«Überlegen Sie gut, lieber Doktor. «Der Bankier erhob sich und holte aus einer in die getäfelte Wand eingebauten Hausbar eine Flasche Cognac.»Bedenken Sie auch, daß Sie sich mit diesem Vertrag ganz in meine Hand geben!«
«Ich vertraue Ihnen vollauf und blindlings!«
«Dann sind wir uns ja einig. «Er goß in zwei Cognacschwenker ein und schob einen Peter Perthes zu.»Stoßen wir an — auf den Kampf gegen das Gift!«Er hob das Glas.»Ich bin sehr glücklich, Ihnen damit einen Teil von der großen Schuld, in der ich bei Ihnen wegen der Rettung unseres Jungen stehe, abzugelten.«
«Aber Herr von Barthey.«
«Kein Wort mehr darüber!«Er faßte Peter Perthes unterm Arm und ging mit ihm in den großen Wintergarten, wo sie sich in bequemen Liegestühlen aus Peddigrohr niederließen. Ein Syphon mit eiskaltem Wasser, eine Whiskyflasche, Gläser und ein Kistchen bester Importzigarren standen auf einem schmalen Tisch inmitten weitausladender Palmen in runden, grünen Holzkübeln.
«Nehmen Sie es mir übel, wenn ich nun noch privat zu Ihnen spreche?«fragte Herr von Barthey und schnitt sich umständlich die Spitze einer Zigarre ab.
«Aber ganz und gar nicht, Herr von Barthey!«
«Es handelt sich um Ihre charmante Kollegin, Herr Dr. Perthes.«»Um Dr. Angela Bender?«Perthes beugte sich vor.»Da bin ich ehrlich gespannt.«
«Um es kurz zu machen — die Dame liebt Sie.«
Peter Perthes wurde ein wenig rot. Er fühlte, wie ihm das Blut im Halse klopfte, und das ärgerte ihn. Eine Unsicherheit überfiel ihn, von der er nicht wußte, wie er sie wieder loswerden konnte.
«Wie kommen Sie zu dieser Annahme?«fragte er. Es sollte eine matte Abwehr sein, aber Wolf von Barthey lächelte weise.
«Sie macht sich Sorgen um Sie, wegen Kolumbien. Sie will Sie nicht verlieren. Wie jede liebende Frau wird sie zu einer Egoistin, wenn es um ihr Glück geht. Ich habe Ihr Gespräch vorgestern abend gehört, auch wenn ich so tat, als hörte ich es nicht. Die junge Dame will Sie davon abhalten, in die Tropen zu fahren.«
«Ja, das stimmt.«
«Und wie stellen Sie sich dazu?«
«Ich werde selbstverständlich trotzdem gehen!«
«So selbstverständlich ist das nicht. Die Liebe stellt eine der stärksten Bande dar, junger Freund. Es gibt kein Stahlseil, das stärker wäre! Wenn Könige ganze Völker einer Frau wegen aufgaben, so ist es leicht, eine Fahrt über den Teich nicht zu wagen.«
Wolf von Barthey sah den Arzt mit kalt gewordenen Augen scharf an.»Sie lieben doch Fräulein Dr. Bender auch?«
«Ja. «Peter Perthes spielte mit einem fiederigen Palmenblatt.»Ich hätte es zwar bei meiner angeborenen Nüchternheit nicht für möglich gehalten, aber es ist so etwas wie ein Elementarereignis, gegen das es keinen Widerstand gibt.«
Er ließ das Palmenblatt los, stand auf und trat an die Glasbrüstung. Er schaute hinaus in den sonnendurchfluteten Park mit den geschnittenen Taxushecken und dem wunderbaren, tiefgrünen englischen Rasen, auf dem sich Rasensprenger drehten.»Nur — ich lasse mich durch diese Liebe nicht von meinem Weg abbringen, den ich ja nicht nur für mich, sondern für Tausende, vielleicht für Millionen Menschen gehe!«
«Bravo!«Wolf von Barthey klatschte in die Hände.»Und darauf trinken wir noch zusammen einen Whisky!«Dann schob er den mitgenommenen Vertrag vor Peter Perthes hin und machte eine leichte Verbeugung.»Bitte — die Vertragsformulare! Lesen Sie die Bedingungen zu Hause in Ruhe durch. «Er ergriff des jungen Doktors Hand und drückte sie in herzlicher Freude.
«Lassen Sie mich Ihnen als erster gratulieren!«rief er.»Ich wünsche Ihnen einen Weg, der steil emporführt bis zu jener olympischen Höhe, auf der Sie dereinst in Stockholm den Nobelpreis erhalten!«
Sie lachten beide über diese Aussicht, die jetzt, in diesem Raum gesprochen, eine Utopie war. Doch dann wurden sie wieder ernst, denn aus dem Scherz schälte sich die Wahrheit: Drüben, in Kolumbien, auf den noch weißen Flächen der Landkarte, den riesigen Urwald- und Sumpfgebieten, die noch kein Mensch betreten hatte, lebten die Vipern und Giftspinnen, lauerte der vielfältige Tod durch Giftpfeile und winzige Tierbisse. Dort lag die Realität aller Pläne und Hoffnungen, dort würde sich in absehbarer Zeit ein Forscherschicksal vollenden, würde sich das Leben eines Mannes runden, der allein, unbeachtet von der übrigen Welt, durch verseuchtes Land zog, um der Menschheit zu dienen.
«Ich bewundere Sie«, sagte Wolf von Barthey leise, als sich Dr. Perthes verabschiedete.»Sie haben Mut; und das ist etwas, was man heute so selten findet. Mut vor den Konsequenzen, die einmal kommen werden. Ich sehe erst heute, welch ein gleichförmiges Leben ich dagegen führe.«
Er blickte Peter Perthes nach, während dessen Wagen durch den Stadtwald davonrollte. Dann ging er ins Haus zurück und setzte sich still zu seiner Frau ins Musikzimmer.
«Ich glaube, Helene«, sagte er nach einer Weile des Schweigens, das auch Frau von Barthey nicht unterbrach,»ich glaube, wir stehen heute am Anfang einer neuen großen Entdeckung. Wir haben ein Genie entdeckt.«
In der Klinik war es jetzt ein offenes Geheimnis, daß die nette Kinderärztin Dr. Bender und der große, immer so stille Tropenarzt zusammengehörten und demnächst wohl heiraten würden. Man hatte beobachtet, wie sie gemeinsam Wäsche kauften, sich Möbel ansahen, einen Teppich aussuchten und mehr als einmal vor Reisebüros standen, um anscheinend Pläne für eine Hochzeitsreise zu schmieden.
In der Stille aber, wenn Peter Perthes in seinem Labor arbeitete und Angela Bender ihre Kinderpraxis zu versorgen hatte, schwirrten Telefongespräche durch den Äther, wurden hinter verschlossenen Türen Verhandlungen geführt, saßen Professor Window und Chefarzt Dr. Sacher bei Dr. Perthes und stellten gemeinsam eine wissenschaftliche Ausrüstung für die Expedition zusammen.
In Hamburg, im Tropeninstitut, wo man sich noch sehr gut an Dr. Perthes erinnerte, wurden die feinen Apparate bestellt, ein Ausrüstungshaus stellte eine Liste der notwendigen Geräte auf und lieferte alles, vom einfachen Klappzelt bis zum schlangenbißsicheren Schnürschuh. Von den Arzneifabriken wurden Proben aller bisher in den Handel gebrachten oder noch in der Fertigung befindlichen Medikamente gegen alle tropischen Gifte angefordert; und so wuchs von Tag zu Tag, ohne Wissen Dr. Benders, der Plan der Expedition mehr in die Wirklichkeit hinein.
Eines Tages forderte man das Gutachten eines Forschers an, der vor drei Wochen nach Bogota, der Hauptstadt Kolumbiens, zurückgekehrt war. Er hatte in den Gebieten an der brasilianisch-vene-zuelischen Grenze Jagd auf botanische Seltenheiten gemacht. Seine Auskunft, in einer dicken Luftpostsendung enthalten, war niederschmetternd.
In den Gebieten der Orinokoquellen, des Rio Negro, in den unerforschten Urwäldern von Tariano, Tucano, Yapua, Macu, in der Mesa de Yambi und in dem Gebiet von Desana sollten Stämme leben, die, trotz der riesigen Entfernung, miteinander in Verbindung standen und unter Führung der Tarapas, eines völlig wilden, im Urzustand der Menschheit lebenden Indianerstammes und Kopfjägervolkes, ein strenges Regiment aufgezogen hatten. Sie würden jeden Versuch von Weißen, diese Urwälder zu durchdringen, unmöglich machen, und ihren gefährlichen Giftpfeilen hätten selbst die Abenteurer, die als Orchideenjäger oder Schatzsucher alles auf eine Karte zu setzen gewöhnt waren, auf die Dauer nicht widerstehen können.
Der Häuptling der Tarapas, ein gewisser Sapolana, ein riesenhafter Mensch, den bisher noch kein Weißer zu Gesicht bekommen hatte, dessen Macht aber in den Dörfern und Siedlungen rund um dieses Gebiet gefürchtet wurde, hatte einen furchtbaren Haß auf alle Fremden. Dieses Haßgefühl entstamme, so erzählte man sich, der Zeit da es einem spanischen Abenteurer gelungen war, bis zu seiner mitten im unzugänglichsten Urwald gelegenen Siedlung vorzudringen. Dort habe, durch Handel mit bunten Glasperlen, dieser Spanier erhebliche Unruhe unter das Volk Sapolanas gebracht.
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