»Begünstigt er Ptolemaios, Mardian?«
»Als Römer begünstigt er den, der seinen eigenen Zwecken am dienlichsten ist.«
»Nun, warum sollte ihm dann etwas an meinem kleinen Bruder liegen, dessen Ratgeber und General ihn bekriegen und ihn aus Alexandria vertreiben wollen?«
»Würdet Ihr die Römer auffordern, in Alexandria zu bleiben, wenn Ihr an Stelle Eures Bruders wäret? Das ist so, als würde man ein Krokodil zu sich einladen, unter der Bedingung, daß es nur das Getreide frißt.«
»Im Augenblick, lieber Mardian, bin ich eine Königin, die gar nichts hat. Ich kann das Geschick meines Landes - und auch das meine - nicht bestimmen, wenn mir die Macht dazu fehlt. Ich muß wieder Königin von Ägypten sein.«
Mardian blieb stumm. Draußen vor dem Zelt hörte man die Kamele schnauben, und der heiße Wüstenwind blähte die Seidenwände des Zeltes auf. »Ihr habt recht«, sagte er schließlich. »Es ist jedoch ein gefährliches Spiel. Ich ängstige mich um Euch.«
»Die Einladung ist nur eine Herausforderung.«
»Oder eine Falle«, entgegnete Mardian. »Solltet Ihr tatsächlich einen Weg in die Stadt finden, kann er nach Belieben mit Euch verfahren.«
»Was habe ich schon zu verlieren?«
»Euer Leben - Majestät.«
»Mein Leben! Das Leben einer Verstoßenen, die in der Wildnis haust.«
Mardian zog die Augenbrauen in die Höhe.
»Bist du anderer Meinung?« fragte sie.
»Die Römer sind durch und durch verderbt. Ich würde mein Gesäß lieber in ein kochendes Pechfaß tauchen, als einem von ihnen zu trauen.«
»Ich werde diesem Julius Caesar nicht trauen. Ich vertraue nur meinem Verstand. Und deinem.« Tapfere Worte, dachte sie, ich wollte, ich könnte sie glauben. Was hat mein Verstand mir denn bisher gebracht? Ich habe nur eine gewisse Sache zu bieten, die Caesar vielleicht interessiert. Etwas, von dem sie guten Gewissens behaupten konnte, daß es noch kein Mann besessen hatte. Ob dies jedoch von jemandem mit seiner Erfahrung geschätzt werden würde, vermochte sie nicht zu sagen.
»Um in die Stadt zu gelangen«, hob Mardian erneut an, »muß Eure Verkleidung vollkommen sein. Vergeßt nicht, daß Ihr dort Prinzessin und Königin wart und daß Euch jeder im Palast kennt wie die eigene Mutter. Wir müssen sehr schlau und mit größter Sorgfalt vorgehen.«
»Vielleicht finde ich ein Versteck. In einer Feigenkiepe zum Beispiel.«
»Damit schafft Ihr es höchstens bis in die Küche, Majestät.« Er schien in die Betrachtung des Teppichs vertieft zu sein.
Wie denn sonst, überlegte sie. Doch Mardian hatte natürlich recht. Selbst wenn sie sich allein und verkleidet Einlaß verschaffen könnte, käme sie bestenfalls durch die Tore und in die Stadt, aber noch lange nicht in den Palast oder gar in Caesars Nähe.
Mardian erwähnte die Abwasserkanäle, und Kleopatra stellte sich vor, wie sie dreckig und stinkend vor dem größten und mächtigsten Römer der Welt stehen und ihn bitten würde, sie zur Königin von Ägypten zu machen.
Und was, wenn sie tatsächlich zu ihm gelangte? Sie wäre mutterseelenallein, ohne Armee, nur seiner Gnade ausgeliefert. Was, wenn er sie lediglich benutzen wollte, um Pothinos zu einem Handel zu zwingen? Du gibst mir meine neun Talente Gold, und ich gebe dir Kleopatra.
Was stünde denn in ihrer Macht, um sich zu retten, wenn sie erst einmal in der Stadt war?
Nun, das war ihr Risiko. »Es muß einen Weg geben, um in den Palast zu kommen«, sagte sie.
»Vor jedem Tor wimmelt es von Soldaten. Pothinos hat Unterwassersperren im Hafen versenkt. Ich glaube, sie dienen ebenso dazu, Caesar in der Stadt wie Euch außen vor zu halten.«
»Ich sehe an deinem Blick, daß du dennoch eine Idee hast.«
Mardian seufzte. »Ihr werdet Euch nicht davon abbringen lassen, nicht wahr?«
»Hast du je erlebt, daß ich meine Meinung ändere?«
»Wenn Ihr Euer Leben schon auf diese waghalsige Weise riskieren wollt, ist es meine Pflicht, Euch als Euer Freund und Ratgeber dabei zu unterstützen.« Er preßte die Lippen aufeinander, und die kleinen Augen funkelten sie vorwurfsvoll an. Es verdroß ihn nicht so sehr, daß sie womöglich bei dem Unternehmen zu Tode kam, sondern daß sie seinen Rat mißachtete. »Ich kenne jemanden, der Euch in den Palast schmuggeln kann. Ein Spion, der sich frei bewegt.«
»Ich habe mich schon gewundert, woher du soviel über Caesar weißt.«
»Er ist Sizilianer, Kaufmann. Es war sein Schiff, das uns in der Nacht, in der Ihr geflohen seid, nach Theben gebracht hat.«
»Ist er zuverlässig?«
»Ich würde ihm mein Leben anvertrauen.«
»Es geht aber nicht um deines, sondern um meines.«
»Er wird Euch nicht enttäuschen, Majestät. Es handelt sich um meinen Schwager. Sein Name ist Apollodoros.«
8
»Apollodoros«, sagte sie.
»Majestät... «
Er verneigte sich, doch seine Miene wirkte dabei fast aufsässig, eine Arroganz, die sie schon zuvor bei Männern bemerkt hatte, die ohne feste Heimat waren. Das Gesicht war von Salz und Sonne gegerbt, wie ein Fels, der im Ansturm der Wetter mehr raue Kanten als weiche Konturen erhalten hat. Unter den dichten Wimpern blitzten dunkle Augen. Er machte den Eindruck eines Mannes, der eher daran gewöhnt ist, Befehle zu erteilen, als sie entgegenzunehmen.
Apollodoros war nach griechischer Mode gekleidet. Die chlamys wurde von einem großen Smaragd zusammengehalten, die Sandalen waren aus bestem gepunztem Leder. Im linken Ohrläppchen steckte ein goldener Ring, der ihm einen verwegenen Ausdruck verlieh, doch abgesehen davon trug er keinen Schmuck.
»Wie es scheint, stehst du schon eine Weile in meinen Diensten, ohne daß ich davon wußte«, sagte Kleopatra.
»Mardian entlohnt mich gut.«
»Nicht zu gut, will ich hoffen.«
»Ich bin es wert.«
Sie unterdrückte ein Lächeln. Sie empfand seine Überheblichkeit keineswegs als unangenehm. Für das, was sie sich vorgenommen hatte, benötigte sie jemanden, der über mehr als das normale Maß an Selbstvertrauen verfügte.
»Mardian behauptet, daß du dich frei bewegen kannst.«
»Ich besitze etwa zwanzig Schiffe und dazu noch einmal doppelt so viele Barken. Sie legen ohne Hindernis an und ab, das gilt für den Hafen wie den See Mareotis. Wenn ich in die Stadt will, komme ich hinein. Wenn ich sie verlassen will, komme ich hinaus.«
»Deine Schiffe sind nie durchsucht worden?«
»Ich habe zuverlässige Reisepapiere«, erwiderte er, steckte die Hand in den Geldbeutel und holte eine Goldmünze hervor. »Sie wurden vom Gott der Habgier gestempelt und gelten in jeder Stadt der Welt.«
»Ich besitze davon auch eine ganze Menge, könnte jedoch nicht behaupten, daß sie mir viel genutzt haben.«
»Grenzen existieren allein für Könige und Soldaten, Majestät. Nicht aber für Handelsleute.«
»Hat Mardian dir gesagt, was ich von dir will?«
Während sein träger Blick sie musterte, zuckte er nicht einen Moment mit der Wimper. Phantastisch. Wenn jemand den Mut besaß, den Plan durchzuführen, dann war er es. »Hat er.«
»Und - du wirst es tun?«
»Mein Teil ist einfach. Erlaubt Ihr mir, offen zu reden, Majestät?« fragte er. In seiner Bitte lag nicht die leiseste Spur von Unterwürfigkeit.
Sie deutete ein leichtes Nicken an.
»Ich werde mit einer Ladung syrischer Teppiche nach Alexandria segeln, so wie ich es schon Hunderte Male zuvor getan habe. Dazu gehört keine Courage. Ihr seid diejenige, die Mut beweisen muß.«
Sie bewunderte die Kühnheit, mit der er sprach. Aber schließlich war es ja genau das, wofür sie ihn bezahlte. Und er hatte recht. Würde sie den Mut aufbringen, ihren Plan in die Tat umzusetzen?
Falls man in ihrem Fall überhaupt von Mut sprechen konnte. Das Jahr im Exil hatte sie ausgelaugt - selbst die Furcht verlor ihre Macht über die Seele, wenn sie zum ständigen Begleiter wurde.
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