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Worte verletzen ... und Schweigen tötet
Psychothriller
Karin Waldl
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Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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© 2020 – Herzsprung-Verlag
Mühlstraße 10, 88085 Langenargen
Alle Rechte vorbehalten.
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.
Lektorat und Herstellung: CAT creativ Redaktions- und Literaturbüro
ISBN: 978-3-96074-371-2 - Taschenbuch
ISBN: 978-3-96074-372-9 - E-Book
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Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Die Schönheit im Spiegel ihrer Seele
Kapitel 3
Stille
One time 1
Kapitel 4
Sterbende Sehnsucht
Kapitel 5
Geliebt bis in den Tod
One time 2
Kapitel 6
Der Weisheit letzter Schluss
Kapitel 7
Das tödliche Reich der Menschlichkeit
One time 3
Kapitel 8
Der Mord
Kapitel 97
Von der Dunkelheit ins Licht
Epilog
Nachwort und Dank
Die Autorin
Buchtipp
Impressum
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Für meinen herzlichen Bruder Wolfram
und seine liebe Frau Elisabeth: Gott segne euch.
Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit: eine Zeit zum Gebären und eine Zeit zum Sterben, eine Zeit zum Pflanzen und eine Zeit zum Abernten der Pflanzen, eine Zeit zum Töten und eine Zeit zum Heilen, eine Zeit zum Niederreißen und eine Zeit zum Bauen, eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen, eine Zeit für die Klage und eine Zeit für den Tanz, eine Zeit zum Steinewerfen und eine Zeit zum Steinesammeln, eine Zeit zum Umarmen und eine Zeit, die Umarmung zu lösen, eine Zeit zum Suchen und eine Zeit zum Verlieren, eine Zeit zum Behalten und eine Zeit zum Wegwerfen, eine Zeit zum Zerreißen und eine Zeit zum Zusammennähen, eine Zeit zum Schweigen und eine Zeit zum Reden, eine Zeit zum Lieben und eine Zeit zum Hassen, eine Zeit für den Krieg und eine Zeit für den Frieden. (Koh 3, 1-8)
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Ich versuchte, meine geröteten und verweinten Augen zu öffnen, es gelang mir aber nicht, zu viel erdrückende Schwere lag auf ihnen. Das grelle Licht blendete mich zusätzlich schmerzhaft, ich konnte rein gar nichts sehen. Ich wollte mich bewegen, ich sollte bereits weit weg von hier sein, scheiterte abermals kläglich bei dem Versuch, vom Fleck zu kommen.
Ich war bei meiner Flucht durch den Wald gestolpert. Die peitschenden Äste der Bäume schlugen nach mir, ich war den Hang hinuntergestürzt, hatte mich mehrfach überschlagen, ehe ich hier verletzt zum Liegen kam. Mein Körper war am Ende, ich konnte nicht mehr weiter, sosehr ich es auch versuchte. Jeder Muskel meines Körpers tat mir weh, sie versagten mir ihren Dienst, ich kam nicht wieder in die Höhe.
Beklemmende Verzweiflung machte sich wie ein dunkler Schatten in mir breit, kroch mir eiskalt in mein verkrampftes Herz. Panisch versuchte ich es immer noch, zu fliehen, aber meine Beine gehorchten mir einfach nicht. Ich war nicht mehr Herr über mich selbst, musste mich meinem unausweichlichen Schicksal demütig fügen. Ich hörte bereits die bellenden Hunde, sie waren unaufhaltsam hinter mir her. Sie kamen, um mich zu holen, durch meine Hilflosigkeit hatten sie leichtes Spiel. Ich war ihnen schutzlos ausgeliefert. Sie würden mich hier wegbringen, einsperren und mich nie wieder freilassen. Hinter dicken Eisengittern würde meine klägliche Existenz in Zukunft verborgen bleiben.
Denn sie würden niemals fühlen, was ich fühlte. Sie würden alles, was ich sage, rücksichtslos ignorieren. Ich wusste, sie hatten kein Mitleid mit mir, keiner konnte verstehen, was in mir vorging. Keiner würde erahnen, wie es tief in mir aussah. Wer konnte schon nachempfinden, welch unerträglichen Weg ich hinter mir hatte?
Die Panik ließ neuen Lebensmut in mir aufsteigen, ich musste, so schnell es ging, weg von hier. Mich im verborgenen Schatten der Menschheit verstecken, da, wo mich keiner fand, für immer. Aber meine Verletzungen vom Sturz waren zu schwer. Die letzten Tränen waren bereits geweint über meine endgültige Situation. Sie waren bereits da, ich konnte ihren Atem hören. Wie dunkle Herrscher standen sie mit ihren Hunden um mich herum, ihre Köter gierten nach meinem Blut, aber sie wurden zurückgehalten. Fast erwartete ich, dass sie die wolfsähnlichen Tiere doch losließen und sich ihre Zähne schmerzhaft in mein Fleisch dringen würden wie scharfe Messerstiche. Aber es geschah nicht, mein Körper gab das letzte Bewusstsein auf, ich fiel in die unendlichen schwarzen Tiefen einer Ohnmacht. Dumpf hörte ich noch die Worte, die sie sagten: „Wir haben die Bestie gefangen.“
Dann hüllte mich die Schwere der Dunkelheit endgültig ein. Ich hatte das Spiel verloren. Gewinnen war in meinem Leben nicht so vorgesehen, wie es die Gesellschaft mit ihren Normen und ihrer Moral vorgab. Es war gut, dass sie nichts wussten von meinem wahren Gewinn. Stolz erreichte mich in Gedanken die unmittelbare Erinnerung, die mich in die Flucht trieb, ich blickte auf meine blutverschmierten Finger und wusste nur zu gut, dass es nicht mein eigenes Blut war, das an meinen Händen klebte.
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„Ich frage Sie jetzt zum wiederholten Male. Wie heißen Sie?“, fragte die Psychologin eindeutig genervt.
„Emilia“, antworte ich so wie immer fast tonlos.
„Und Ihr Nachname?“, bohrte sie weiter nach und strafte mich mit ihrem strengen Blick.
„Ich habe keinen Nachnamen, nicht mehr“, sagte ich ruhig und gelassen.
„In Ihrer Geburtsurkunde steht aber, dass Sie Klein heißen – Emilia Klein“, gab mein Gegenüber nicht auf, obwohl wir uns im Kreis drehten.
„Ich kenne diesen Namen nicht“, antwortete ich genauso gefühllos, wie ich es in den zwei Jahren zuvor auch getan hatte.
„So kommen wir kein bisschen weiter, wenn Sie alles leugnen, was mit Ihrer Person zu tun hat“, bemerkte die Psychologin, während sie mit dem Bleistift nervös auf den Tisch klopfte.
Ich schaute sie lange an, starr blickte ich in ihre grünen Augen. Sie war eine durchaus attraktive Frau mit sehr gleichmäßigen Gesichtszügen und immer sehr gekonnt geschminkt. Ihre roten Haare passten perfekt in das Bild einer Frau, die unwiderstehlich zu sein schien in der Männerwelt. Aber das waren natürlich nur Vermutungen, denn ich kannte sie nur von meinen Therapiegesprächen, die mir rein gar nichts brachten, zu denen ich aber verpflichtet wurde. Wenn ich die Wahl hätte, würde ich nicht herkommen. Deshalb genoss ich es innerlich, dass Frau Dr. Gabriel bei mir kein Stück weiterkam. Es fühlte sich wie ein kleiner Triumph an in diesem von mir nicht gewählten Leben. Sie würde mich sowieso nicht verstehen, deshalb versuchte ich es auch nicht. Sie konnte bei mir liebend gerne weiterhin auf Granit beißen. Innerlich schloss ich bereits Wetten mit mir selbst ab, wie lange sie das noch mitmachen würde, bevor sie endgültig aufgab und meinen Fall als nicht therapierbar zu den Akten legte. Aber momentan dachte sie anscheinend noch nicht daran, wahrscheinlich stand ihr guter Ruf auf dem Spiel.
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