Der Stiernackige war zufrieden. „Sehr schön. Ich werde dich vormerken für ein andermal.“ Er zwinkerte ihr zu und ging zu Annemarie hinüber, die inzwischen alleine auf dem Sofa saß, ließ sich neben ihr nieder und flüsterte ihr einige Worte ins Ohr, woraufhin sie die Schenkel öffnete und ihren haarlosen Schoß entblößte.
Silvia schob den Träger wieder hoch und sinnierend äugte Laura zu den beiden hinüber. „Annemarie ist sein Lieblingsmädchen.“
„Die Ärmste. – Oder sind die anderen Gäste auch so?“
„Gott behüte. Nein, er ist schon ein besonderes Exemplar. Aber du bist ja ganz gut mit ihm fertig geworden.“
„Eher wohl er mit mir.“
Der Kahlköpfige, den Laura hatte stehenlassen, trat hinter sie. „Muss ich dir denn jetzt hinterherlaufen?“ Sein Lächeln verriet, dass er sein Schicksal mit Fassung trug. „Gibt es noch eine, um die du dich kümmern musst, oder hast du jetzt Zeit für mich?“
Leicht lehnte sie sich an seine Brust. „Wie könnte ich jemals keine Zeit für Sie haben?“
Er schob einige Hunderteuroscheine über den Tresen und dankend nahm Immanuel sie entgegen. „Zimmer drei“, raunte er Laura zu, legte das Geld in eine stählerne Kasse und schrieb eine kurze Notiz in eine vorgedruckte Liste. Hand in Hand ging Laura mit ihrem Kunden derweil zur dunklen schweren Tür, die zu den Liebeszimmern führte, kurz schweifte ihr Blick noch einmal zu Silvia und ermutigend lächelte sie ihr zu. Auch der Stämmige bezahlte bei Immanuel, mit Annemarie im Schlepptau. Ihnen wurde Zimmer eins zugewiesen. Eine Bemerkung von ihm blieb Silvia nicht erspart: „Nur keine Sorge, Mädchen, du wirst nicht lange alleine bleiben.“ Annemarie warf ihr einen Blick zu, als wolle sie sich für ihn entschuldigen, und sie verließen den Raum.
So herablassend seine Worte waren, so prophetisch waren sie auch. Einer der beiden Männer kam von der Mulattin herüber, näherte sich Silvia zögernd. Er war etwa Mitte dreißig, etwas größer als sie, hager, bekleidet mit einer dunklen Hose, einem weißen Hemd mit bunt gemusterter Krawatte und einem gewöhnungsbedürftigen Sakko in Altrosa. Schüchtern schauten seine grünlich braunen Augen sie aus tiefen Höhlen an und mit dem Versuch eines Lächelns setzte er sich auf den Hocker neben ihr. Sein Ellbogen stieß gegen das Glas, es wankte bedenklich, blieb aber stehen und nichts schwappte über. „Oh Verzeihung.“
„Nichts passiert.“ Irgendwie hatte sie sich eine solche Annäherung anders vorgestellt.
Seine Hand strich über das dunkle kurze Haar, dann über seine aufgeworfenen Lippen. „Sind Sie frei?“
Sollte das nun wirklich ihr erster Kunde sein? „Ja, ich bin frei.“
„Würden Sie mit mir auf ein Zimmer gehen?“ Seine Frage klang so vorsichtig, als müsse er mit einer Absage rechnen.
Sie nickte und sah aus den Augenwinkeln heraus, dass Immanuel ein amüsiertes Lächeln nur notdürftig verhehlte. Nun ja, dieses erste Kontaktgespräch sollte sie vielleicht noch ein bisschen üben. Aber sie war halt neu hier, wie offenbar auch ihr schüchterner Freier. Sie hatten sich gesucht und gefunden.
Fragend schaute er sie an.
„Sie müssen erst bezahlen.“
Sofort nestelte er die Brieftasche hervor und wollte ihr einige Hunderter in die Hand drücken, doch wies sie auf Immanuel. Würdevoll nahm dieser die Scheine entgegen, zählte kurz durch und schob zwei über den Tresen zurück. Während der Mann sie wieder in die Brieftasche stopfte, beugte sich Immanuel etwas zu ihr herüber und dämpfte die Stimme zum Verschwörerton. „Zimmer zwei. Die zweite Tür links.“ Ermutigend lächelte er ihr zu.
Mut brauchte sie jetzt. Für einen klitzekleinen Moment schoss der Gedanke durch ihren Kopf, jetzt nach oben zu gehen, sich etwas Richtiges anzuziehen, ihren Aufenthalt hier als Missverständnis zu betrachten und das Haus zu verlassen. Und dann, wohin und was tun? – Sie sandte dem Schüchternen den Versuch eines Lächelns zu und ging vor ihm her in den Flur. An der letzten Tür auf der linken Seite, dort wo der Korridor nach rechts abknickte, dort prunkte die verschnörkelte Zwei, dort also waren sie richtig, zumindest was die Zimmernummer anbelangte.
Mit dem heißen Atem des Mannes im Nacken drückte sie die Klinke herab und zaudernd trat sie ein. Der Raum war in sinnlichem Rot gehalten, gelblich warm beleuchtet und sparsam möbliert mit einem runden Tisch, zwei zierlichen Sesseln und einer schlanken, hohen Kommode. Ein großes Gemälde hing an der Wand, passend zur Farbe des Zimmers überwiegend in dunklen Rottönen gemalt. Auch das Motiv passte: Auf einem breiten roten Bett lag ein blondhaariges Mädchen im roten transparenten Gewand, ihr Kopf war aufgerichtet und in die Hand gestützt, sie schaute lächelnd auf zu einem Mann im hellen Anzug. Vor diesem kniete eine Schwarzhaarige, auch sie in ein rotes Gewand gehüllt. In ihrer Hand hielt sie seinen schwellenden Schwanz und lächelnd schaute sie zu ihm hoch. „Erwartung“ hieß das gekonnt gemalte Werk.
Das Bett des Bildes war das des Zimmers, auch dieses war rot und wurde vervielfältigt von großen Spiegeln an den Wänden und der Decke. Golden schimmernde Gitterstäbe begrenzten das Kopf- und Fußende, einige Kissen lagen darauf, doch gab es keine Decke, unter der man sich hätte verkriechen können.
Stumm schaute sich der Mann um, wartete offenbar auf ihre Initiative. Ruhig war sie plötzlich, ohne Gefühl, viel sicherer als vor dem Überschreiten der Schwelle. Was würden die meisten Männer in dieser Situation jetzt erwarten? Es war leicht zu erraten. Sie schob die Träger des Hemdchens über die Achseln und ließ es zu Boden sinken, enthüllte sich fast feierlich, als sei sie eine Kostbarkeit, präsentierte den nackten Körper und zwangsläufig auch die Male der Peitsche.
„Oh, Sie wurden geschlagen?“
Silvia nickte.
„Aber warum denn?“
„Weil es Männer gibt, die Lust daran haben.“
„Wie kann man nur, Sie sind doch so schön …“
Vielleicht genau deshalb? Aber vermutlich spielte das Aussehen dabei eine untergeordnete Rolle. Sie wusste es nicht, zudem ging es ihn nichts an. „Haben Sie einen bestimmten Wunsch?“
„Ich weiß nicht.“ Sein Blick wich dem ihren aus, schweifte zum schweren roten Vorhang vor dem Fenster. „Oder doch … wenn Sie es mir mit dem Mund machen könnten?“
Ja, das konnte sie, hatte es schon oft genug getan und auch gelernt, es bei jedem Mann zu tun, gleich, ob sie ihn kannte oder nicht, ob sie ihn mochte oder nicht, ob ihr danach war oder nicht. Sie zog ihm das Sakko aus, das Hemd, die Hose, streifte mit einem entschlossenen Ruck den Slip herunter, dirigierte ihn zum Bett. Die Socken zog er selbst aus und legte sich rücklings hin, wartete. Zärtlich glitten ihre Lippen über die raue trockene Haut, die sich nach Feuchtigkeitsmilch sehnte. War ihr danach? Kaum. Doch spielte das keine Rolle. Sie schloss die Lippen um den prallen Penis, lutsche ihn mit Hingabe, als habe sie nur auf ihn gewartet, hörte das selige Ächzen des Mannes, spürte, wie er sich aufbäumte, und empfing seine klebrige Flut wie den Preis des Erfolges. – Ja, sie konnte es, konnte einen wildfremden Mann beglücken wie eine Maschine, die auf Knopfdruck funktionierte, war geeignet für das neue Leben, musste sich keine Sorgen machen, dass sie versagen würde.
Entspannt lag sie neben ihm, kaute an seinen säuerlich schmeckenden Resten, streichelte seinen flachen Bauch, als sei er ihr Geliebter. (War es denn erlaubt, ihm und sich selbst diese Zeit der Muße zu gönnen? Sie wusste es nicht, nahm aber mal an, dass es nicht angemessen wäre, die Kunden wie am Fließband abzufertigen für den hohen Preis, den sie für die Mädchen bezahlten.) Außerdem wollte er ja auch gar nicht lange bleiben. Etwas verschämt zog er sich an, als sei es ihm peinlich, zuerst nackt, dann mit der Unterhose von ihr gesehen zu werden. Sie lag noch immer auf dem Bett, halb auf die Seite gedreht, und schloss diskret die Augen, verpasste ja nichts, da sein magerer Anblick gar so reizvoll nicht war. Sie hörte sein Räuspern und machte die Augen wieder auf, sah ihn komplett angezogen neben dem Bett stehen. Sein Blick ruhte auf ihr. „Es war schön mit Ihnen. Ich komme bestimmt bald wieder.“
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