Wie es schien, war dieser Geniestreich auf das vortrefflichste mißlungen.
Ein schändlicher Vorfall, nach ihrer unmaßgeblichen Meinung jedenfalls. Ihr Vater hatte Pompejus den Thron verdankt. Doch sollte der Römer deshalb Treue oder Dankbarkeit von den Erben erwartet haben, hatte er sich geirrt. Pothinos hatte es für klüger befunden, ihm eine Falle zu stellen. Noch während Pompejus an Land watete, hatte Achillas ihn erstochen und ihm den Kopf abgeschlagen. Den Leichnam hatten sie am Strand liegen und verrotten lassen.
Caesar hatte seine Dankbarkeit für diese Perfidie dadurch bewiesen, daß er sich im königlichen Palast eingenistet hatte und Pothinos und Ptolemaios mehr oder weniger als Geiseln hielt. Statt als Gesandter verhielt er sich wie ein siegreicher Eroberer. Theodotos hatte er verbannt. Inzwischen beanspruchte er sogar die Rolle des Schiedsrichters im Kampf zwischen ihr und den verbliebenen Mitgliedern des Regentschaftsrats.
Der Pöbel hatte sich so verhalten, wie man es von ihm erwarten mußte. In den Straßen hatte es Krawalle gegeben, und einige von Caesars Soldaten waren umgebracht worden. Wenn man so wollte, war Caesar nun selbst der Belagerte - auf der einen Seite rückte ihm das Volk auf den Leib, und auf der anderen standen die Truppen Achillas'.
Seit Monaten verharrte man nun schon so, und manchmal hatte Kleopatra das Gefühl, daß sie hier in dieser endlosen Leere sterben würde. Und dann tauchten Caesars Freigelassene am Horizont auf.
»Mein Name ist Rufus Cornelius. Ich überbringe eine Botschaft des Imperators, Julius Caesar.«
Caesar. Ihr Herz begann zu hämmern.
Rufus Cornelius hatte den römischen Helm mit dem schmucken Federbusch abgesetzt und unter den Arm geklemmt. Er machte mit dem feuerroten Umhang und dem emaillierten Brustharnisch einen prächtigen Eindruck, strahlte die Selbstsicherheit aus, die alle Römer besaßen. Nicht die freche Arroganz, wie sie ihren griechischen Ministern zu eigen war, sondern das tiefe Selbstvertrauen, das der Gewißheit entsprang, Soldat der stärksten Armee der Welt zu sein.
Sie merkte, daß sie sich vor Angst versteifte. Hier bin ich nun, die verstoßene Mädchenkönigin mit ihrer Lumpenarmee. Was muß er von mir denken, dieser Römer? Mein Seidenzelt teile ich mit Schlangen und Eidechsen, der süße Duft des Sandelholzrauchs überdeckt nur schwerlich den Gestank der Kamele, und alles, was man anfaßt, ist sandig.
Ich würde ihn gern beeindrucken, aber leider weiß ich nicht, wie. »Was hat Euer Herr Königin Kleopatra mitzuteilen?« fragte sie.
Rufus Cornelius verneigte sich. »Ihn bekümmert die Situation, die er in Ägypten vorgefunden hat, Euer Majestät. Rom hat freundschaftliche Beziehungen zu Eurem Vater und zu Ägypten unterhalten, und es beunruhigt Caesar zutiefst, das Land im Unfrieden anzutreffen.«
»Dieser Unfriede ist nicht das Ergebnis meines Handelns. Der Regentschaftsrat hat mich widerrechtlich entthront.«
»Wie Ihr wißt, hat Euer Vater in Rom ein Testament hinterlegt, nach dem Ihr und Euer Bruder gemeinschaftlich regieren sollt.«
Wenn ein derartiges Testament existierte, dann hörte Kleopatra jetzt zum ersten Mal davon.
»Der Imperator sieht es mit Unwillen, daß Euer Bruder dem Testament zuwiderhandelt. Er hat es sich zum Anliegen gemacht, den Fall zu entscheiden.«
Schau an, dachte sie. Dieser Caesar will offenbar nicht nur König sein, sondern darüber hinaus auch noch Königsmacher. Der römische Machtanspruch kennt wirklich keine Grenzen. Ganz unangemessen ist diese Haltung freilich nicht, immerhin bin ich eine landlose Königin, und obgleich er nur Magistrat ist, so ist er doch der Magistrat Roms, und seine Truppen beherrschen die Welt.
»Es ist Caesars Wunsch, daß Ihr nach Alexandria kommt, so daß er sich als Vermittler einschalten und eine Lösung des ägyptischen Problems herbeiführen kann.«
»Wenn ich nach Alexandria gehen könnte, bedürfte ich seiner Vermittlung nicht.«
Der Römer besaß doch tatsächlich die Kühnheit, die Miene zu einem Lächeln zu verziehen. »Das Angebot bleibt bestehen.«
»Ich danke ihm. Richtet ihm aus, daß ich darüber nachdenken werde.«
7
Lange nachdem Rufus Cornelius wieder von dannen geritten war, saß Kleopatra auf dem Thron und starrte ins Nichts. Ich habe meine Rolle gut gespielt, glaube ich. Mein ganzes Leben ist ohnehin nichts als Theater. Wenn jemand ahnte, wie schwach und verzagt ich in Wahrheit bin, hätte ich niemanden mehr, der zu mir hielte.
Mardian beobachtete sie, das teigige, bartlose Gesicht ausdruckslos, nur die Augen beredt. Wahrscheinlich fürchtet er sich ebenso wie ich, dachte sie. Wenn ich gewinne, ist seine Zukunft gesichert. Verliere ich, ist er ebenfalls am Ende.
»Was hältst du von dem Ganzen, Mardian?« fragte sie endlich.
»Trau einem Römer, und du verdienst das Unheil, das darauf folgt. Diese Teufel würden sich zur eigenen Großmutter legen, wenn es ihnen von Nutzen wäre.«
»Gewiß, aber welche Wahl bleibt mir?«
»Keine. Es ist unmöglich, nach Alexandria zu gelangen.«
»Das wird er wissen. Vielleicht will er mich auf die Probe stellen.«
»Eine waghalsige Probe.«
»Aber hier ist erst recht nichts zu gewinnen. Pelusium können wir nicht stürmen. Achillas ist es zufrieden, uns hier schmoren zu lassen, bis mir das Geld ausgeht oder die arabischen Söldner die Waffen strecken und wieder nach Hause ziehen.«
»Selbst wenn es eine Möglichkeit gäbe, die Stadt zu erreichen, würdet Ihr lediglich Caesars Gefangene sein.«
Kleopatra schloß die Augen. Ich kann nicht mehr Tag für Tag in der Wüste herumsitzen. Lieber sterbe ich. Schon nach diesem einen Jahr komme ich mir vor wie eine vertrocknete, alte Frau. Ich muß etwas unternehmen. Wenn sie diesen Caesar doch nur kennen würde, wenn sie doch nur wüßte, was für ein Mensch er ist. »Was weißt du über ihn, Mardian?«
Der Eunuch blies beide Backen auf. Das hieß soviel wie, daß er nichts von dem Mann hielt, in dessen Hand ihr Schicksal lag.
»Caesar ist ein großer Soldat. Er hat Pompejus aus Pharsalos vertrieben, und der widerliche Kerl war immerhin der beste Krieger, den die Römer hatten. Außerdem ist er als Lüstling verschrien. Man sagt ihm nach, daß er die Frauen seiner besten Freunde verführt und daß es in Rom keine Scheidung gibt, ohne daß sein Name fällt.«
Kleopatra spürte, wie ihr die Angst die Kehle zuschnürte. »Sieht er gut aus?« brachte sie heraus.
Mardian zögerte, die Frage weckte seinen Argwohn. »Nicht besonders. Meine Spione haben mir verraten, daß er etwas von einem Stutzer an sich hat, bedauerlicherweise jedoch kahl wird, eine Tatsache, auf die er übrigens sehr empfindlich reagiert.«
Kleopatra spürte das Kribbeln im Magen, eine Folge der Furcht. Selbst als Anwärterin auf den ägyptischen Thron hatte sie nichts in der Hand, um gegen solch einen Menschen bestehen zu können. Sie war keine Kriegerin, und zu allem Überfluß war sie auch noch Jungfrau. Die Vorstellung, ihm gegenüberzutreten, war einschüchternd, um es gelinde auszudrücken.
Mardian ließ sie nicht aus den Augen. Seine Gedanken standen ihm auf der Stirn geschrieben. Er war ganz ihrer Meinung.
»Wir müssen einen Weg finden, um Eindruck auf ihn zu machen«, sagte sie.
»Es wird kaum etwas geben, das Caesar beeindruckt.«
»Oh, etwas gibt es immer.« Mich zum Beispiel.
Eine tollkühne Idee. Um sie durchführen zu können, mußte sie sich allerdings erst einmal Zutritt zur Stadt verschaffen. Sie würde sich hineinschleichen müssen, denn nicht einmal Caesars Truppen konnten ihr sicheres Geleit durch das Kriegsgebiet garantieren. Sogar Rufus Cornelius mit seiner Eskorte würde Schwierigkeiten haben, wieder nach Alexandria zu kommen.
Aber es mußte sein. In diesem stinkenden Zelt würde sie es keinen Tag länger aushalten.
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