diese Plantage – nie war es ganz das, was es zu sein schien. Doch was immer es gewesen sein mag, es ist nun für immer dahin.«
Madeline hörte ihre Worte und nickte melancholisch. Cooper antwortete ruhig, jedoch mit einer Glut, die seine jüngere Schwester überraschte.
»Das Schlimmste haben wir ziehen lassen, aber das Beste werden wir wieder aufbauen. Und dafür mit jedem Atemzug kämpfen.«
Wer ist er? fragte sich Brett staunend. Ich kenne ihn kaum. Der alte Cooper hätte so etwas nie gesagt. Ich bin nicht die einzige, die der Krieg verändert hat.
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