Tja, und nun war es so weit – wir hatten endlich eine Katze. Einen Kater! Und was für einen Kater! Moritz war von Anfang an anders als andere Katzen. Er fraß kein normales Katzenfutter, sondern ließ sich mit Frischfleisch füttern, wenn ihm was nicht schmeckte, rümpfte er die Nase und man konnte sein „Bäääääh, igitt, DAS soll ich essen?“ förmlich hören.
Schnell hatte er uns im Griff und wurde von vorne bis hinten verwöhnt. Wir fütterten ihn mit der Hand, schnitten das Fleisch so klein, damit er es auch mit seinen zarten Zähnchen essen konnte. Wir liebten ihn! Alle liebten ihn! Und wir waren froh, dass wir ihn hatten.
Viele Jahre voller Kuscheleinheiten und gemeinsamem Auf-dem-Boden-Liegen kamen auf uns zu. Es war eine herrliche Zeit! Wir sprachen mit Moritz fast wie mit einem Menschen und es machte den Anschein, als wenn er uns wirklich verstand. Wir zogen in eine andere Stadt, Moritz zog mit – wir zogen nochmals um, er kam mit. Immer war er da! Wenn ich von der Schule nach Hause kam, wenn ich abends ins Bett gehen musste. Und auch wenn ich morgens aufwachte. Selbst wenn ich nachts aufwachte, war er da. Moritz lag eingerollt auf meiner Decke und schnurrte.
Moritz stieg tagsüber in sämtliche Kartons, die wie von Zauberhand in unsere Wohnung kamen – Milchkartons. Aber die wurden bei uns nicht gefaltet und in das Altpapier gegeben, nein, bei uns lag ein kleines rotes Knäuel drin und schnurrte. Natürlich lag auch eine Decke unter dem Kater, er sollte es ja gemütlich haben! Den ganzen Tag lag er irgendwo rum und schlief. Und immer wenn jemand an ihm vorbeiging, hob er sein kleines rotes Köpfchen und schaute uns mit seinen kleinen Knopfaugen an.
Manchmal „sprach“ er auch mit uns. Zumindest hörte es sich so an, er antwortete mit Mauz-Geräuschen, wenn er gefragt wurde, ob er denn hungrig sei. Und wenn er im Garten gewesen war und wieder hineinwollte, mauzte er so lang, bis ihn jemand zur Haustür hineinließ. Er ging nicht durch seine Katzenklappe im Keller, nein, er mauzte. Und wenn einer von uns es sich auf dem Sofa gemütlich machte, machte Moritz es sich dort auch gemütlich und forderte seine Streicheleinheiten ein. Wie eine anständige Katze das macht, fing er auch ab und zu mal eine Maus. Diese fraß er aber nicht auf, nein – er brachte sie als „Geschenk“ zu uns ins Haus. Das freute nicht unbedingt alle, war aber so.
Ich erzählte dem Kater alles, was mich bedrückte. Alles! Und er? Er hörte mir aufmerksam zu und ich hatte immer das Gefühl, dass er mich verstehen würde. Wenn ich traurig war, kuschelte ich mich an ihn. Wenn ich fröhlich war, kuschelte ich mich an ihn. Wenn ich Langeweile hatte, spielte ich mit ihm. Das Schönste war, dass er es scheinbar schon immer fünf Minuten früher wusste, wenn ich nach Hause kam – er stand oft schon an der Tür, wenn ich reinkam, und freute sich, wenn er mich sah. Es war einfach herrlich, ihn zu haben!
Und natürlich dachte ich gar nicht daran, dass es irgendwann anders werden könnte. Doch es kam, wie es kommen musste, irgendwann war Moritz so alt geworden, dass er eines Tages nicht mehr die Kraft hatte weiterzuleben, und wir mussten uns von ihm verabschieden.
Tagelang waren wir unglücklich, auch Monate später verging kein Tag, an dem ich nicht an ihn dachte. Und kein Tag endete, ohne dass ich meinen Freundinnen erzählt hatte, wie schrecklich ich mich fühlte. Manchmal musste ich unaufhörlich weinen. Manchmal musste ich es jedem erzählen, dass es ihn nicht mehr gab. Und stell dir vor, alle wussten, wie es mir ging, denn alle hatten schon mal ein Haustier verloren. Leonie erst kürzlich ein Meerschweinchen, Lara einen sprechenden Papagei und Linda ... Linda hatte sogar schon zwei Katzen nicht mehr nach Hause kommen sehen.
Ein anderes Mal musste ich mir stundenlang die alten Fotos von Moritz anschauen und weinte bitterlich. Am nächsten Tag ging es mir nur gut, wenn ich das Thema Haustier komplett ignorierte. Und immer dachte ich, er würde gleich durch die Tür kommen und sich neben mich legen. Aber er würde niemals wieder kommen. Niemals wieder in meinem ganzen Leben wollte ich mir ein Tier ins Haus holen. Zu schmerzhaft war es, dieses zu verlieren.
Und heute? Heute habe ich einen kleinen, flauschigen weißen Hund und freue mich über jeden Tag, den wir miteinander verbringen können. Und ich weiß, dass er es gut bei mir hat. Und ich weiß, dass es irgendwann kommen wird, wie es kommen muss. Aber ich will deshalb nicht auf die schönste Zeit meines Lebens verzichten. Und ich glaub, er auch nicht!
Und weißt du was? Manchmal habe ich das Gefühl, als wenn die Seele meines alten Katers in meinem Hund steckt. Sie sind sich vom Wesen her so verblüffend ähnlich, dass ich oft verwundert bin. Wenn ich traurig bin, kuschel ich mich an ihn und erzähle ihm, was ich auf dem Herzen habe. Wenn ich irgendwo sitze, kommt er sofort angeflitzt und setzt sich zu mir, schaut mich mit seinen kleinen Knopfaugen an und guckt verständnisvoll. Und wenn ich nach Hause komme, steht er schon erwartungsvoll an der Tür und freut sich, wenn ich reinkomme.
Und noch was „Lustiges“: Mein Hund frisst kein Hundefutter, er frisst nur Fleisch, das wir extra für ihn kochen und mit Gemüse verfeinern. Und wenn man ihm doch mal was anderes hinstellt, kann man das „Bäääääh, igitt, DAS soll ich essen?“ förmlich hören. Nur kleine Mäuse bringt er mir nicht. Und darüber bin ich echt froh!
Wenn ich heute an meinen Kater Moritz zurückdenke, möchte ich keinen einzigen Tag missen. Es war eine sehr schöne Zeit! Und ja, es war schwer, ihn zu verlieren, aber zu wissen, dass er es gut bei uns hatte und sein Leben genießen konnte, macht es leichter. Heute sind es einfach nur noch schöne Erinnerungen. Und ich sitze auf meinem Sofa, meinen kleinen, flauschigen Hund auf meinem Schoß, und erinnere mich gerne an die vielen kuscheligen Stunden mit meinem Kater zurück.
Und wer weiß schon, ob nicht doch ein kleines Stück des Katers in meinem Hund zu finden ist? Ein schöner Gedanke.
Yasmin Mai-Schoger wurde 1970 in Niedersachsen geboren und wohnt seit ihrem Studium mit ihrer Familie in Baden-Württemberg. Die Autorin schreibt Gedichte und Märchen für Kinder und Erwachsene; die Geschichten über die Harznoks stammen aus ihrer Feder – zurzeit schreibt sie an einem lustigen Theaterstück.
*
Freunde vergessen einander nie
„Theo geht es sehr schlecht“, sagte die Tierärztin vorsichtig und sah dabei meiner Mama ins Gesicht. Dann fuhr sie fort und ich bemerkte, dass ihr Blick dabei über mein Gesicht huschte. „Ich denke, es gibt jetzt nur noch eines, was wir für ihn tun können.“
Mir schossen Tränen in die Augen. Meine Mama hatte mir zu Hause gesagt, dass es sein könnte, dass Theo heute eingeschläfert werden müsste. Sie hatte mir erklärt, was das bedeutete, aber bis eben hatte ich es nicht verstanden. Jetzt verstand ich es. Ich fühlte die Tränen in dicken Rinnsalen über meine Wangen laufen und von meinem Kinn tropfen. Theo war doch mein Freund!
Die Tierärztin wandte sich mir zu. „Wie heißt du?“, fragte sie mich.
„Emily.“
In diesem Ton, den Erwachsene benutzten, wenn sie mit Kindern redeten, sagte sie dann: „Weißt du, Emily, Theo ist sehr krank.“ Ich nickte. Das hatte ich schon gewusst und Mama hatte das auch gesagt. Nach einem kurzen, fragenden Blick zu meiner Mama fuhr die Tierärztin fort: „Theo hat Schmerzen. Du hast bestimmt zu Hause gesehen, dass es ihm nicht gut geht, oder?“
„Er hat Krebs“, sagte ich und fühlte eine weitere Träne auf mein T-Shirt tropfen.
Die Tierärztin nickte. Dann fuhr sie fort: „Wir haben eine ganze Weile versucht, ihm zu helfen und ihm sein Leben so schön wie möglich zu machen. Aber jetzt geht es nicht mehr. Weißt du, was das bedeutet?“
Ich biss mir auf die Unterlippe. „Wir werden ihn einschläfern“, presste ich mit zitternder Stimme hervor. „Wir müssen das für ihn tun. Mama sagt, es wäre nicht fair, wenn wir zuließen, dass er weiter so schlimme Schmerzen hat, nur damit wir ihn noch eine Weile bei uns haben können.“ Jetzt liefen die Tränen so schnell aus meinen Augen, dass ich nichts mehr sehen konnte.
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