Peitsche aus Stoffstreifen in der Hand, mit der er im Takt einer unhörbaren Melodie auf den Boden schlug.
Der Markgraf löste sich als Erster aus seiner Erstarrung. »Was suchst du hier, Judenbalg?«
Lea begriff, dass sie sich einen sehr schlechten Zeitpunkt für ihren Besuch ausgesucht hatte, doch für einen Rückzug war es zu spät. Sie trat einen Schritt vor und versank in einen tiefen Knicks. »Verzeiht, Euer Durchlaucht, wenn ich Euch zu dieser Zeit noch störe. Ich komme, um Euren Schutz zu erflehen, denn ich bin Waise geworden. Mein Vater Jakob Goldstaub ist dem Pogrom in Sarningen zum Opfer gefallen.«
Der Markgraf schob die Unterlippe vor wie ein schmollendes Kind und zuckte mit den Schultern. »Ich habe davon gehört. Ihr Juden habt dort irgendeine Hostienschweinerei getrieben.«
»Nein, Herr, das ist nicht wahr. Wir sind verleumdet worden . « Lea wollte ihm schon den Grund für das Pogrom nennen, kniff aber schnell die Lippen zusammen, ehe ihr ein falsches Wort entschlüpfte. Da der Markgraf selbst hohe Schulden bei ihrem Vater hatte, wollte sie ihn nicht auf die Idee bringen, sich auf die gleiche Weise wie Rittlage seiner Verpflichtungen zu entledigen.
Zum Glück fiel Ernst Ludwig ihr Zögern nicht auf. »Ihr Judenpack seid immer an allem unschuldig, was man euch vorwirft. Das muss in eurer Natur liegen. Was suchst du jetzt bei mir?«
Lea atmete tief durch und versuchte, ihrer Stimme Festigkeit zu verleihen. »Ich bin gekommen, um Euch zu bitten, die Privilegien und Rechte meines Vaters auf meinen verletzten Bruder zu übertragen.«
»Was hast du gesagt? Mein Leibjude ist tot?« Leas Erklärungen schienen erst jetzt in den umnebelten Verstand Seiner Durchlaucht gedrungen zu sein. Er schnaubte är-gerlich und warf seinem Sekretär einen Hilfe suchenden Blick zu. Dietrich Frischler winkte ab, »Darüber sollten wir reden, wenn wir wieder nüchtern sind.«
Der Markgraf rieb die Bartstoppeln auf seinem Kinn, als könne er nicht entscheiden, was zu tun sei. Das kratzende Geräusch peinigte Leas Nerven, und sie war den Tränen nahe. »Bitte Herr, gewährt uns Eure Gnade.«
Plötzlich drehte sich die Frau, die neben dem Markgrafen stand, zu ihm um und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Dabei kicherte sie so heftig, dass ihr fülliger Körper auf und ab wogte. Der Markgraf wirkte zuerst abweisend, lachte aber dann schallend auf und bedachte Lea mit jenem Blick, mit dem ein Metzger ein schlachtreifes Kalb taxiert.
Die Frau warf die Arme hoch und nickte auffordernd. »Lasst mich nur machen, Euer Durchlaucht. Ihr werdet sehen, das wird ein Heidenspaß!«
Als Ernst Ludwig eine zustimmende Handbewegung machte, klatschte die Frau in die Hände, winkte ihre Schwester, den Sekretär und den Narren zu sich und redete schnell und so leise auf sie ein, dass Lea nichts verstehen konnte. Als die anderen in wildes Gelächter ausbrachen, löste die Frau sich von der Gruppe, trat auf Lea zu und ging um sie herum, als müsste sie bei ihr Maß nehmen.
»Seine Durchlaucht ist bereit, deinem Wunsch zu willfahren«, sagte sie mit einem seltsamen Lächeln. »Aber es wird dich etwas kosten.«
Lea atmete erleichtert auf. »Mein Vater war nicht arm. Ihr braucht nicht zu denken, dass wir nach seinem Tod ganz ohne Mittel sind.«
Die Frau hob die linke Augenbraue. »Hier geht es nicht um Geld.«
Sie berührte Leas Schulter, und ließ die Finger unter die bestickte Schürze wandern und strich über ihren Busen. »Seine Durchlaucht fordert für seine Gnade das Ius primae Noctis.«
Lea entzog sich ihrem Griff und sah sie verständnislos an. Die Frau lachte schrill auf »Das bedeutet, er fordert das Recht der ersten Nacht. Er will dich deflorieren, entjungfern. Verstehst du kein Deutsch?«
Sie lachte und formte mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand einen Kreis, in den sie mit dem ausgestreckten rechten Zeigefinger stach. »Das will er mit dir tun!«
Lea wurde übel von dem Weindunst, den die Frau verströmte, und glaubte gleichzeitig, vor Scham im Boden versinken zu müssen. Im ersten Moment wollte sie die Forderung mit heftigen Worten zurückweisen, denn sie war nicht bereit, ihre Jungfernschaft und ihre Ehre einer Laune des Markgrafen zu opfern. Aber dann packte sie die Angst vor dem, was man ihr und ihren Geschwistern antun würde, wenn sie sich weigerte und den Markgrafen erzürnte. Wahrscheinlich würde er ihnen alles nehmen, was sie besaßen, und sie und ihr Gesinde nur mit einem dünnen Hemd auf dem Leib zum Stadttor hinaustreiben lassen, und das wäre nicht nur Eliesers Tod. Die Verantwortung für ihn und die anderen ließ ihr keine Wahl. Sie musste sich opfern, damit ihre Familie nicht unterging.
Oh, Gott meiner Väter, was habe ich getan, dass du mich von dir stößt, stöhnte sie innerlich auf. Dann senkte sie den Kopf und flüsterte: »Ich bin bereit.«
»Sehr schön!« Die Frau tätschelte ihre Wange, drehte sich um und rief: »Wir können anfangen. Sie macht mit.«
Lea erwartete, dass die Anwesenden bis auf den Markgrafen den Raum verlassen würden. Stattdessen umringten sie sie und machten anzügliche Bemerkungen über ihr Aussehen. Ihre Größe schien ihnen zu gefallen, der Markgraf nannte sie jedoch eine dürre Ziege, und die ältere
Frau spottete, das Judenweib trüge statt eines Busens ein Paar Erbsen auf der Brust. Schließlich stieß die Mätresse des Markgrafen sie an.
»Mach endlich! Zieh dich aus!« Leas entsetzter Blick reizte sie zum Lachen. »Wir wollen natürlich zusehen. Oder glaubst du, Seine Durchlaucht treibt es mit dir in einer dunklen Ecke wie ein Knecht?«
Lea glaubte einen Begriff vom Ausmaß der Demütigungen bekommen zu haben, die auf sie warteten, und löste mit steifen Bewegungen ihre Schürze. Der Mätresse ging es nicht schnell genug, denn sie zog ihr mit einem heftigen Ruck Kleid, Unterkleid und Hemd zugleich über den Kopf, so dass Lea nackt vor ihr stand. Als sie versuchte, ihre Blößen mit den Händen zu bedecken, packte die Frau ihre Handgelenke und bog ihre Arme nach hinten.
»Ich sagte, wir wollen etwas sehen!«, spottete sie und wies mit dem Kinn auf das große Himmelbett. »Leg dich dorthin, und mach die Beine breit.« Als Lea zögerte, gab die Mätresse ihr einen Stoß, der sie aufs Bett warf, und drehte sie mit harten Griffen auf den Rücken, als wäre sie nur eine Gliederpuppe.
»Wie Ihr seht, Euer Durchlaucht, ist an der Jüdin alles vorhanden, was eine Frau ausmacht, Busen hat sie zwar kaum welchen, aber zwischen den Beinen sieht sie nicht anders aus als unsereins.«
Lea schämte sich in Grund und Boden, denn die Frau berührte bei ihren Worten die Stellen, die sie beschrieb. Der Markgraf hob seinen Krug, trank glucksend und lachte dann verächtlich. »Na, der fehlt noch viel zu einem richtigen Weib. Ihre Brustwarzen sitzen direkt auf den dürren Rippen, und sie hat kaum Haare vor der Scham.«
»Busen und Haare wachsen dem Ding schon noch, Durchlaucht«, kicherte die Frau und zupfte dabei an dem spärlichen Pelzdreieck zwischen Leas Schenkeln.
Oh Gott Israels, mach, dass es rasch vorübergeht, flehte Lea in Gedanken und schloss die Augen, um die gierig starrenden Gesichter um sich herum nicht mehr sehen zu müssen, doch die Stimme der Mätresse drang schrill und schneidend in ihren Kopf. »Ich glaube, das Judenmädchen ist doch nichts für Euch, Euer Durchlaucht. Ihr solltet die Sache von Eurem Hofnarren erledigen lassen.«
Ihre Schwester und der Sekretär stimmten ihr eifrig zu und kicherten dabei. Lea riss die Augen auf, sah das hämisch grinsende Gesicht der Mätresse über sich und begriff, dass es von Anfang an der Plan der Frau gewesen war, sie zu demütigen und ihr nicht nur die Ehre, sondern auch die Selbstachtung zu nehmen. Der Narr trat mit einem seltsam traurigen Lächeln an ihre Seite und ließ seine Fingerspitzen über ihren Bauch und Busen wandern. Dann legte er seinen Kopf gegen ihre Wange und kniff sie mit den Zähnen in ihr rechtes Ohrläppchen.
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