Julia Thurm - Der Moment, der alles änderte

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Als Katie eine mysteriöse Halskette auf dem Dachboden findet, dreht sich ihr Leben um 180 Grad. Menschen werden getötet und eine lebensgefährliche Jagd zwischen ihr und ihren Freunden, dem FBI und den Aussätzigen beginnt.

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Die Kette war aus Leder, der runde silberne Anhänger hatte ein Loch in der Mitte. Als ich ihn mir genauer ansah, entdeckte ich, dass auf der Oberfläche etwas eingraviert worden war.

CHPFFRBSLNY.

„Was soll das denn heißen?“, raunte ich grübelnd.

Nachdem ich mir eine Weile den Kopf zerbrochen hatte und zu keinem Ergebnis gekommen war, beschloss ich, die Sache zunächst ruhen zu lassen. Seufzend legte ich Foto und Halskette in eine Schublade meines Nachttischchens, verließ mein Zimmer und ging in die Küche zu meiner Schwester.

„Mal schauen, wie sie sich anstellt“, dachte ich grinsend.

*

4

Als es draußen noch dunkel war, wachte ich auf. Sofort fielen mir das Foto und die Halskette ein. Unruhig und grübelnd wälzte ich mich im Bett hin und her, bevor ich verschlafen einen Blick auf den Wecker warf: Es war erst vier Uhr. Ich öffnete die erste Schublade meines kleinen Nachtschränkchens und holte meinen Fund vom Vortag heraus.

Wieder stellte ich mir die gleichen Fragen: Wer war dieser Mann auf dem Foto? Wieso hing die Kette daran und was sollte CHPFFRBSLNY bedeuten? War das ein Code für ein geheimes Schließfach oder die Abkürzung eines Namens oder einer Firma, die die Kette hergestellt hatte? „Das wäre aber ein ziemlich langer Name“, dachte ich ironisch.

Immer wieder wälzte ich die gleichen Fragen in meinem Kopf hin und her, doch nach einer Weile schlief ich über diesen Gedanken erneut ein.

Als ich ein paar Stunden später, etwa um neun Uhr, auf dem Bauch liegend erwachte, fiel mein Blick sofort auf die offen stehende Schublade. Dann der kurze, aber wirkungsvolle Schock: Das Foto und die Kette waren verschwunden!

Als ich hektisch aufstehen wollte, um danach zu suchen, bemerkte ich, dass ich Kette und Foto unter mir begraben und seelenruhig darauf geschlafen hatte. „Puh, und ich dachte schon ...“, entfuhr es mir erleichtert. Vorsichtig legte ich meine Fundstücke zurück in die Schublade, zog mich an und ging in die Küche, um zu frühstücken.

Meine Schwester schien ebenfalls gerade erst aufgestanden zu sein. „Morgen, na, gut geschlafen?“, begrüßte sie mich gut gelaunt.

„Ja, ganz okay, und du?“, brummelte ich ihr entgegen.

„Sehr gut sogar“, strahlte sie. Schon seltsam, dass meine Schwester um neun Uhr morgens so gute Laune hatte. Nun kam auch Spike und begrüßte mich mit viel Hundegesabber und freudigem Schwanzwedeln. Als ich mir einen Schokotoast machte und die Milch aus dem Kühlschrank holte, roch es plötzlich ziemlich seltsam.

„Igitt! Was ist das denn?“, fragte ich Christin geschockt.

Meine Schwester lief zum Kühlschrank. „Ach, das ist der Fruchtcocktail, den ich gestern gemixt habe.“

„Was ist denn da alles drin?“ Angewidert rümpfte ich die Nase.

„Alles Mögliche“, antwortete Christin ausweichend.

„Ja, so riecht es und sieht es aus“, meinte ich, als ob ich die Antwort meiner Schwester schon erwartet hätte. Ich schüttelte den Kopf, nahm die Milch und schüttete sie in ein Glas.

Da legte meine Schwester plötzlich etwas Papierenes auf den Tisch, das ich nur aus den Augenwinkeln wahrnahm. „Was ist das?“, fragte ich neugierig.

„Eine Broschüre deiner neuen Schule.“

„Was?!“ Völlig überrumpelt starrte ich auf den Prospekt. Die New Yorker Friedensschule, eine Schule für Problemkinder, stand ganz oben.

„Ich hab schon angerufen und ab morgen besuchst du dort den Unterricht“, teilte mir Christin mit.

„Was, ab morgen schon? Was soll das überhaupt? Ich bin doch kein Problemkind!“, widersprach ich.

„Keine Diskussion! Außerdem hätte dich keine andere Schule mehr aufgenommen. Du weißt selbst am besten, was du angestellt hast, dass ich dich nun auf so eine Schule schicke.“

„Vergiss es, da geh ich nicht hin!“

Doch Christin reagierte nicht mehr darauf, sondern wechselte das Thema. „Nach dem Frühstück gehst du bitte mit Spike Gassi.“

Ich wollte noch einmal zu protestieren anfangen, unterließ es aber, als ich den entschlossenen, keinen weiteren Widerspruch duldenden Gesichtsausdruck meiner Schwester bemerkte. „Ja, mache ich“, murmelte ich stattdessen genervt und wandte mich meinem Frühstück zu.

Wie immer waren Spike und ich auf dem Weg zum Saint Mary’s Park, der nicht weit von zu Hause entfernt lag. Aus purer Neugier machte ich einen kleinen Umweg an meiner alten Schule vorbei, in der Hoffnung, vielleicht Drake über den Weg zu laufen. Was eigentlich ziemlich unwahrscheinlich war, denn es war 10.15 Uhr und Mittagspause war erst um 12.10 Uhr. Also spazierte ich weiter in Richtung Park, wo ich Spike auf der Hundewiese von der Leine nahm und mit ihm Fangen und Hol-das-Stöckchen spielte. Wir waren beinahe völlig alleine, denn vormittags war hier noch nicht viel los.

Nach zwei Stunden intensiven Spielens und Kuschelns wurde es Zeit, nach Hause zu gehen. Wieder machte ich den Umweg an meiner alten Schule vorbei. Ich wusste nicht genau, was ich mir davon erhoffte, aber ich hatte so ein Gefühl, dass es richtig war, diesen Weg zu nehmen. Immerhin war es jetzt 12.06 Uhr. Also, warum nicht?

Kurz vor dem Schulgelände blieb ich stehen. Nachdem ich einige Minuten vor mich hin starrend dort verweilt hatte, wollte ich weitergehen. Doch dann entdeckte ich das, was ich zu sehen gehofft hatte: Drake. Mich ihm nähern durfte ich nicht, denn es war mir nicht erlaubt, das Schulgelände zu betreten. Aber seit wann hielt ich mich an Regeln?

Als ich gerade auf ihn zusteuern wollte, sah ich das, was ich nicht zu sehen gehofft hatte: Amy. Sie stolzierte auf Drake zu und fing an, ihn zu bequatschen. Doch das war nicht alles, denn plötzlich hielten die beiden Händchen und küssten sich innig.

Autsch! Das tat weh.

„Nur Freunde ... Alles klar“, murmelte ich verletzt. Das war zu viel für mich. Ich hastete weiter, immer noch völlig geschockt von dem, was ich eben gesehen hatte.

Als ich zu Hause angekommen war, bemerkte ich, dass meine Schwester nicht da war. Am Kühlschrank hing ein gelber Zettel.

Bin bei einem Bewerbungsgespräch. Komme in etwa einer

Stunde wieder.

Die Arme! Sie hatte schon so viele Absagen bekommen und gab trotzdem nicht auf. Wenn das mal kein Arbeitswille war!

Ich setzte mich auf die Couch und schaltete den Fernseher ein. Spike legte sich zu mir und schmiegte sich an mich.

„Komisch, das machst du doch normalerweise nur abends, Spike“, meinte ich ziemlich verwundert. Wahrscheinlich merkte er, dass mich die Sache mit Drake und Amy doch ziemlich mitgenommen hatte, und wollte mich trösten.

Ich zappte mit der Fernbedienung durch einige Sender, bis ich bei CNN landete. Dort lief gerade ein Bericht von der Wall Street, wie es um den Börsenmarkt stand. Doch das interessierte mich nicht, ich war in andere Gedanken vertieft. Mir fiel auf, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben keinerlei Emotionen gezeigt hatte, obwohl ich sonst ständig wütend war und schnell ausrastete. Jedenfalls war dies seit dem Unfall, bei dem meine Eltern gestorben waren, so gewesen.

Damals, vor etwa zehn Jahren an einem sonnigen Sommertag, spielten meine Schwester und ich im Saint Mary’s Park ausgelassen miteinander. Wir hatten sehr viel Spaß. Irgendwann rief meine Mom auf Christins Handy an und forderte uns auf, nach Hause zu kommen, da es schon spät wäre. Wir packten unsere Sachen zusammen, und da es nicht weit war, brauchten wir nicht lange für den Weg.

Es war ein völlig normaler Tag. Wir aßen alle gemeinsam zu Abend, danach durften Christin und ich noch ein wenig fernsehen.

Um 20 Uhr brachte mich Mom ins Bett und sagte zu mir: „Schlaf jetzt schön, mein Schatz, denn morgen machen wir zusammen einen Ausflug und dafür musst du ausgeruht sein. Okay?“ Sie gab mir einen Gutenachtkuss und verließ das Zimmer.

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