Von Kronstadt kehrte jeder nach Hause zurück; die Kaiserin nach Peterhof, wir nach Oranienbaum. Tschoglokoff verlangte und erhielt die Erlaubnis, sich für einen Monat auf eins seiner Güter zu begeben. Während seiner Abwesenheit war seine Frau Gemahlin aufs eifrigste bemüht, die Befehle der Kaiserin buchstäblich auszuführen. Zunächst hatte sie unzählige Beratungen mit Bresson, dem Kammerdiener des Großfürsten. Dieser fand in Oranienbaum eine hübsche Malerswitwe namens Groot, aber es vergingen einige Tage, ehe es gelang, sie zu überreden, und ihr, ich weiß nicht was, zu versprechen und sie über das, was man von ihr wollte und wozu sie sich hergeben sollte, aufzuklären. Hierauf wurde Bresson beauftragt, Seine kaiserliche Hoheit mit dieser jungen und schönen Witwe bekannt zu machen. Gleichzeitig bemerkte ich deutlich, daß Madame Tschoglokoff sich in einer gewissen Aufregung befand, nur wußte ich nicht weshalb, bis endlich Sergius Soltikoff aus seinem freiwilligen Exil zurückkehrte und mir nach und nach zu verstehen gab, um was es sich handelte. Endlich, mit vieler Mühe, erreichte Madame Tschoglokoff ihren Zweck, und als sie sich dieser Tatsache vergewissert hatte, benachrichtigte sie die Kaiserin, daß ihre Wünsche erfüllt seien. Sie hoffte, für ihre Mühe reichlich entschädigt zu werden, täuschte sich aber gründlich, denn sie erhielt nichts. Allein sie tröstete sich damit, daß sie behauptete, das Reich sei ihr zu großem Dank verpflichtet. Kurz darauf kehrten wir in die Stadt zurück.
Um jene Zeit gelang es mir, den Großfürsten zum Abbruch der Unterhandlung mit Dänemark zu bewegen. Ich erinnerte ihn an die Ratschläge des Grafen Bernis, der schon wieder nach Wien zurückgekehrt war. Der Großfürst folgte mir und befahl, die Unterhandlungen abzubrechen, ohne etwas abzuschließen, was denn auch geschah. Nach einem kurzen Aufenthalt im Sommerpalast bezogen wir den Winterpalast.
Ich glaubte damals zu bemerken, daß Sergius Soltikoff anfing, sich weniger um mich zu bekümmern, daß er zerstreut, mitunter albern, anmaßend und ausgelassen war. Dies quälte mich und ich sagte es ihm. Er antwortete mir mit banalen Ausreden, behauptete, ich verstehe die außerordentliche Geschicklichkeit seines Benehmens nicht zu würdigen. Er hatte recht, denn ich fand dasselbe sehr sonderbar. Einem Befehle zufolge bereiteten wir uns zur Reise nach Moskau vor. Am 14. Dezember 1752 reisten wir von Petersburg ab, wo Sergius Soltikoff noch einige Wochen verweilte. Ich verließ Petersburg mit leichten Anzeichen, daß ich guter Hoffnung sei. Da wir aber sehr schnell Tag und Nacht reisten, verschwanden diese auf der letzten Station vor Moskau unter heftigen Leibschmerzen. Nach der Ankunft in Moskau konnte ich nicht mehr im Zweifel darüber sein, daß eine unzeitige Geburt stattgefunden hatte. Madame Tschoglokoff, die eben von ihrem siebenten und letzten Kinde entbunden worden war, war in Petersburg zurückgeblieben, folgte uns aber, nachdem sie sich erholt, ebenfalls nach Moskau.
Beschränkter Aufenthalt in Moskau — Ein Lieblingsprojekt der Tschoglokoff. — Sie macht mir versteckte Vorschläge in bezug auf Sergius Soltikoff. — Landaufenthalt. — Die Feier des Krönungstages Elisabeths. — Die Kaiserin behandelt uns mit großer Kälte. — Duell Zacharias Czernitscheffs mit Oberst Leontieff. — Ich bin von neuem guter Hoffnung. — Fehlgeburt. — Trinkgelage des Großfürsten. — Seine Ohnmacht über seine Zechgenossen. — Eine Hinrichtung. — Wahnsinn mehrerer Personen des Hofes.
Man hatte uns in Moskau einen aus Holz gebauten Flügel eingeräumt, der erst während des Herbstes fertig geworden war, so daß das Wasser an dem Gebälk niederlief und alle unsere Zimmer an großer Feuchtigkeit litten. Dieser Flügel bestand aus zwei Teilen, deren jeder fünf bis sechs große Zimmer enthielt. Die nach der Straße liegenden waren für mich, die Hinterzimmer für den Großfürsten bestimmt. Meine Kammermädchen und Kammerfrauen samt ihren Dienerinnen wurden in meinem Toilettenzimmer untergebracht, so daß nicht weniger als siebzehn Frauen und Mädchen eine Stube bewohnten, einen Raum, der freilich drei große Fenster hatte, aber keinen Ausgang, als nach meinem Schlafzimmer, welches sie alle Augenblicke passieren mußten. Natürlich war eine solche Einrichtung weder für sie noch für mich angenehm. Dennoch waren wir genötigt, diese Unbequemlichkeit, dergleichen mir nie zuvor begegnet, zu ertragen. Dazu befand sich ihr Speisezimmer in einem meiner Vorzimmer. Da ich krank war, als ich in Moskau ankam, ließ ich, um der eben erwähnten Unbequemlichkeit abzuhelfen, einige spanische Wände in mein Schlafzimmer setzen, vermittelst welchen ich dasselbe in drei Teile teilte. Doch half dies so gut wie gar nichts, weil die Türen sich unausgesetzt öffneten und schlossen, was unvermeidlich war. Am zehnten Tage endlich besuchte mich die Kaiserin, und als sie dies fortwährende Gehen und Kommen bemerkte, ging sie ins Nebenzimmer und sagte meinen Damen:»Ich werde Ihnen einen andern Ausgang machen lassen als den durch das Schlafzimmer der Großfürstin. «Aber was tat sie? Sie befahl, das Zimmer, in dem siebzehn Personen bereits mit Mühe untergebracht waren, noch um ein Fenster kleiner zu machen, um dadurch einen Korridor zu gewinnen. Die Fensterwand wurde durchbrochen und eine Treppe angebracht, die direkt auf die Straße führte. Unter den Fenstern errichtete man Aborte, und auch wenn sie zum Diner gingen, mußten die Frauen die Straße passieren. Kurz, diese Anordnung war sehr schlecht, und ich wunderte mich, daß diese siebzehn Frauen, zusammengepackt und öfters krank, nicht von einer Hautkrankheit ergriffen wurden. Und dies alles neben meinem Schlafzimmer, das noch obendrein von Ungeziefer jeder Art wimmelte, so daß ich am Schlafen gehindert wurde.
Endlich, nachdem sie sich von ihrem Wochenbett erholt, kam Madame Tschoglokoff in Moskau an und einige Tage später auch Sergius Soltikoff. Da Moskau sehr groß ist und jeder weit vom andern entfernt wohnt, benutzte er diese Gelegenheit, um die Verminderung seiner erdichteten oder wirklichen Bemühungen bei Hofe zu verbergen. Für mich war dies sehr schmerzlich, aber er führte stets so gewichtige Gründe an, daß mein Bedenken schwand, sobald ich ihn gesehen und gesprochen hatte. Um die Zahl seiner Feinde zu verringern, verabredeten wir miteinander, daß ich dem Grafen Bestuscheff etwas sagen ließ, was ihm die Hoffnung geben konnte, daß ich ihm weniger fernstehe als bisher. Ich beauftragte mit dieser Botschaft einen gewissen Bremse, der in Pechlins holsteinscher Kanzlei angestellt war und den Grafen Bestuscheff häufig besuchte, Er übernahm meinen Auftrag mit größter Bereitwilligkeit und sagte, der Kanzler sei aufs höchste erfreut gewesen, habe erklärt, ich möge mich so oft ich wolle an ihn wenden und wenn er mir nützlich sein könne, bitte er mich, ihm einen sichern Verbindungsweg anzugeben, vermittels dessen wir uns gegenseitig mitteilen könnten, was wir auf dem Herzen hätten. Ich verstand seine Absicht und antwortete Bremse, ich werde mir die Sache überlegen. Dann sprach ich mit Sergius Soltikoff davon, und wir beschlossen sofort, daß er selbst zum Kanzler gehen solle, was er kurz nach seiner Ankunft unter dem Vorwande eines Besuchs leicht tun konnte. Der Alte empfing ihn aufs beste, unterhielt sich mit ihm sehr vertraulich über die innern Angelegenheiten unseres Hofes, über die Dummheit der Tschoglokoffs und bemerkte unter anderm:»Ich weiß, daß Sie ihr Vertrauter sind, weiß aber auch, daß Sie sie ebenso gut als ich kennen, denn Sie sind ein Mann von Geist. «Hierauf sprach er mit ihm von mir und meiner Lage, als hätte er selbst täglich in meinem Zimmer gewohnt, und fügte hinzu:»In Anerkennung des Wohlwollens, welches die Großfürstin mir entgegenbringt, werde ich ihr einen kleinen Dienst erweisen, der, wie ich glaube, ihr sehr willkommen sein wird. Ich werde ihr die sanfte Madame Wladislawa wiedergeben, und sie kann mit ihr machen, was ihr gefällt. Sie soll sehen, daß ich kein solcher Werwolf bin, wie man mich immer in ihren Augen hingestellt hat. Kurz, Sergius Soltikoff kehrte sehr befriedigt von seiner Audienz und seinem Manne zurück, der ihm selbst ebenso verständige als nützliche Ratschläge gegeben. Alles dies beförderte unser Einverständnis, ohne daß jemand die geringste Ahnung davon hatte.
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