Kein Mensch kann perfekt sein. Gewiss, es gibt Erfahrungen, die jeder Mensch machen kann, die das gewöhnliche Vorstellungsvermögen übersteigen. Aber erst wenn man die Erfahrung des Göttlichen gemacht hat, weiß man, was Vollkommenheit bedeutet. Vollkommenheit ist keine Fertigkeit; sie ist nicht etwas, das du praktizieren kannst, sie ist nichts, was du üben oder proben kannst. Aber genau das wird allen Menschen beigebracht, und das Ergebnis ist eine Welt voller Scheinheiliger, die ganz genau wissen, wie hohl und leer sie innen sind, und trotzdem alle möglichen Qualitäten vortäuschen, die nichts als leere Worte sind.
Wenn du zu jemandem sagst: „Ich liebe dich“ – hast du je darüber nachgedacht, was du damit meinst? Ist es nur eine biologische Vernarrtheit ins andere Geschlecht? Denn sobald du deine tierischen Gelüste befriedigt hast, verschwindet die ganze so genannte „Liebe“. Es war bloß ein Hunger, und wenn du ihn befriedigt hast, bist du satt. Die gleiche Frau, die dir als die schönste Frau der Welt erschien, der gleiche Mann, der dir wie Alexander der Große vorkam … jetzt überlegst du, wie du den Kerl am besten wieder loswirst.
Vielleicht versteht ihr mich besser, wenn ich euch diesen Brief vorlese, den Paddy an seine Geliebte Maureen geschrieben hat:
„Meine liebste Maureen, für dich würde ich auf den höchsten Berg steigen und in der stürmischsten See schwimmen. Für einen Augenblick an deiner Seite würde ich jede Härte auf mich nehmen!
Dein dich immer liebender Paddy.
PS: Ich komme am Freitagabend vorbei, falls es nicht regnet.“
Sobald du zu jemanden sagst: „Ich liebe dich“, weißt du gar nicht, was du da sagst. Du weißt nicht, dass es nur Lust ist, die sich hinter dem schönen Wort „Liebe“ versteckt. Sie geht vorüber, sie ist sehr vergänglich. Liebe ist etwas Ewiges. Sie ist die Erfahrung der Buddhas, nicht der unbewussten Menschen, von denen die ganze Welt voll ist. Nur sehr wenige Menschen haben erfahren, was Liebe ist, und es sind diejenigen, die das höchste Erwachen, die höchste Erleuchtung, den höchsten Gipfel des menschlichen Bewusstseins erlangt haben.
Wenn du wirklich wissen willst, was Liebe ist, vergiss die Liebe und besinne dich auf die Meditation. Wenn du Rosen in deinem Garten haben willst, vergiss die Rosen und kümmere dich um den Rosenstrauch. Du musst ihm Dünger geben, ihn begießen und dich darum kümmern, dass er die richtige Menge Sonne und Wasser bekommt. Wenn für alles gesorgt ist, werden die Rosen zur rechten Zeit erblühen. Du kannst sie nicht früher hervorholen, kannst sie nicht zwingen, sich eher zu öffnen, und du kannst von einer Rose nicht verlangen, vollkommen zu sein. Hast du je eine Rose gesehen, die nicht vollkommen ist? Was willst du mehr? Jede Rosenblüte ist vollkommen in ihrer Einmaligkeit. Wie sie im Wind, im Regen, in der Sonne tanzt … Kannst du ihre ungeheure Schönheit, ihre absolute Freude nicht sehen? Eine kleine gewöhnliche Rosenblüte strahlt die verborgene Herrlichkeit der Existenz aus. Liebe ist eine Rosenblüte in deinem Sein. Doch du musst dein Sein darauf vorbereiten: Vertreibe die Dunkelheit und alles Unbewusste. Werde immer wachsamer und bewusster, dann wird die Liebe von selbst kommen, zu ihrer Zeit. Du brauchst dich nicht darum zu sorgen. Und wenn sie kommt, ist sie immer vollkommen.
Liebe ist eine spirituelle Erfahrung. Sie hat nichts mit dem Geschlecht zu tun, sie hat nichts mit dem Körper zu tun – nur mit deinem innersten Sein. Aber du hast deinen eigenen Tempel noch nicht einmal betreten. Du weißt überhaupt nicht, wer du bist, und du fragst mich, wie du besser lieben kannst. Zuerst sei du selbst; zuerst erkenne dich selbst, dann kommt die Liebe als Belohnung. Sie ist eine Belohnung aus dem Jenseits. Sie regnet auf dich mit Blüten herab und erfüllt dein Dasein; sie ergießt sich über dich ohne Ende … Und mit ihr kommt eine ungeheure Sehnsucht zu teilen.
In der menschlichen Sprache kann dieses Teilen nur durch das Wort „Liebe“ angedeutet werden. Es sagt nicht viel, weist aber in die richtige Richtung. Liebe ist der Schimmer der Achtsamkeit, der Bewusstheit.
Werde bewusster. Liebe stellt sich ein, wenn du bewusster wirst. Sie ist ein Gast, der kommt, der unausweichlich zu allen kommt, die bereit und willens sind, ihn zu empfangen. Aber du bist noch nicht einmal so weit, die Liebe zu erkennen.
Wenn die Liebe vor deiner Tür steht, wirst du sie nicht erkennen. Wenn die Liebe an deine Tür klopft, wirst du tausendundeine Entschuldigung finden. Du wirst denken, vielleicht ist es ein starker Wind, oder du wirst irgendeine andere Entschuldigung haben. Du wirst deine Tür nicht öffnen. Und selbst wenn du die Tür öffnest, wirst du die Liebe nicht erkennen, weil du sie nie zuvor gesehen hast. Wie kannst du sie erkennen?
Du kannst nur das wiedererkennen, was du schon kennst. Wenn die Liebe zum ersten Mal zu dir kommt und dein Dasein erfüllt, wirst du völlig ergriffen und überwältigt sein. Du wirst nicht wissen, wie dir geschieht. Du weißt nur, dass dein Herz tanzt; du weißt, dass himmlische Musik dich einhüllt, und du nimmst Düfte wahr, die du noch nie erlebt hast. Aber es braucht ein wenig Zeit, um all diese Erfahrungen zusammenzufügen und zu erkennen, dass das vielleicht die Liebe ist. Allmählich wird es in dein Wesen einsickern. Nur die Mystiker kennen die Liebe. Die Mystiker sind die einzigen Menschen, die jemals die Liebe erfahren haben. Die Liebe ist das absolute Monopol der Mystiker. Wenn du die Liebe kennen lernen willst, musst du dich in die Welt der Mystiker begeben.
Jesus sagt: „Gott ist Liebe.“ Er war in einer Mysterienschule, bei den Essenern, einer uralten Mysterienschule. Aber vielleicht hat er nicht bis zur Abschlussprüfung durchgehalten, denn was er sagt, stimmt einfach nicht. Gott ist nicht Liebe – Liebe ist Gott! Und das sind nicht bloß vertauschte Wörter, das ist ein riesengroßer Unterschied. Wenn man sagt: „Gott ist Liebe“, sagt man damit, dass Liebe nur eine Eigenschaft von Gott ist. Er ist auch Weisheit, ist auch Mitgefühl, ist auch Vergebung. Außer Liebe kann er noch Millionen anderer Dinge sein. Liebe ist nur eine der Eigenschaften Gottes.
Aber es ist völlig irrational und unlogisch, Liebe nur zu einer Eigenschaft Gottes zu machen. Denn wenn Gott Liebe ist, dann kann er nicht „gerecht“ sein. Wenn Gott Liebe ist, dann kann er nicht so unbarmherzig sein, Sünder in die ewige Hölle zu werfen. Wenn Gott Liebe ist, kann er nicht auch das Gesetz sein.
Ein großer Sufi-Mystiker, Omar Khayyam, bewies ein viel besseres Verständnis als Jesus, indem er sagte: „Ich werde einfach weiter ich selbst sein. Ich werde nicht auf die Priester und die Prediger hören, weil ich darauf vertraue, dass Gottes Liebe groß genug ist. Ich kann gar keine Sünde begehen, die größer wäre als seine Liebe. Wozu sollen wir uns also Sorgen machen? Unsere Macht ist klein, unsere Sünden sind klein. Unsere Reichweite ist so gering – wie sollten wir Sünden begehen können, die Gottes Liebe nicht zu vergeben vermag? Wenn Gott Liebe ist, kann er unmöglich beim Jüngsten Gericht nur die Heiligen heraussuchen und die übrigen Millionen und Abermillionen für alle Ewigkeit in die Hölle werfen!“
Die Lehren der Essener waren genau das Gegenteil dessen, was Jesus sagt. Er zitiert sie falsch. Vielleicht war er nicht so tief in ihren Lehren verwurzelt. Ihre Lehre besagte: „Liebe ist Gott.“ Das ist ein ungeheurer Unterschied. Jetzt wird Gott zu einer Eigenschaft der Liebe, jetzt ist Gott bloß eine Qualität der unermesslichen Erfahrung der Liebe. Nun ist Gott keine Person mehr, sondern eine Erfahrung all jener, die die Liebe kennen gelernt haben. Jetzt kommt Gott erst nach der Liebe. Und ich sage euch: Die Essener hatten Recht. Die Liebe ist der absolute Wert, das höchste Erblühen. Es gibt nichts, was darüber hinausgeht. Darum kann man sie nicht verbessern.
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