Die Menschen am Ufer sprangen in kleine Boote und ruderten auf die Hotte zu, um sich dieses Schauspiel aus der Nähe zu betrachten.
Ein kleines, widerstrebendes Lächeln huschte über Dellius' Gesicht. Alle Achtung, dachte er, der Auftritt ist ihr geglückt. Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, daß sich einer der Sklaven an ihm vorbeidrücken wollte, und packte blitzschnell zu. »Sag mir, was hier vor sich geht«, herrschte er ihn an.
»Es ist Aphrodite«, kam die gestammelte Antwort. »Die Leute sagen, daß sie selbst erschienen ist, um mit dem Herrn Dionysos zu feiern.«
Dellius ließ den Sklaven los und sah ihm nach, wie er zum Hafen rannte. Aphrodite kam, um sich mit Dionysos zu vergnügen! Diese Ägypterin! Sie konnte nicht nur einen Auftritt gestalten, sondern wußte überdies, welches Stück am populärsten war. Ihre Spitzel mußten sich seit Tagen in der Stadt herumgetrieben haben, um die Geschichte zu verbreiten. Er war gespannt, wie Antonius reagieren würde.
Kleopatra beobachtete, wie sich ein größerer Segler den Weg durch das Gewirr der Ruderboote bahnte. Auf dem Deck sah sie rote Mäntel blitzen. Römer! Sie wartete - eine hingegossene Venus im goldenen Licht der Sonne. Von diesem Tag würden die Menschen noch ihren Enkeln berichten. Damals, als Venus nach Tarsos kam...
Der Segler legte längsseits ihres Schiffes an. Man half einer kleinen Gesandtschaft an Bord, aus der sich ein bekanntes Gesicht löste. Quintus Dellius.
Als er ihr gegenüberstand, wandte er den Kopf in alle Richtungen, um hinter den Ursprung des lieblichen Duftes zu kommen, der ihn umgab. Danach wanderten seine Blicke über die hübschen Sklavinnen in der Takelage und die feinen Prunkstoffe, mit der das Schiff ausgestattet war. Der gestrenge Römer war offenkundig beeindruckt. »Eure Majestät«, sagte er. Kleopatra deutete ein Kopfnicken an. »Der edle Herr Antonius heißt die Königin von Ägypten an seinem Hof willkommen. Er lädt Euch zu sich ein und bittet Euch, heute abend an einem Bankett teilzunehmen, das er Euch zu Ehren gibt.«
Kleopatra blieb stumm. Charmion antwortete für sie. »Die Königin wünscht nicht an Land zu kommen, mein Herr. Statt dessen lädt sie den edlen Marcus Antonius ein, heute abend zu einem Bankett die königliche Galeere zu besuchen. Diese Einladung erstreckt sich auch auf die Offiziere und die Würdenträger der Stadt.«
Dellius blickte sich um, als frage er sich, welch eine Art von Bankett in dieser Umgebung ausgerichtet werden könne. »Ich werde meinem Herrn Eure Antwort überbringen«, sagte er. »Seid gewiß, daß er der Einladung freudig folgt.«
Danach verneigte er sich und kehrte mit seinem kleinen Trupp Gefolgsleute an Bord des Seglers zurück.
Hoffentlich ist sein Herr wenigstens halbwegs nüchtern, wenn er kommt, dachte Kleopatra, denn für mich geht es wieder einmal um sehr viel. Was würde Caesar wohl von dem kleinen Mädchen aus der Teppichrolle halten, wenn er jetzt vom Pantheon heruntersähe?
8
Obwohl Antonius bereits an etlichen Banketten orientalischer Höfe teilgenommen hatte, wie auch an unzähligen Gastmählern der römischen Aristokratie und an den Gelagen, wie man sie auf gewissen Landsitzen abhielt, so hatte er etwas wie dieses hier noch nie gesehen.
Das Schiff glich einem schwimmenden Palast. Es hatte inzwischen an der Hafenmauer angelegt, wo sich die Menschen immer noch zusammendrängten und nur von einer Kohorte römischer Legionäre zurückgehalten wurden.
Als die ersten Gäste erschienen, versank die Sonne gerade am Horizont, und die Dämmerung legte sich auf die Stadt. In diesem Augenblick flammten an Bord die Fackeln auf. Das Schiff verwandelte sich in ein Lichtermeer, das über dem Wasser schwebte.
Antonius schritt über einen breiten Steg, der in königlichem Purpur leuchtete. Erstaunt betrachtete er die Dienerschaft, die ihn in Form von Meerjungfrauen, Nymphen und Cupidos willkommen hieß.
Danach wurde seine Aufmerksamkeit jedoch auf die Wände des Schiffes gelenkt, die in reinem Gold zu schimmern schienen. Erst nach weiteren Schritten spürte er, daß er über weiche Polster ging anstatt über die gewohnten harten Planken. Er schaute zu Boden und entdeckte einen dicken Rosenteppich, der mit einem Netz überzogen war. Die Blüten, die er zertrat, verströmten süßen Duft.
Schließlich sah er auch Kleopatra. Sie lag auf einem goldenen Seidendiwan unter einem mächtigen Baldachin in Form eines geschnitzten Elefantenkopfes, dessen Stoßzähne in den Himmel ragten.
Die Perlen, die sich ihr um den Hals schmiegten und ihr schwer von den Ohren hingen, sandten glitzernde Strahlen aus. Ihr Haar fiel glänzend und schwarz auf die Schultern. Das Goldgewand schmiegte sich um ihren Körper, und ihre Sandalen waren mit Smaragden besetzt. Um ihre nackten Arme ringelten sich Schlangen aus Lapislazuli. Sie hatte den Ellbogen aufgestützt und sah ihm regungslos entgegen.
Unsterbliche Aphrodite, Venus, Isis, Königin des Meeres, Königin von Ägypten.
Antonius trat vor und verneigte sich. »Majestät«, murmelte er.
Ihre Augen funkelten. Sie bedeutete ihm näher zu kommen. Er beugte sich zu ihr vor, sog die köstlichen Gerüche ein, die sie umgaben - erlesene Duftwässer und der ureigene Geruch einer schönen Frau. Oh, Antonius, ging es ihm durch den Sinn, du bist wahrhaftig gestorben und bei einer Göttin im Himmel gelandet.
Kleopatras Lippen fuhren wie ein Hauch über sein Ohr. »Ich will dich«, wisperte sie und lehnte sich wieder zurück.
So weit das Auge reichte, traf es auf das Gepränge aus sattem Rot und Gold. Im Bankettraum tafelte man von goldenen Tellern und Pokalen, die Ruhebänke waren mit rubinroter Seide bespannt, die Beine der marmornen Tische bestanden aus Gold, besetzt mit Karneol, die Wände schmückten Teppiche aus dunkelroter Seide. Parfümierte Tauben flatterten über die Köpfe der Gäste hinweg, Sklaven salbten ihnen die Haare mit Zimtöl und wuschen ihnen Füße und Hände mit Rosenwasser.
Blonde Cupidos und dunkelhäutige Nymphen trugen die Speisen auf: geschmorte Wüstenhasen aus Libyen, rosig gedünstete Krebse, Austern in Seetang, gebratener Fasan, Kuchen aus feinem weißem ägyptischem Mehl, dicke Datteln in Honig, Gelees aus Granatäpfeln und Honig. Amphoren mit bestem italienischem Wein wurden hereingebracht und mit Wasser gemischt. Während des Essens spielten anziehende junge Sklavinnen auf silbernen Harfen. All diese Pracht wurde zudem noch ringsum von Wandspiegeln zurückgeworfen, die das Übermaß bis ins Unendliche wiederholten.
Antonius stellte fest, daß ihm der Sinn weder nach Nahrung noch nach den Getränken stand. Ich will dich. Er war nicht in der Lage, den Blick von Kleopatra abzuwenden, konnte nur an das denken, was sie ihm zugeraunt hatte. Doch sie behandelte ihn mit der gleichen Liebenswürdigkeit wie die anderen Abendgäste. Es war, als habe er die Verlockung nur geträumt.
Nicht einmal während des Festmahls bot sich Antonius die Gelegenheit, mit Kleopatra unter vier Augen zu reden. Sie scherzte mit seinen Offizieren und mit den Stadtvätern, die ihr offenbar schon zu Füßen lagen und sie mit artigen Schmeicheleien überhäuften - bis auf Quintus Dellius. Der ruhte auf seiner Bank und taxierte sie stumm mit solch kaltem Interesse, als sei sie eine der Tempeldirnen der Stadt.
Nachdem das Mahl beendet war, führte Kleopatra ihre Gäste an Deck. Draußen war die Nacht hereingebrochen. Rufe der Verzückung wurden laut, als die Gäste zu der Takelage aufschauten. Über ihnen schaukelten unzählige Laternchen an dünnen Seidenstricken, die den Aufbau des Schiffes wie das Dach eines verwunschenen Schlosses schimmern ließen.
»Ich schenke Euch, meine lieben Gäste, den goldenen Diwan, auf dem Ihr geruht habt«, verkündete Kleopatra. »Zudem die goldenen Teller und Pokale, von denen Ihr gespeist und aus denen Ihr getrunken habt. Meine Diener werden Euch mit Fackeln nach Hause geleiten und die Geschenke tragen.«
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