Als sie ein altes Lager erreichten, ertönten die Hörner. Es war zwei Stunden zu früh, aber Pompeius hatte offensichtlich beschlossen, die Wälle zu benutzen, die sie schon einmal errichtet hatten, wobei nur wenig Arbeit nötig war, um die verstreute Erde wieder aufzuhäufen. Sobald sie drinnen waren, sanken die Männer dort zu Boden, wo sie gerade standen. Einige lagen auf der Seite, zu müde, um sich das Gepäck vom Rücken zu streifen. Freunde lösten einander die Riemen, dann wurden die kargen Rationen herausgeholt und von einer Hand zur anderen bis zu den Köchen weitergereicht, die in der Asche der alten Feuer neue Flammen entfachten. Die Männer wollten schlafen, doch zuerst mussten sie essen, also wurden der Getreidebrei und das getrocknete Fleisch aufgewärmt und so schnell wie möglich auf metallenen Tellern ausgegeben. Die Legionäre stopften sich das Essen ohne Interesse in den Mund, rollten dann die dünnen Marschdecken aus und legten sich hin.
Julius hatte gerade aufgegessen und leckte sich die letzten Krümel der Getreidegrütze, die sein Körper so dringend benötigte, von den Fingern, als er ein Horn ganz in der Nähe ein Warnsignal blasen hörte. Pompeius und Crassus näherten sich seiner Position.
Er rappelte sich auf und versetzte Brutus, der sich bereits zusammengerollt hatte und in den Schlaf hinübertrieb, einen Tritt. Renius klappte beim Klang des Horns ein Auge auf und richtete sich mit seinem einen Arm stöhnend wieder zum Sitzen auf.
»Auf! Bringt die Männer auf die Beine! Zenturios, lasst die Primigenia in Reih und Glied zur Inspektion antreten! Rasch!«
Er verabscheute es, dies tun zu müssen, als er sah, wie sich die Männer mühsam und benommen wieder aufrichteten. Einige hatten bereits geschlafen und standen mit schlaff herabhängenden Armen da, in ihren Augen zeigte sich lediglich eine stumpfe Aufmerksamkeit. Die Zenturios brüllten und knufften, bis sich so etwas wie Ordnung einstellte. Niemand stöhnte, niemand beklagte sich. Sie hatten nicht mehr die Energie oder die Willenskraft, um sich gegen irgendetwas zu wehren. Sie blieben dort stehen, wo sie hingeschubst wurden, und warteten darauf, dass man sie wieder schlafen ließ.
Pompeius und Crassus ritten durch das Lager und saßen kurz vor Julius ab. Wie nicht anders zu erwarten, sahen beide Männer frischer als die Legionäre rings um sie herum aus, doch die Heerführer trugen eine schmallippige Ernsthaftigkeit zur Schau, die einige von Lepidus’ Männern Gefahr wittern und einander ängstliche Blicke zuwerfen ließ. Pompeius kam auf Julius zu, der salutierte.
»Die Primigenia steht bereit, Herr«, sagte er.
»Es ist dein anderes Kommando, das mich herführt, Cäsar. Befiehl der Primigenia, sich wieder schlafen zu legen, und lass Lepidus’ Männer an ihrer Stelle antreten.«
Julius erteilte die entsprechenden Befehle, und die drei Männer warteten, bis die Soldaten eilig ihre Positionen eingenommen hatten. Obwohl sie in der Panik der Schlacht große Verluste erlitten hatten, waren es immer noch mehr als dreitausend Überlebende. Einige waren verwundet, doch diejenigen, die es am schwersten erwischt hatte, waren schon vor Tagen auf der Straße liegen geblieben. Pompeius bestieg sein Pferd, um von dort aus zu den Männern zu sprechen, doch bevor er anfing, beugte er sich noch einmal zu Julius hinab.
»Misch dich nicht ein, Julius«, sagte er leise. »Die Entscheidung ist gefallen.«
Julius erwiderte den fragenden Blick ungerührt und nickte dann. Pompeius gesellte sich zu Crassus, und gemeinsam ritten sie im Schritt direkt vor die erste Reihe der angetretenen Männer.
»Zenturios! Vortreten!«, brüllte Pompeius laut. Dann hob er den Kopf, damit seine Stimme so weit trug wie möglich. »Diese Legion ist mit dem Makel der Schande behaftet, der herausgeschnitten werden muss. Für Feigheit gibt es keine Entschuldigung. Vernehmt jetzt die Strafe, die über euch verhängt wurde.
Jeder zehnte Mann im Glied wird von den Zenturios gekennzeichnet. Er wird von der Hand der anderen sterben. Ihr benutzt keine Klingen, sondern schlagt sie mit Fäusten und Knüppeln tot. Auf diese Weise werdet ihr das Blut eurer Freunde vergießen und euch stets daran erinnern. Ein Zehntel von euch wird heute sterben. Zenturios! Fangt an zu zählen!«
Julius sah entsetzt zu, wie die Zenturios die Zahlen riefen. Als sie die Reihen abschritten, krümmten sich die Männer um den Unglücklichen vor Angst, wenn die Offiziere vor ihnen stehen blieben und keuchten dann auf, wenn die Hand auf eine andere Schulter fiel. Einige schrieen auf, entweder um ihrer selbst oder um ihrer Freunde willen, doch es gab keine Gnade. Crassus und Pompeius beobachteten das Ganze mit ungerührter Verachtung.
Es dauerte weniger als eine Stunde, und am Schluss standen dreihundert Mann vor der Formation. Manche weinten, andere starrten mit leerem Blick auf den Boden, unfähig, zu begreifen, was mit ihnen geschah, warum ausgerechnet sie zum Sterben ausgesucht worden waren.
»Vergesst dies nie!«, brüllte Pompeius seine Männer an. »Ihr seid vor Sklaven davongelaufen, was seit Generationen noch keine Legion getan hat. Legte eure Schwerter nieder und erfüllt eure Aufgabe.«
Die Reihen lösten sich auf, als jeder ausgesuchte Mann von neun seiner Freunde und Brüder umringt wurde. Julius hörte einen von ihnen eine Entschuldigung murmeln, bevor er den ersten Schlag führte. Es war schlimmer als alles, was Julius jemals gesehen hatte. Obwohl die Optios Knüppel besaßen, hatten die einfachen Soldaten nur ihre Fäuste, um die Gesichter und Brustkästen von Menschen einzuschlagen, die sie seit Jahren kannten. Einige von ihnen schluchzten beim Zuschlagen, ihre Gesichter zuckten wie die von Kindern, doch kein einziger verweigerte sich.
Es dauerte sehr lange. Einige der misshandelten Soldaten starben schnell, mit zerquetschten Kehlen, andere hingegen hielten lange aus, schrieen in einem grausigen Chor, der Brutus einen Schauer nach dem anderen über den Rücken jagte, als er wie versteinert vor den Gruppen von Männern mit blutigen Fäusten stand, die wie wild zuschlugen und traten. Ungläubig schüttelte er den Kopf, dann schaute er angewidert zur Seite. Er sah, dass Renius stocksteif und mit blassem Gesicht dastand.
»Ich hätte nicht gedacht, dass ich so etwas noch einmal mit ansehen muss«, murmelte Renius. »Ich dachte, das wäre schon vor langer Zeit abgeschafft worden.«
»War es auch«, antwortete Julius mit tonloser Stimme. »Sieht aus, als hätte Pompeius es wieder eingeführt.«
Ciro schaute entsetzt zu. Seine Schultern sanken immer weiter herab. Er sah Julius fragend an, doch dieser hatte kein Wort des Trostes oder der Erklärung für ihn.
Julius sah, wie die letzten Hiebe niedergingen und die Zenturios jeden einzelnen Leichnam überprüften. Die Männer traten zurück, ihre Energie verpuffte, als sie sich mühsam wieder in Reih und Glied aufstellten. Vor ihnen lagen die Leichen in Kreisen aus blutigem Gras, und viele der Lebenden trugen die Spritzer der Hinrichtung an sich, als sie mit vor Trauer gesenkten Köpfen dastanden.
»Wenn wir in Rom wären, würde ich befehlen, eure Legion aufzulösen und euch verbieten, jemals wieder Waffen zu tragen!«, brüllte Pompeius in die Stille hinein. »Angesichts der Umstände könnt ihr euch vielleicht noch retten!« Er warf Crassus einen Blick zu, und der Senator rückte sich im Sattel zurecht. Julius zog plötzlich die Stirn in Falten. Wenn Pompeius Crassus den Vortritt ließ, bedeutete das, dass er für das, was gesagt werden würde, das volle Gewicht der Autorität des Senats benötigte. Trotz aller Winkelzüge war dies nur Crassus zuteil geworden.
Der Ältere räusperte sich und hob die Stimme.
»Auf meinen Befehl hin wird eine neue Legion gebildet, um den Makel des Lepidus auszulöschen. Ihr schließt euch der Primigenia an und beginnt eine neue Geschichte. Eure Standarten werden geändert. Ihr bekommt einen neuen Namen, der von der Schande unberührt ist. Ich ernenne Gaius Julius Cäsar zu eurem neuen Kommandanten. Ich spreche mit der Autorität des Senats.«
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