»Wenn wir Schiffe finden, lassen sie uns vielleicht gehen«, sagte Krixos und sah seinen Freund an.
»Dazu bräuchten wir eine ganze Flotte«, meinte Spartacus nachdenklich. Er sehnte sich danach, der Macht Roms zu entfliehen, und die Gewissheit, dass er seine Leute über die Berge hätte führen sollen, machte ihm schwer zu schaffen. Sollten sie doch ihr kleines Land behalten. Er würde sich mit seiner Freiheit zufrieden geben.
Antonidus konnte sich nur mühsam beherrschen. Sie hatten ihn aus der Sklaverei geholt, nur damit er jetzt von seinen eigenen Leuten umgebracht wurde. Keiner von ihnen begriff, dass Rom niemals einem Heerführer vergeben würde, der die Sklaven entkommen ließ. Es wäre eine Schande, die Jahrhunderte währen würde, und jeder Sklave im Land würde immer wieder daran denken, sich gegen seinen Herrn zu erheben. Er hörte ihren Plänen mit wachsendem Unmut zu. Die einzige Freiheit, die sie je erlangen würden, konnte aus einem Sieg gegen die Legionen dort unten auf der Ebene entstehen, egal, wie groß die Verluste waren.
Insgeheim nahm Antonidus sich vor, dass er sich vor dem Ende aus dem Staub machen würde. Er würde sich nicht in Rom als Trophäe vorführen lassen. Der Gedanke an einen triumphierenden Cato, der ihn mit einer Geste seiner feisten Hand verurteilte, war ihm unerträglich.
»Die Männer sind erschöpft«, knurrte Crassus. »Du musst zum geordneten Rückzug blasen lassen, bevor sie überwältigt werden.«
»Nein. Sie werden standhalten«, erwiderte Pompeius und blinzelte gegen die untergehende Sonne. »Schick die Extraordinarii aus, sie sollen die Lager für die Nacht bereitmachen. Sobald das Licht schwindet, ziehen wir uns zurück, aber wenn ich den Befehl jetzt schon gebe, glauben sie, sie hätten die einzigen Legionen zwischen hier und Rom zerschlagen. Sie müssen standhalten!«
Crassus rang in gequälter Unentschlossenheit die Hände. Die Legionen standen unter seinem Kommando, und wenn Pompeius zu lange mit dem Rückzug wartete, könnte alles, wofür sie gearbeitet hatten, zunichte gemacht werden. Wenn die Legionen fielen, fiel auch Rom.
Julius sog Luft in seine bleierne Lunge und wartete darauf, dass die Hörner zum nächsten Angriff bliesen. Das Blut, das an ihm haftete, war längst getrocknet und platzte bei jeder Bewegung in dunklen Krusten ab. Altes Blut. Er betrachtete müde seine Arme und hielt eine Hand in die Höhe; mit zusammengekniffenen Augen sah er das erschöpfte Zittern.
Neben ihm keuchte ein anderer Mann, und Julius warf ihm einen kurzen Blick zu. Er hatte beim letzten Angriff gut gekämpft und seine Kraft mit dem Selbstvertrauen der unsterblichen Jugend verschwendet. Jetzt blickte er auf und sah, dass Julius ihn betrachtete, und ein Schatten zog über seine grauen Augen. Es gab nichts zwischen ihnen zu sagen. Julius fragte sich, ob Catos Sohn die Schlacht wohl überleben würde. Wenn er am Leben blieb, würde Cato niemals verstehen, welche Verwandlungen in ihm vorgegangen waren.
Hinter ihnen räusperte sich Ciro das Blut aus der Kehle. Seine Lippen waren aufgesprungen und geschwollen, und er grinste seinen Anführer mit einem schmerzhaften, roten Lächeln an.
Sie alle waren zerschunden und zerschlagen. Julius zuckte bei jeder Bewegung zusammen. Etwas war in seinem unteren Rücken gerissen, als er einen Toten von sich heruntergewuchtet hatte. Schmerzfunken schossen bis in seine Schultern hinauf, und mittlerweile wollte er nur noch schlafen. Er sah zu Brutus hinüber, der von einem rasenden Sklaven bewusstlos geschlagen worden war. Nur mit einem entschlossenen Gegenangriff hatten sie den verlorenen Boden und seinen reglosen Körper zurückgewinnen können. Ciro hatte ihn durch die Reihen nach hinten geschleift, damit er dort wieder zu sich kommen konnte, und als der Himmel allmählich dunkler wurde, hatte sich Brutus ihnen wieder angeschlossen, doch er bewegte sich jetzt langsamer, fast so, als hätten ihn sein Geschick und seine Gewandtheit verlassen. Julius fragte sich, ob sein Schädel von der Wucht des Schlages gebrochen war, aber er konnte ihn nicht ins Lager zurückschicken. Sie brauchten jeden Mann, der sich noch auf den Beinen halten konnte.
Alle waren jenseits von Erschöpfung und Schmerz; sie gerieten in einen Zustand der Betäubung, der es den Gedanken erlaubte, abzuschweifen. Sämtliche Farben blichen aus, und sie verloren jegliches Zeitgefühl, nahmen nur wahr, dass die Zeit sich einmal verlangsamte und dann wieder mit erschreckender Geschwindigkeit losraste.
Mit einem Ruck vernahm Julius den Ruf der Hörner nicht weit von ihm. Er stolperte vorwärts, um abermals zur vordersten Linie zu wechseln, und schüttelte Ciros Hand ab, als sie seinen Arm berührte.
»Für heute ist’s genug, Feldherr«, sagte Ciro und legte einen Arm um Julius, um ihn zu stützen. »Die Sonne ist untergegangen. Sie rufen uns zurück ins Lager.«
Julius starrte einen Augenblick stumpf vor sich auf den Boden, dann nickte er müde.
»Sag Brutus und Renius, sie sollen die Reihen neu formieren und sich geordnet zurückziehen. Die Männer sollen sich vor einem unerwarteten Angriff in Acht nehmen.« Vor Müdigkeit kamen ihm die Worte nur undeutlich über die Lippen, doch er hob den Kopf und lächelte den Mann an, den er auf einem anderen Kontinent gefunden hatte, in einer anderen Welt.
»Gefällt es dir hier besser als auf dem Bauernhof, Ciro?«
Der große Mann ließ den Blick über die Leichen wandern. Es war der schwerste Tag seines Lebens gewesen, doch er verstand die Männer rings um ihn herum besser, als er es erklären konnte. Auf dem Hof war er allein gewesen.
»Ja, Herr«, sagte er, und Julius schien ihn zu verstehen.
Suetonius lehnte sich an den Zaun im Wald. Aus den Augenwinkeln sah er die Sklaven seines Vaters ohne Hast arbeiten, sah, wie sie die Pfosten ausrissen und die Grenze abbauten. In wenigen Stunden würden sämtliche Spuren davon beseitigt sein, und Suetonius legte mürrisch den Kopf auf die Unterarme. Das Haus, das er geplant hatte, wäre wunderschön geworden, hätte sich hoch über die Bäume und über Cäsars Land erhoben, um vom Hügel aus darauf hinabzuschauen. Er hätte sich einen Balkon anbauen lassen, auf dem er an warmen Abenden mit einem kalten Getränk hätte sitzen können. All das war dahin, und das nur, weil sein Vater plötzlich schwach geworden war.
Suetonius zupfte an einem Splitter des Pfostens und dachte an die vielen kleinen Gemeinheiten, die Julius ihn hatte schlucken lassen, erst als Gefangener der Piraten und später bei den Wölfen in Griechenland. Er wusste, dass die anderen Männer ihn bereitwilliger anerkannt hätten, wenn Julius nicht gewesen wäre, womöglich wären sie sogar damit einverstanden gewesen, dass er das Kommando übernahm, so wie sie Julius akzeptiert hatten. Dann hätte er Lepidus Mithridates’ Leichnam überreicht und mit ihm gespeist, statt fast ohne Pause zum Hafen zu eilen. Der Senat hätte ihn zum Tribun ernannt, und sein Vater wäre stolz auf ihn gewesen.
Stattdessen hatte er nichts mit nach Hause gebracht, außer einem Lösegeld, das ohnehin seinem Vater gehörte, dazu ein paar Narben, die er als Beweis dessen vorweisen konnte, was er erlitten hatte. Cäsar hatte die Wölfe nach Norden geführt, hatte ihnen geschmeichelt und sie überredet, ihm zu folgen, während Suetonius zurückblieb und ihm nicht einmal der kleine Trost vergönnt war, sich sein eigenes Haus zu bauen.
Er riss zornig an dem Splitter und zuckte zusammen, als dieser sich in seine Hand bohrte. Er hatte sich darum beworben, mit den sechs Legionen nach Norden zu ziehen, aber keiner der Legaten hatte ihn haben wollen. Man konnte sich denken, wer dafür gesorgt hatte. Er wusste, dass sein Vater sich zu seinen Gunsten hätte einsetzen können, doch er hatte nicht gewagt, ihn darum zu bitten. Hier, in der Stille des Waldes, brannte diese schändliche Behandlung heiß in ihm.
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