1 ...8 9 10 12 13 14 ...17 Wer Angst hat, fühlt sich verlassen, wer in der Liebe ist, löst sich auf – deshalb kann von Einsamkeit gar keine Rede sein. Wie kann man einsam sein, wenn man nicht da ist? Diese Bäume und die Vögel und die Wolken und die Sonne und die Sterne sind noch in dir. Liebe ist, wenn du deinen inneren Himmel erfahren hast …
Ein kleines Kind ist frei von Angst; Kinder kommen ohne Angst zur Welt. Wenn die Gesellschaft ihnen helfen und sie unterstützen kann, dass sie angstfrei bleiben, sie ermuntern kann, auf Bäume und Berge zu klettern und im Meer und in Flüssen zu schwimmen, wenn die Gesellschaft es schafft, sie in jeder Hinsicht dazu zu ermuntern, Abenteurer, Erforscher des Unbekannten zu werden, und wenn die Gesellschaft eine große Neugier in ihnen wecken kann statt sie mit toten Dogmen zu füttern, dann werden aus solchen Kinder große Liebende werden, Menschen, die das Leben lieben. Und das ist wahre Religion. Es gibt keine höhere Religion als die Liebe.
Meditiere, tanze, singe und tauche immer tiefer in dein Inneres ein. Lausche den Vögeln aufmerksamer. Betrachte die Blumen mit Ehrfurcht und Staunen. Werde kein Besserwisser, etikettiere nicht alles und jedes. Genau das ist Besserwisserei – die große Kunst, alles zu benennen, für alles eine Schublade zu finden. Beginne von klein auf Gitarre- oder Flötespielen zu lernen. Sei mit Menschen zusammen, lerne so viele Menschen kennen wie möglich, denn jeder Einzelne bringt eine andere Facette Gottes zum Ausdruck. Lerne von anderen. Hab keine Angst – diese Existenz ist nicht dein Feind. Diese Existenz bemuttert dich, diese Existenz ist bereit, dich in jeder Weise zu unterstützen.
Hab Vertrauen, und du wirst in dir eine neue Energie aufsteigen fühlen; diese Energie ist Liebe. Diese Energie möchte die ganze Schöpfung segnen, denn mit dieser Energie fühlst du dich selbst gesegnet. Und wenn du dich gesegnet fühlst, was bleibt dir da anderes übrig, als die ganze Schöpfung zu segnen?
Liebe ist das tiefe Verlangen, die ganze Schöpfung zu segnen.
Wie kann ich besser lieben?
Liebe ist an sich genug. Sie braucht keine Verbesserung. Sie ist vollkommen, so wie sie ist. Sie muss in keiner Weise vollkommener werden. Der Wunsch, sie zu verbessern, zeigt ein Missverständnis in Bezug auf das Wesen der Liebe. Kannst du einen Kreis vollkommen machen? Alle Kreise sind vollkommen, und wenn sie nicht vollkommen sind, dann sind es keine Kreise. Vollkommenheit ist eine Eigenschaft des Kreises, und das Gleiche gilt für die Liebe. Du kannst nicht weniger oder mehr lieben, weil Liebe keine Quantität ist. Sie ist eine Qualität, und als solche ist sie nicht messbar.
Deine Frage zeigt, dass du noch nie die Liebe geschmeckt hast und versuchst, deine Lieblosigkeit hinter dem Verlangen: „Wie kann ich besser lieben?“ zu verstecken. Jemand, der die Liebe kennt, kann diese Frage nicht stellen. Man darf biologische Vernarrtheit nicht für Liebe halten; es ist Lust. Es gibt sie bei allen Tieren, daran ist nichts Besonderes; ja, sie existiert sogar bei den Bäumen. Das ist die Art und Weise, wie die Natur sich fortpflanzt. Es ist nichts Spirituelles und auch nicht speziell dem Menschen vorbehalten. Als Erstes musst du also ganz klar zwischen Liebe und Lust unterscheiden. Lust ist blinde Leidenschaft. Liebe ist die Ausstrahlung eines stillen, friedvollen, meditativen Herzens; sie hat nichts mit Biologie, Chemie und Hormonen zu tun.
Liebe ist der Flug deines Bewusstseins zu höheren Sphären, jenseits von Materie und Körper. Sobald du Liebe als etwas Transzendentes begreifst, ist Liebe nicht mehr die eigentliche Frage. Die eigentliche Frage ist: Wie kannst du den Körper transzendieren? Wie kannst du etwas in dir erfahren, was jenseits des Körpers ist – jenseits von allem Messbaren?
Das ist die Bedeutung des Wortes „Materie“. Es kommt von der Sanskritwurzel matra , die „Maß“ bedeutet; es bedeutet „das, was gemessen werden kann“. Das Wort „Meter“ stammt aus derselben Wurzel. Die eigentliche Frage ist also: Wie kannst du vom Messbaren zum Nichtmessbaren gelangen? Mit anderen Worten: Wie kannst du über die Materie hinausgelangen und deine Augen für ein höheres Bewusstsein öffnen? Für das Bewusstsein gibt es keine Grenzen – je bewusster du wirst, umso mehr erkennst du, wie viel mehr noch möglich ist. Kaum hast du einen Gipfel erreicht, taucht ein neuer Gipfel vor dir auf. Es ist eine ewige Pilgerreise.
Liebe ist die Begleiterscheinung eines wachsenden Bewusstseins. Sie ist wie der Duft einer Blume. Suche sie nicht in den Wurzeln, denn dort ist sie nicht. Deine Biologie, das sind deine Wurzeln, und dein Bewusstsein, das ist deine Blüte. Je mehr der Lotus des Bewusstseins sich in dir öffnet, umso mehr wirst du überrascht sein, wirst du verblüfft sein über eine ungeheure Erfahrung, die man nur Liebe nennen kann. Dann bist du so voller Freude, voll Glückseligkeit, dass jede Faser deines Wesens vor Ekstase tanzt. Du bist wie eine Regenwolke, die sich ausregnen und ergießen will. Sobald du von Glückseligkeit überströmst, taucht ein starkes Bedürfnis in dir auf, sie zu teilen. Dieses Teilen ist Liebe.
Liebe kannst du nicht von jemandem bekommen, der diese Seligkeit noch nicht erlangt hat. Und darin besteht das Unglück der ganzen Welt: Alle wünschen sich, geliebt zu werden, und alle tun so, als würden sie lieben. Aber du kannst nicht lieben, solange du nicht weißt, was Bewusstheit ist. Du hast keine Ahnung von satyam, shivam, sundaram – von der Wahrheit, der Erfahrung des Göttlichen und dem Duft der Schönheit.
Was hast du denn zu geben? Du bist so leer, so hohl. Nichts wächst in deinem Wesen, da ist kein Grün. Da sind keine Blumen in dir; dein Frühling ist noch nicht gekommen.
Liebe ist eine Nebenerscheinung. Der Frühling kommt und auf einmal fängst du zu blühen an, und deine Blüte öffnet sich und verströmt den Duft, der in dir geschlummert hat. Diesen Duft mit anderen zu teilen, diese Grazie, diese Schönheit zu teilen – das ist Liebe.
Ich will dir ja nicht wehtun, aber ich kann nicht anders, ich muss dir die Wahrheit sagen: Du hast keine Ahnung, was Liebe ist. Du kannst es nicht wissen, weil du bisher noch nicht tief genug in dein Bewusstsein eingedrungen bist. Du hast dich selbst noch nicht erfahren. Du hast keine Ahnung, wer du bist.
In dieser Blindheit, in dieser Unwissenheit, in dieser Unbewusstheit kann keine Liebe wachsen. Du lebst in einer Wüste. In dieser Dunkelheit, in dieser Wüste gibt es keine Möglichkeit, dass Liebe zum Erblühen kommt. Zuerst musst du voller Licht sein und voller Freude – so voll, dass du überfließt. Diese überfließende Energie ist Liebe. Dann wirst du Liebe als die höchste Vollkommenheit im Leben erfahren. Sie ist nicht mehr und nicht weniger als das.
Aber unsere ganze Erziehung ist so neurotisch, so psychisch krank, dass sie alle Möglichkeiten für inneres Wachstum zunichte macht. Vom ersten Atemzug an wird dir beigebracht, ein Perfektionist zu sein, und so wendest du deine perfektionistischen Ideen natürlich auf alles an – sogar auf die Liebe.
Kürzlich las ich diesen Satz: „Ein Perfektionist ist jemand, der sich um alles kümmert und damit den Kummer für andere vergrößert.“ Und das Ergebnis ist diese trübsinnige Welt, in der alle versuchen, perfekt zu sein.
Sobald jemand versucht, perfekt zu sein, erwartet er auch von allen anderen, dass sie perfekt sind. Dann fängt er an, andere zu verurteilen; er fängt an, andere herabzusetzen. So machen es seit jeher eure so genannten Heiligen, so machen es eure Religionen. Sie haben euer Dasein mit dieser Vorstellung von Perfektion vergiftet. Doch weil du nicht perfekt sein kannst, fühlst du dich schuldig und verlierst deine Selbstachtung.
Und jemand, der seine Selbstachtung verloren hat, verliert auch seine Menschenwürde. Sein Stolz ist gebrochen, seine Menschlichkeit durch schöne Worte wie Perfektion zerstört.
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