«Das ist ein Aufwachholder», sagte der GuRie. «Der ist obertoll.»
Im Inneren des Glases konnte Sophiechen unter dem Etikett gerade noch den lustigen Traum erkennen, wie er da gemütlich auf dem Boden ruhte, sanft und schaukelnd, ungefähr so grün wie der andere, aber vielleicht eine Idee größer.
«Hast du für Jungen und Mädchen verschiedene Träume?» fragte Sophiechen.
«Aber natüllich», sagte der GuRie. «Wenn ich einem Jungen einen Mädchentraum gebe, und wenn der auch noch so schön ist, dann würde der Junge aufwachen und denken, was für ein saublöder, stinköder Kitschkram das war.» «Sehr wahrscheinlich würde er das denken», sagte Sophiechen.
«Auf diesem Brett hier, das sind alles Mädchenträume», sagte der GuRie.
«Darf ich mal einen Jungs-Traum lesen?» «Darfst du», sagte der GuRie und hob sie zu einem höheren Bord empor. Die Aufschrift auf dem ersten JungsTraum-Glas lautete folgendermaßen:
Ich hab mihr ein baar gans dolle Saugnapfschuhe gebassdeld. Wenn ich di annzih kann ich damidd di Kychenwant senkrechz hochlaufen unt gwehr über di Degge schbatzihren. Alz ich grahde mal ferkeerd herrumm ann der Degge herrummlauf gommd meine eldere Schwessder herrein unt brülld lohs:
Das iss doch di Höhe, was machsd du da ohben ann der Degge. Unt ich gugge auf si runder und muß si anngrinnsen unt sahg zu ir: Ich hob dihr doch ge-saagd, du brinxd mich ann di Degge unt daß hasd du jezz dafonn.
«Den Traum finde ich ziemlich doof», sagte Sophiechen.
«Aber Jungs nicht», sagte der GuRie mit einem Lächeln. «Das ist auch ein Aufwachholder. Vielleicht hast du jetzt genug gesehen?»
«Laß mich noch einen Jungs-Traum lesen», bat Sophiechen. Die nächste Aufschrift lautete:
Zu Hause glingeld das Deelefohn. Mein Faddy nimmd abb unt saachd midd seiner seer eindrux-follen Deelefohnihrschdimme: «Hir Meiermüllerschulze!» Imm nexden Momennd wird sein Ge-sichd keeseweis unt seine Schdimme glingd koh-misch wie er saachd: «Was? Wer?» Unt dann saachd er: «Jawoll, Herr Ähh, ich hab schohn ferschdanden aber sie wolln doch midd mihr bersöhnlich schbrechen unt nich midd mein klein Sohn bersöhnlich.» Mein Faddy sein Gesichd iß blözz-lich nich meer weis sonndern dunggelrod unt er muß schluggen alz obb er einen Hummer imm Halz hedde. Schließlich schdodderd er: «Jawoll, Sör, iß inn Oddnung, Sör, ich hohl ihn mal eben, Sör.» Unt er dreed sich nach mihr umm unt saachd midd einer faßd eerfurzfollen Schdimme: «Kenz du den Bresidendfonn Ameerika?» Unt ich saage:
«Nein, aber wascheinlich hadd der fonn mihr ge-höhrd.» Unt dann deelefohnihre ich schdunden-lang midd ihm unt saage dabei Sachen wi: «Ich mach das schon, Bresidend. Wenn Sie das übernee-men, geed ja doch alles schihf, Bresidend.» Da falln meim Faddy fassd di Augen aus dem Gobf und in dehm Momennd höhr ich wi mein Faddy midd seiner richdigen Schdimme zu mir saachd: «Aufschdehn, du fauler Belts, sonz kommsdu zu schbehd zur Schuhle!»
«Jungs sind bekloppt», sagte Sophiechen. «Laß mich den nächsten Zettel noch lesen.» Und da las sie nun folgendes:
Ich lihge inn der Bahdewanne unt da endegge ich daß wenn ich ganz feßd auf mein Bauchschnabel drügge dann grihge ich blözzlich so ein kohmisches Gefüül unt dann sint meine Beine nich meer da unt meine Ahme sint auch wegg. Ich hinn midd einmal ganz unt gar unsichtbar. Ich binn zwa noch da aba eß kann mich keiner seen. Ich mich selbs auch nich. Unt da gommd meine Mammy rein unt saachd: «Wo iß das Kinnd? Fohr einer Minuhde laag er noch hihr inn der Wanne. So schnell kann er sich doch unnmöklich gewaschen haben!» Unt da saage ich: «Hihr binnich.» Unt si saachd: «Woh?» Unt ich saag: «Hihr!» Unt da schreid sie: «Willi! Kom-mal schnell hehr!» Unt alz mein Faddy anngesausd kommd wasch ich mich schön gryntlich unt mein Faddy sihd den Saifenschaum inn der Luffd rummrudschen aba mich sihd er nadyllich nich. Unt er ruhfd: «Junge wobißdu?» Unt ich saage: «Hihr.» Unt er sachd: «Woh?» Unt ich saage: «Hihr.» Unt er sachd: «Wooh?» Unt ich saage: «Hiiihr!» Unt er saacht: «Di Saife! Junge, di Saife! Di schwehbd inn der Luffd!» Da drügg ich meinen Bauchschnabel unt auf einmahl binn ich wihder sichdbar. Mein Faddy rassded dodahl aus unt saachd: «Du bissd ja der Gnaabe midder Trankappe!» Da saag ich zu ihm: «Jezz mach ich eim-paa gans tholle Sachen.» Unt dann gledder ich aus-der Bahdewanne unt droggne mich abb unt zih mein Bahdemanndel ann unt meine Hauschu unt drügg wihder auf mein Bauchschnabel unt werd unsichtbar unt ich geh inn di Schdadd unt lauf auf der Schrahße schbatziren: Aha nadyllich iß nur mein Körrber unnsichtba aba nich di Sachen di ich annhabb. Unt wi di Loide seen daß da ein Bahde-manndel unt ein Paa Hauschue auf der Schrahße herrummhambeln wo kein Körrber drinniß da brichd eine Bahnick aus unt alle Schrein: «Ein Gaisd! Ein Gaisd!» Unt di Loide flychden nach allen Saithen unt schrein unt sogaa di langen schdaakhen Bollizissen renn umm ir Lehben. Unt amm schönsden iß: Ich see mein Matteleerer Herr Grollmann wi er aus einer Gneibe kommd unt ich schwehbe zu im hinn unt ruhf: «Buh!» Unt da schdösd er ein fürchderhaffdes Gehoil aus unt rahsd sofortissimo inndi Gneibe zurygg. Unt dann wachich auf unt fül mich so glügglich wi ein Glüggspils.
«Ziemlich lächerlich», sagte Sophiechen. Trotzdem: sie konnte einfach nicht der Versuchung widerstehen, mit der Hand nach ihrem Bauchnabel zu tasten und kräftig zu drücken. Und was geschah? - Nichts geschah. Leider. «Träume sind etwas sehr Geheimnisvolles», sagte der GuRie. «Die menschlichen Leberwesen verstehen sie überhaupt gar nicht. Sogar die allerklewwersten Professohren können sie nicht verstehen. Hast du jetzt genug gesehen?»
«Nur noch einen einzigen!» sagte Sophiechen. «Den hier.»
Und sie las folgendes:
Ich hob ein Buuch geschrihben das iß soo schban-nend daß mann middem lehsn eimfach nich auf-höhrn kann. Wenn mann di ersde Zeile gelehsen hadd iß mann soo gefesseld daß mann biss zur lez-den Saidhe weiderlehsen muß. Inn jehder Schdadd laufen di Loide sich auf der Schdrahsse über den Haufen weil si können ire Augen nichd lohsreisen fonn dehm Tex inn meim Buuch. Sogaa di Zaan-erze lehsn eß beim boan aba daß machd niggs weil di Bazienden auch immer lehsn. Di Audofarrer lehsn eß beim Audofahn unt nadyllich gnalld eß anndauernd überall. Di Gehirrnschirurgeln lehsn eß beim Gehirrnopperihren. Di Pielohden lehsn eß unt flihgen aus Ferseen nach Honnulolli schdadd nach Kingkong. Di Fußballschbihler lehsn eß auf dehm Schbihlfelld weil si eß eimfach nich wegglee-gen könn. Unt auch di Marratonnloifer auf der Ollümpchaade lehsn eß beim Marratonnlaufm. Alle alle alle wolln ummbedinkt wißn wihs weider geed inn meim Buuch. Unt wenn ich aufwach binn ich noch ganz schdollz unt aufgereekt weil ich binn der grösde Dichder aller Zeiden - biß meine Mammi reinkommd unt saachd: «Ich hob mihr gessdern ahbend mal dein Aufsazzheff anngekuckt unt ich muschschon sahgen deine Rechd-schreibung iß harschdroibend unt deine Inder-brunxion auch.»
«Das reicht für heute», sagte der GuRie. «Es gibt noch zahllose und aberzahllose davon, aber mein Arm wird lahm vom Hochhalten.»
«Was sind das da drüben für welche?» fragte Sophiechen. «Warum haben die so kleine Aufkleber?» «Das», erklärte der GuRie, «kommt daher, daß ich an einem Tag manchmal so viele Träume fange, daß ich keine Zeit habe oder keine Lust, große Zettel vollzuschreiben. Dann schreib ich nur im Tellegrampfstil ein paar Strichwörter auf, damit ich mich verinnern kann.» «Darf ich bitte mal sehen?» fragte Sophiechen. Geduldig trug der GuRie sie auf Händen quer durch die Höhle zu den Gläsern hinüber, auf die sie gezeigt hatte. Sophiechen las die Traumtelegramme schnell herunter, eines nach dem andern:
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