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Insel der verlorenen Träume
Karin Waldl
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Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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© 2018 – Papierfresserchens MTM-Verlag GbR
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Alle Rechte vorbehalten.
Erstauflage 2018
Lektorat: Melanie Wittmann
Cover unter Verwendung von Bildern von Adobe Stock (lizenziert)
© Nikolai Sorokin, © Maksim Šmeljov
Die Bibelstellen sind der Übersetzung Hoffnung für alle® entnommen, Copyright © 1983, 1996, 2002, Inc.™. Verwendet mit freundlicher Genehmigung des Brunnen Verlags
Herstellung: Redaktions- und Literaturbüro MTM: www.literaturredaktion.de
ISBN: 978-3-96074-029-2 – Taschenbuch
ISBN: 978-3-96074-194-7 – E-Book
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Inhalt
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Für meine Mutter, die meiner Familie und mir immer
zur Seite steht,
und meinen Vater, der uns schon vorausgegangen
ist in die unendliche Herrlichkeit Gottes.
Psalm 147,3
Er heilt den, der innerlich zerbrochen ist, und verbindet seine Wunden.
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Die Sonne hatte ihren Höchststand erreicht und schien mit voller Leuchtkraft über das satte Grün des Sommers hinweg. Es duftete herrlich nach frischem Gras und wohlriechenden Blumen. Ein spielender Junge unterbrach für einen Moment seinen kurzweiligen Zeitvertreib und blickte in das helle, wärmende Rund am Himmel. Es fühlte sich so an, als lächelte ihm die Sonne freundlich ins Gesicht. Der Fünfjährige grinste schelmisch zurück, ließ das angenehme Sonnenlicht unbewusst bis in sein unbekümmertes Kinderherz scheinen.
Im nächsten Augenblick genoss er es wieder, in der weichen Wiese mit seinen Autos zu spielen. Sein roter Flitzer, den er Feuerblitz nannte, machte sich für ein Rennen mit dem blauen Sportwagen namens Eissturm bereit. Beide gingen in Startposition. Die Motoren heulten auf, ehe sie mit quietschenden Reifen in Richtung Ziel davonrasten. Mit unterschiedlichen Autogeräuschen untermalte der Junge das Streckenszenario, ehe Eissturm einen unvorhergesehenen Unfall hatte. Bumm, es krachte! Die Autoteile flogen in alle Richtungen. Damit war Feuerblitz endgültig der Sieger des Duells, die Menge tobte und rief dem Gewinner lautstark ihr Jubelgeschrei zu.
Mitten in dem Sturm des Applauses schaute ein Mann über den Gartenzaun. „Ich liebe Autogeschichten“, sagte er freundlich.
Der Kleine sah ihn mit geweiteten Augen für einen kurzen Moment an und drehte sich dann wieder abrupt um. Seine Mutter hatte ihm gesagt, er sollte nicht mit Fremden sprechen. So wandte er dem Mann ohne schlechtes Gewissen den Rücken zu.
„Oh, Entschuldigung! Ich habe dir gar nicht gesagt, wie ich heiße. Mein Name ist Elias.“
Der Junge wandte sich nach kurzem Zögern erneut erstaunt dem Zaungast zu. Irgendetwas kam ihm in seinem Gesicht bekannt vor. Er hatte schöne dunkle Augen, genauso wie seine eigenen. Aber das Merkwürdigste an der Sache war der Vorname des fremden Mannes.
„Ich heiße auch Elias“, sagte der Kleine zaghaft.
„Ich weiß, ich kenne deine Mama von früher.“
„Echt? Aber sie hat noch nie über einen anderen Elias gesprochen.“
Die Direktheit des Kindes traf den erwachsenen Elias mitten ins Herz, Traurigkeit umfing ihn, aber er konnte nichts an dieser Situation verändern.
„Elias, mit wem sprichst du?“, kam es von der Haustür. Die Mutter des Jungen stand in ermahnender Körperhaltung im Türrahmen, ehe sie den unerwarteten Besucher erkannte. „Elias, was machst du hier?“, rief sie zu ihrer eigenen Überraschung erfreut.
Der Kleine, der sich persönlich angesprochen fühlte, antwortete: „Aber ich war doch die ganze Zeit da, Mama.“
Die Mutter musste lachen. „Nicht du, mein Schatz. Ich meine den anderen Elias.“ Sie eilte zu dem Mann am Zaun. „Ich kann es nicht glauben, ich dachte, wir sehen uns nie wieder.“
„Ich musste dich sehen, ich hielt es nicht mehr aus. Lass uns bitte reden.“
Der kleine Elias blickte fragend zu den beiden auf, wurde aber nicht beachtet. Vor allem die Unsicherheit seiner Mutter machte ihn stutzig.
„Ja, komm, wir trinken einen Kaffee auf der Terrasse“, sagte sie schließlich. Sie öffnete dem Gast die Gartentür und wandte sich an ihren Sohn: „Geh und spiel mit deinen Schwestern.“
„Muss das sein?“, bekundete der Junge sein Unbehagen über die schnelle Beendigung seines Spiels.
„Ja, Elias, ich habe mit dem Herrn etwas zu besprechen. Erwachsenenkram!“
„Na gut.“ Missmutig schnappte er sich seine Autos und zog in Richtung Haus ab.
*
„And nothing else matters“, dröhnte das Lied der Metalband Metallica aus den Boxen der schmuddeligen und dreckigen Kneipe. Der Lärm war ohrenbetäubend. In der Ecke lehnten ein paar ungepflegte, langhaarige Gestalten, die gelangweilt vor sich hin starrten. Es schien, als würden sie zum schmutzigen Inventar gehören und immer dort ihren Platz einnehmen wie ein paar verstaubte Statuen aus Stein, die niemals jemand abwischte und sorgfältig reinigte. Sie bewegten sich nur ab und zu, um an ihren Biergläsern zu nippen oder ein sinnloses, aus dem Zusammenhang gerissenes Wort zu grunzen.
Elias stellte sein leeres Whiskeyglas auf den Tresen, der mit unschönen, schwarzen Kerben von den Messern der Angetrunkenen vergangener Tage übersät war. Seine Hand blieb an dem ekelhaften Holz kleben, was ihm in seinem Zustand jedoch nicht mehr auffiel.
„Noch einen“, lallte er dem Wirt zu, der im dreckigen Unterhemd vor ihm stand, mit verfilzten, ungewaschenen Haaren und speckig glänzendem Gesicht.
Dieser schnappte sich einen graubraunen Fetzen, der bestimmt irgendwann einmal weiß gewesen war, und wischte das Glas aus, ehe er es mit der hochprozentigen Flüssigkeit auffüllte. Elias schnappte sich den Alkohol und verschüttete durch seine unkontrollierten Bewegungen ein Drittel auf seinen teuren Anzug, der so gar nicht in diese fragwürdige Umgebung passte, ehe er den Rest in sich hineinkippte.
Laut grölend und keinen Ton treffend sang er: „And nothing else matters ...“
Die Typen in der Ecke bewegten sich kurz aus ihrer selbst gewählten Starre, um die Veränderung in Elias’ Verhalten mit einem Angst einflößenden, tiefen Lachen zu bekunden.
Übermütig kletterte Elias auf den zerschlissenen Barhocker.
„Hey, Bursche, runter da! Zeit zum Heimgehen“, forderte der Wirt ihn nachdrücklich auf.
Doch Elias war heute alles egal, er ignorierte die strengen Worte. Stattdessen spielte er Luftgitarre, was den komischen Gestalten ein weiteres tiefes Gelächter entlockte. Er drehte sich im Kreis und ließ die erdachte Gitarre am Boden zerschmettern. Fast hätte er dabei das Gleichgewicht verloren, aber das spornte ihn noch mehr an, etwas vollkommen Unüberlegtes zu tun. Ohne seine eigenen Grenzen richtig einzuschätzen, sprang er in Richtung Lampenschirm, der zerfetzt und verstaubt an der Decke montiert war. Wie ein Affe versuchte er sich an ihn zu hängen, um sich daran elegant herunterzuschwingen. Ein gelungener Showdown für seine Vorstellung. Dabei vergaß er, dass heute keine Eleganz und Ruhmeshymnen mehr für ihn übrig waren bei der Menge an Alkohol, die er in sich hineingeschüttet hatte.
Kaum hatte er den Leuchtkörper in Händen, riss er knirschend und bröckelnd aus der Decke. Mit schmerzverzerrtem Gesicht landete Elias rücklings am Boden, der Lampenschirm krachte mit aller Gewalt auf ihn und der Putz der Decke rieselte als Draufgabe herab. Die finsteren Gestalten sprangen von ihren Sitzplätzen in die Höhe. Aber das bemerkte Elias nicht mehr, Dunkelheit hüllte ihn ein. Die Welt um ihn herum wurde schwarz.
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