Crassus ließ den Blick über die rechte Flanke wandern, wo die Reiterei zweier Legionen sich abmühte, den beim ersten Angriff gewonnenen Boden nicht wieder preiszugeben. Pferde stießen schrille Schmerzensschreie aus, und schon strömten die ersten Männer um sie herum.
»Pompeius! Die Rechte!«, fuhr er seinen Kollegen an.
Pompeius ging das Risiko ein und entsandte einen Boten, der Verstärkung bringen sollte. Es war gefährlich, zu viele Männer aus dem Zentrum abzuziehen. Wenn es dort zum Durchbruch kam, würde die Armee in zwei Hälften geteilt werden, und das wäre das Ende. Pompeius merkte, wie so etwas wie Verzweiflung in ihm aufstieg. Diese Sklaven waren einfach unerschöpflich. Trotz allem römischen Geschicks und Disziplin sah er keine Möglichkeit, den Sieg herbeizuführen. Seine Männer töteten, bis sie erschöpft waren, und wurden dann ihrerseits niedergemacht, wieder und wieder.
Pompeius gab den Signalbläsern das Zeichen zu einem weiteren Manipelbefehl. Er zählte schon nicht mehr mit, wie oft er den Ruf hatte erschallen lassen, und er konnte sich vorstellen, wie sich seine Männer fühlten, wenn sie abermals in die vorderste Reihe gerufen wurden, noch ehe sie sich vollständig vom letzten Mal erholt hatten. Er musste die Intervalle verkürzen, um sie zu schonen, aber das bedeutete wiederum weniger Zeit zum Ausruhen.
Als ein Warnruf von rechts ertönte, wandten sich Pompeius und Crassus um. Die Sklaven hatten sich durch die Reiterei gekämpft und schwärmten jetzt vorwärts, verursachten Panik in den Reihen der Legionäre, denn jetzt drohten sie, die Flanke zu umfassen und den Soldaten sogar in den Rücken zu fallen. Pompeius stieß einen Fluch aus und rief den nächsten Reiter zu sich.
»Die Rechte soll sich in Schlachtordnung zurückziehen. Die Linke weiter nach vorne. Wir müssen das gesamte Feld drehen, ehe sie uns einschließen. Die Bläser sollen ›Rechte Kehre‹ blasen! Sofort!«
Der Mann galoppierte davon, und die beiden Feldherren ließen alle Würde fahren und knieten sich auf ihre Sättel, um einen besseren Blick auf die einsetzende Aktion zu gewinnen. Pompeius’ Hände umklammerten verkrampft und weiß die Zügel, denn er wusste, dass der Ausgang der Schlacht von dieser Entscheidung abhing. Wenn der Rückzug in Panik umschlug, würde das Sklavenheer durchbrechen und die Römer einschließen. Sein Mund war von der kalten Luft ausgetrocknet, und er atmete rasselnd.
Es dauerte lange, bis der Befehl alle Einheiten erreicht hatte. Rufe wurden in der Nähe laut, und die Rechte fing an, geordnet nach hinten auszuweichen, und verlagerte die Linie so zu einer roten Diagonale quer über die Ebene. Pompeius ballte die Fäuste, als er sah, wie die Linke vorrückte und die Sklaven zusammendrängte.
Die gesamte Schlacht begann sich zu drehen, und Pompeius war fast außer sich vor Sorge. Es war die einzige Möglichkeit, um die überrannte rechte Flanke zu retten, doch während Tausende von Männern die Drehbewegung vollführten, konnten die Sklaven sich einfach von ihnen lösen und nach Ariminum durchbrechen, falls ihre Anführer die Chance erkannten.
Spartacus stand auf dem Sattel seines Pferdes und fluchte leise, als er sah, dass die Legionen standhielten. Zuerst hatte er geglaubt, dass Antonidus Recht behalten würde und der Flügel niedergerungen werden konnte, doch irgendwie hatten sie sich in einer gemeinschaftlichen Bewegung gedreht; acht Legionen hatten sich wie ein einziges Lebewesen bewegt und die Schlacht gen Osten gedreht. Er pfiff leise vor Bewunderung, obwohl er sah, wie ihre Träume dort auf dem Feld zu Staub zerfielen. Die Legionen waren all das, was er für möglich gehalten hatte, und einen Augenblick lang dachte er an die Zeit, als er selbst als Soldat in einer von ihnen gedient hatte. Es war eine großartige Bruderschaft gewesen, bevor alles zunichte gemacht worden war. Eine Rauferei unter Betrunkenen, ein toter Offizier, und seither war nichts mehr so gewesen, wie es sein sollte. Er war geflohen, weil er wusste, dass sie ihn den Freunden des Mannes übergeben und diese ihn zum Tode verurteilt hätten. Für einen Mann wie ihn gab es keine Gerechtigkeit. Er war fast noch ein Kind gewesen, als sie ihn in Thrakien rekrutiert hatten. Für sie war er kein richtiger Römer, kaum besser als ein Tier. Das waren ganz andere, sehr bittere Erinnerungen: Gefangenschaft und Sklaverei, dann die Gladiatorenschule, wo sie die Männer wie Kampfhunde behandelt hatten, die in Ketten gelegt und mit Schlägen zu Wildheit und Grausamkeit getrieben wurden.
» Morituri te salutant. Wir, die wir dem Tod geweiht sind, grüßen dich«, flüsterte er vor sich hin, während er seine Leute dort unten sterben sah. Er hob den Blick zur Sonne und sah, dass sie ihren höchsten Punkt bereits überschritten hatte und kalt und blass hinter den Wolken stand. Die Tage wurden nur allmählich länger, und es würde nur noch ein paar Stunden dauern, bis es wieder dunkel wurde.
Lange schaute er der Schlacht zu, in der Hoffnung, die Legionen nachgeben zu sehen, aber sie hielten der Übermacht stand, und er verzweifelte. Schließlich nickte er vor sich hin. Wenn sich die Römer zur Nacht in ihre Lager zurückzogen, würde er nach Ariminum aufbrechen. Seine Männer hatten seit vier Tagen nichts mehr gegessen, und die römische Stadt war voller Lebensmittel, die sie wieder stark machen würden.
»Sieht aus, als müssten wir Fersengeld geben, Krix«, murmelte er.
Sein Freund stand neben Antonidus, die Zügel in der Hand.
»Sie können immer noch zusammenbrechen, bevor es dunkel wird«, erwiderte Krixos verbissen.
Antonidus knurrte und spuckte zornig einen Schleimbatzen auf den Boden. Er hatte ihnen einen Sieg versprochen, und nun spürte er, wie ihm mit dem stetig wachsenden Blutzoll sein Einfluss entglitt.
Spartacus schüttelte den Kopf.
»Nein. Wenn wir sie bis jetzt nicht schlagen konnten, laufen sie nicht mehr davon. Sie werden sich in ihre befestigten Lager zurückziehen und dort kräftig essen, bevor sie morgen herauskommen, um es zu Ende zu bringen. Aber dann werden wir nicht mehr hier sein.«
»Aber warum brechen sie denn nirgends ein?«, stieß Krixos verzweifelt aus.
»Weil dann Rom in unsere Hände fällt«, fuhr ihn Antonidus an. »Sie wissen, was auf dem Spiel steht, aber wir können immer noch gewinnen. Zieht die vordersten Reihen zurück und schickt ausgeruhte Männer in den Kampf. Umgeht den linken Flügel. Ob sie nun die Flucht ergreifen oder nicht, wir können sie so oder so aufreiben.«
Spartacus betrachtete den römischen Heerführer, den seine Männer gefunden hatten, mit Verachtung. Der Mann hatte nichts als Galle in sich; er schien nicht zu begreifen, dass die Leben, die er ihn wegzuwerfen drängte, die seiner Freunde und Brüder waren. Der Gladiator schloss einen Augenblick lang die Augen. Sie alle hatten Antonidus zugejubelt, als Krixos ihn anfangs vorgestellt hatte, gekleidet in die Rüstung eines gefallenen Römers. Er war vor den Männern vorgeführt worden wie ein Schoßtier, aber seine Versprechungen waren wertlos gewesen, seine schlauen Taktiken hatten lediglich Verwirrung unter den Sklaven gestiftet, die vor diesem Aufstand noch nie ein Schwert in Händen gehalten hatten.
»Unsere Männer sind schwach vor Hunger«, sagte Spartacus. »Ich habe einige mit grünen Mündern gesehen, weil sie gekochtes Gras gegessen haben. Wir überstehen keinen zweiten Tag wie diesen.«
»Wir könnten versuchen, die Pässe nach Gallien zu erreichen«, meinte Krixos.
»Was glaubst du, wie viele die Pässe lebend erreichen würden?«, wollte Spartacus wissen. »Ehe wir die Ebene verlassen können, haben uns die Legionen eingeholt. Nein, diese Chance ist vertan. Es muss Ariminum sein. Dort holen wir uns die Verpflegung, die wir brauchen, und sammeln neue Kraft. Irgendwie werden wir ihnen schon entwischen.«
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