LUNATA
Der Mann, der seinen Namen änderte
Der Mann, der seinen Namen änderte
Kriminalroman
© 1927 by Edgar Wallace
Originaltitel The Man who was Nobody
Aus dem Englischen von Ravi Ravendro
© Lunata Berlin 2020
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Deinen Baron hast du dir ja nun glücklich erobert! Was hältst du denn jetzt von ihm?« fragte Javot und schaute sich mit einem zynischen Lächeln um.
Der verhältnismäßig kleine Gesellschaftsraum in Almas Wohnung bot ein Bild vollkommener Unordnung. Die Möbel waren an die Wände gerückt, um mehr Raum für die Tanzfläche zu schaffen. Einer der silbernen Armleuchter hing schief, weil ihn ein angetrunkener Gast in seinem Übermut verbogen hatte, und eine große, kostbare Vase mit weißem Flieder war umgeworfen worden. Die welken Blumen lagen zwischen den Porzellanscherben in einer Wasserlache auf dem Boden. Mit schrillem, metallischem Ton spielte ein Schallplattenspieler einen Twostep. Mehrere Paare tanzten mit etwas unsicheren Schritten nach der abgehackten Melodie, die ab und zu von der ausgelassenen, lauten Unterhaltung und dem Gelächter übertönt wurde. Der Sekt hatte seine Wirkung getan; selbst die Damen kicherten und sprachen hemmungslos.
Die hübsche Frau, die neben dem Schauspieler Javot stand, sah zu einem jungen Herrn hinüber, der mit hochrotem Gesicht den Versuch machte, auf den Händen zu stehen. Ein Freund, der nicht nüchterner zu sein schien als der Amateurakrobat, feuerte ihn durch laute Zurufe an.
Alma Trebizond hob die Augenbrauen leicht und warf Javot einen merkwürdigen Blick zu.
»Wenn man kein Geld hat, kann man eben nicht lange wählen«, erwiderte sie nachdenklich. »Großen Eindruck kann ich ja nicht mit ihm machen, aber er ist ein Baron von altenglischem Adel und hat ein jährliches Einkommen von vierzigtausend Pfund. Das fällt doch ins Gewicht.«
»Vergiß nicht das berühmte Diamantenhalsband aus dem Familienschmuck der Tynewoods«, entgegnete er leise. »Es wird ein ungewöhnlich entzückender Anblick sein, dich darin zu sehen. Schlecht gerechnet hat es einen Wert von hunderttausend Pfund, mein Liebling. Das gibt dir erst das nötige Profil.«
Sie seufzte befriedigt, denn sie hatte ein hohes Spiel gewagt und einen Erfolg errungen, der ihre kühnsten Hoffnungen weit übertraf.
»Ja, die Sache ist besser gegangen, als ich je erwartet hätte. Ich habe übrigens eine Vermählungsanzeige an die maßgebenden Zeitungen geschickt.«
Er sah sie scharf und durchdringend an. Kalte, habichtähnliche Augen belebten sein sonst sehr intelligentes, hageres Gesicht. Seine Haare hatten sich schon stark gelichtet.
»Hast du die Nachricht wirklich schon an die Redaktionen geschickt?« fragte er langsam. »Das wäre aber sehr unüberlegt von dir gewesen.«
»Warum denn?« erwiderte sie ärgerlich. »Ich brauche mich doch absolut nicht zu schämen! Ich bin genauso viel wert wie er, und es ist in unseren Tagen durchaus nichts Ungewöhnliches, wenn eine Schauspielerin von meinen Fähigkeiten einen Repräsentanten des hohen Adels heiratet!«
»Ein Baron gehört wirklich nicht zum hohen Adel«, verbesserte er sie ironisch. »Aber darauf kommt es im Augenblick ja nicht an. Viel wichtiger ist, daß er dich ausdrücklich gebeten hat, die Eheschließung mit ihm geheimzuhalten.«
»Aber ich wüßte gar nicht, warum ich das tun sollte.«
Ein sarkastisches Lächeln spielte um seinen Mund.
»Es gibt genug Gründe dafür!« sagte er bedeutungsvoll. »Ich könnte dir einen sehr triftigen nennen, der dich allein schon bestimmen müßte, über diese Vorgänge den Mund zu halten! Du wirst deine Vermählung mit dem Baron nicht veröffentlichen, Alma!«
»Aber ich habe es doch schon getan«, entgegnete sie düster.
Er schüttelte mißbilligend den Kopf.
»Du fängst die Sache gleich von vornherein verkehrt an. Sir James Tynewood war nicht betrunken, als er dich dringend bat, die Heirat für ein Jahr geheimzuhalten. Er war sogar sehr nüchtern, und sicher hat er wichtige Gründe.«
Mit einem ungeduldigen Achselzucken wandte sie sich von ihm ab und ging zu dem jungen Mann hinüber, der inzwischen seine akrobatischen Kunststücke aufgegeben hatte und mit unsicherer Hand ein Sektglas hielt. Sein Freund bemühte sich, es zu füllen, goss aber dauernd daneben, so daß der fliederfarbene Teppich bald häßliche Flecken zeigte.
»Jimmy, komm einmal mit mir«, sagte sie und legte ihren Arm in den seinen.
Sein Gesicht war rot und angeheitert, und er lächelte sie verständnislos an.
»Einen Augenblick, Schatz«, entgegnete er mit etwas belegter Stimme. »Ich muß noch ein Glas mit meinem lieben alten Mark zusammen trinken.«
»Du kommst jetzt mit mir. Ich muß mit dir sprechen«, erklärte sie entschieden.
Mit einem Grinsen ließ er den Sektkelch zu Boden fallen, und das Glas zersplitterte in tausend Stücke.
»Da merkt man erst, wie verheiratet man ist! Am Ende hat der Pfarrer bei der Trauung noch gesagt, daß man seiner Frau gehorchen soll!«
Sie führte ihn zu Javot.
»Jimmy«, sagte sie dann unvermittelt, »ich habe den großen Zeitungen und Gesellschaftsblättern unsere Verheiratung mitgeteilt.«
Er starrte sie nur erstaunt an und runzelte die Stirn. In seinem betrunkenen Zustand wurde ihm nicht klar, um was es sich eigentlich handelte.
»Sag doch – noch einmal –, was du willst.«
»Ich habe die Zeitungen davon benachrichtigt, daß sich die bekannte und beliebte Schauspielerin Alma Trebizond mit Sir James Tynewood auf Schloß Tynewood vermählt hat«, erwiderte sie kühl. »Es paßt mir nicht, daß meine Heirat mit dir geheimgehalten werden soll. Du schämst dich doch nicht etwa meinetwegen?«
Er zog seinen Arm aus dem ihren und fuhr nervös mit der Hand durch sein Haar. Anscheinend machte er den Versuch, intensiv nachzudenken.
»Verdammt noch einmal, ich habe dir doch aber ausdrücklich gesagt, daß du das unterlassen sollst«, entgegnete er mit plötzlicher Heftigkeit. »Zum Henker, habe ich dir das nicht ganz strikt befohlen, Alma?«
Plötzlich schlug seine Stimmung jedoch wieder um, und der düstere Ausdruck wich aus seinem Gesicht. Er warf den Kopf zurück und lachte übermäßig laut.
»Na, das ist ja der beste Witz, den ich jemals gehört habe«, brüllte er und wischte sich die Tränen aus den Augen. »Javot, darauf müssen wir sofort ein Glas trinken.«
Aber Augustus Javot schüttelte den Kopf.
»Nein, danke vielmals, Sir James. Wenn ich Ihnen einen guten Rat geben darf –«
»Lassen Sie das lieber«, sagte Sir James etwas anmaßend. »In diesen Tagen nehme ich überhaupt von niemandem einen Rat an. Ich habe Alma geheiratet – das ist das einzige, was augenblicklich für mich zählt, und wenn sich die ganze Welt auf den Kopf stellt. Habe ich nicht recht, Liebling?«
Als er wieder durch das Zimmer wankte, schaute Javot nachdenklich hinter ihm her.
»Ich möchte nur wissen, was seine Verwandten dazu sagen?« fragte er leise.
Alma wandte sich gereizt zu ihm um.
»Kommt es denn darauf an, was seine Verwandten dazu sagen?« fragte sie scharf. »Außerdem hat er gar keine Verwandten! Nur einen jüngeren Bruder, der sich in Afrika aufhält. Und obendrein ist der Junge nur ein Halbbruder von ihm. Javot, du bist heute Abend wirklich unausstehlich. Du fällst mir direkt auf die Nerven mit deinem entsetzlichen Unken. Nimm dich doch ein wenig zusammen.«
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