„Mein Pietro ist immer für mich da. Es gibt keinen besseren Mann. Er ist den ganzen Tag über an meiner Seite und lässt, wie Sie selbst es bereits an Ihrem ersten Tag bei uns erlebt haben, auch schon mal einen Gast warten, weil er mit meiner Pflege beschäftigt ist.“
Die alte Dame zeigte auf einen Stuhl. „Setzen Sie sich doch bitte, Pietros Espresso ist einmalig – ich verspreche Ihnen, wenn Sie zwei oder drei davon getrunken haben, wird die Welt für Sie wieder ganz freundlich aussehen.“
Petra fand Anna so sympathisch und offen, dass sie diese unverhoffte Einladung nicht ausschlagen konnte. Und sie musste gestehen, Pietros Espresso war, wenn auch recht bitter, doch ausgesprochen lecker. Kaum hatte Petra den ersten getrunken, stand auch schon der zweite vor ihr.
„Auf einem Bein kann man nicht stehen, sagt man das nicht so bei euch in Deutschland?“, grinste Pietro sie an.
Petra nickte und fühlte sich im gleichen Augenblick sehr leicht und frei.
„Nun, mein Kind, dann will ich Ihnen mal ein wenig von der Liebe erzählen“, begann Anna. „Den besten Mann der Welt habe ich. Doch gleich nach ihm kommt mein Neffe Matteo. Den haben Sie ja kennengelernt. Matteo ist ein feinfühliger Mann, der nur eine ebensolche Frau verdient hat. Dass er schon mal verheiratet war, wissen Sie sicherlich, oder?“ Anna sah Petra mit großen Augen an. „Ja, das wissen Sie“, gab sie sich gleich selbst die Antwort. „Mit Aurora. Gott hab sie selig ... diese alte Hexe.“ Sogleich bekreuzigte Anna sich und nickte Petra freundlich zu. „Verzeihen Sie meine Offenheit. Aber in meinem Alter und in meiner Situation redet man nicht mehr um den heißen Brei herum. Ich trete bald vor den Herrgott, da hat man fürs Schönreden keine Zeit mehr. Also zurück zu Aurora. Was hat Matteo Ihnen erzählt? Dass sie bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist? Ja, das ist sie. Und er hat erzählt, dass sie von der Fahrbahn gedrängt wurde von einem Betrunkenen. Ja, auch das hat er Ihnen gesagt, das sehe ich an Ihren Augen, liebe Petra. Das darf ich doch sagen ... Petra, oder?“
Die Angesprochene bejahte die Frage nur ganz kurz. Inzwischen hatte ihr Pietro den dritten Espresso serviert und sie fühlte sich mittlerweile sehr beschwingt. Was mochte nur das Geheimnis dieses umwerfenden Kaffees sein, der so fürchterlich bitter und scharf ... und dennoch irgendwie köstlich schmeckte?
„Nun, da hat Ihnen mein lieber Neffe nicht ganz die Wahrheit gesagt. Denn Aurora ist nicht von einem Betrunkenen von der Fahrbahn abgedrängt worden. Der Betrunkene hat selbst am Steuer gesessen und war Auroras Liebhaber. Und der Vater ihres Kindes, das sie unterm Herzen trug. Aurora und ihr Liebhaber waren auf dem Weg nach Milano, wo der feine Herr ein großes Appartamento unterhalb vom Dom gemietet hatte. Für sich, Aurora und das Kind, das sie erwartete. Meinen Neffen hatten die beiden erst zwei Wochen vorher davon in Kenntnis gesetzt, auch darüber, dass er gar nicht der Vater des Kindes war, auf das er sich nach zehn Jahren Ehe mit Aurora so sehr gefreut hatte. Kurzum: Auroras Liebhaber hatte vor der Fahrt nach Mailand einen überaus lukrativen Geschäftsabschluss gefeiert – er war Rechtsanwalt – und bei dieser kleinen Feier wohl den ein oder anderen Prosecco zu viel getrunken. Das hinderte ihn aber nicht daran, sich trotzdem ans Steuer seines schnellen Wagens zu setzen. Auf der Autobahn ist es dann passiert. Bei einem Überholmanöver kam der Wagen wegen erhöhter Geschwindigkeit und nasser Fahrbahn ins Schleudern und landete in der Leitplanke. Der Mann war sofort tot, Aurora starb wenige Tage später im Krankenhaus. Die Ärzte konnten Gott sei Dank das Leben des Ungeborenen retten. Aurora kam nur noch einmal kurz zu Bewusstsein. In diesem Moment nahm sie Matteo, der trotz alledem an ihrem Krankenbett verzweifelt wachte, das Versprechen ab, sich um ihr Kind zu kümmern, das nicht seines war. Und dieses Versprechen gab Matteo seiner sterbenden Frau, die er einst tatsächlich sehr geliebt hatte. Die kleine Giulia, die ja, weil sie ehelich geboren wurde, offiziell als Matteos Kind gilt, ist seit dem Tod von Aurora sein ganzer Lebensinhalt. Er hat seitdem nie wieder sein Herz einer anderen Frau geschenkt.“
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