Barbara und Gerald waren müde, hatten keine Lust aufeinander, wollten schlafen, und so durfte Daniel an keinen Zehen nuckeln, nichts sauber lecken, an nichts ergeben lutschen. Also blieb ihm nichts als die Fantasie, in der er all das hingebungsvoll tat und vor allem wieder auf seinem Sklavenplatz saß. Schon beim Gedanken daran durchrieselte ihn ein wohliger Schauer. Vom verkorksten Essen und dem bitteren Kaffee mal abgesehen, hatte die Zeit hier im neuen Haus sehr aufregend angefangen …
Vom Schein der Rüschen
Am Morgen schlug Daniel seine dünne weiße Decke reinen Gewissens weit zurück, um das unbefleckte Laken Barbaras prüfendem Blick zu präsentieren, dann wurde er von der Fußkette befreit und durfte als Erster zur Toilette huschen, weil er es immer am eiligsten hatte. – Aber halt! Die Toilette im Bad durfte er nicht benutzen, er musste nach unten gehen zum Gästeklo, erklärte Barbara mit erhobenem Zeigefinger. Also eilte er hinunter, splitternackt, wie er war, ohne in der Gefahr zu schweben, einer verschlafen dreinschauenden Isabel über den Weg zu laufen, was einerseits beruhigend war, anderseits bedauerlich, da ihre Gegenwart doch fast immer sehr angenehm und reizvoll gewesen war. Ja, doch, sie fehlte ihm. – Doch war dies nicht der rechte Moment für Sentimentalitäten, wie es einen solchen Moment ja sowieso nie gibt. Na ja, höchstens für kleine vielleicht, für die wiederum fast jeder Moment geeignet war …
Wieder nach oben zurückgekehrt, musste er warten, bis das Bad frei war, dann zog er sich nach dem Zähneputzen und so weiter die Sachen an, die für ihn bereitlagen: eine der unverzichtbaren Strumpfhosen, auch heute in Weiß, einen blauen kurzen Rock und eine rosafarbene Bluse, mit üppigen Rüschen versehen. (Seine Garderobe war inzwischen recht umfangreich geworden.) Zuletzt schlüpfte er in die neuen weißen Schuhe.
Er fand Barbara in der Küche vor. Sie trug einen langen weiten Sommerrock und eine Bluse wie er, rosafarben, vorn geknöpft und mit nicht weniger Rüschen als die seine geziert, allerdings eindrucksvoller gewölbt von ihrem üppigen Busen.
Ein kleines Lächeln erblühte in ihrer Miene. „Partnerlook.“ Ach, war auch ihr Isabel in den Sinn gekommen, vielleicht verbunden mit ein bisschen Wehmut? Sie schraubte den Deckel von der Kaffeemühle. „Ich wollte auch mal ein bisschen romantisch aussehen.“
Das war ihr gelungen. Und sie war heute (ein Glück, dass sie nicht alle seine Gedanken lesen konnte) relativ hübsch mit ihrem wasserstoffblonden Haar, das sie wieder mal hochgesteckt trug, den sinnlich vollen Lippen und dem rosigen Gesicht. Allerdings … Ihre nüchterne Kleidung passte besser zu ihr, wie er fand, doch war das eine subjektive Meinung, da er halt lieber die Herrin in ihr sah als ein sanftes Mädchen.
Forschend funkelten ihre blauen Augen mit den grünen Sprenkeln ihn an. „Lieber streng als schön, nicht wahr? Du bist nicht der einzige Mann, der das mehr zu schätzen weiß.“
Sie las also doch seine Gedanken! Alle! War es notwendig, sie zu besänftigen? „Ich liebe Euch, meine Herrin.“
„Ja, natürlich … Wie war das? Wie viel Kaffee hast du genommen?“
Einen Esslöffel voll Bohnen pro Becher, erklärte er, und das war eine Menge, die auch ihrer Meinung nach okay sein müsste. Sie kochte den Kaffee jetzt höchstselbst, nahm etwas weniger Bohnen und mahlte sie etwas feiner, mit dem Ergebnis, dass der Kaffee noch immer bitter, aber dünner schmeckte. Grummelnd stellte sie den Becher nach einigen Schlückchen wieder weg. „Morgen besorge ich eine andere Sorte.“ Also gab es das Frühstück ohne Kaffee, dafür mit Orangensaft, und Daniel durfte sich zu den beiden mit an den Tisch setzen in der Haltung der O.
Seufzend schaute Gerald hinaus in den Garten, der um diese Zeit noch im hellen Sonnenschein lag, ab mittags aber nicht mehr, da die Sonne dann hinterm Haus verschwand. „Eigentlich wollte ich ja noch ein Stündchen laufen, aber bei dieser Affenhitze kann man das vergessen.“
Stattdessen legte er sich nach dem Frühstück mit einem Buch aufs Sofa, während Barbara und Daniel oben ihre Kleider in den riesigen Schrank räumten, in dem zwei Drittel der rechten Seite für sie reserviert waren, während das linke Drittel einschließlich einer Garderobenstange ihm zur Verfügung stand.
Fein säuberlich hängte sie ihre vielen Hosenanzüge an metallene Bügel und lächelnd beäugte sie aus den Augenwinkeln, wie er seine Dessous in die übereinander angeordneten Fächer stapelte, sehr darum bemüht, sie nicht einfach knuddelig reinzustopfen, und ordentlich sortiert nach BHs, Negligés und so weiter.
„Du wirst sie bald wieder brauchen. Für Mittwochabend hat sich Christian angekündigt.“
Oh. Dann ging sein Leben also nahtlos weiter? – Aber nichts anderes war zu erwarten gewesen und nichts anderes hatte er sich erhofft. Schließlich war das ja der Hauptgrund gewesen, mit ihr hier einzuziehen.
Und es wurde noch viel nahtloser, wie er gleich erfuhr: „Elisabeth kommt später mit der Kleinen.“
Echt? Johanna? (Sie die Kleine zu nennen, hatte er sich abgewöhnt, da sie sich wie eine Kleine nicht benahm, sondern eher wie eine, vor der man Respekt haben musste. Aber nein, nicht man, sondern einer wie er.)
Mit den Hosenanzügen fertig geworden, begann sie ihre umfangreiche Blusenkollektion an metallene Bügel zu hängen. „Ich nehme an, dass du dich auf sie freust. Zumal wir jetzt einen größeren Tisch mit mehr Platz drunter haben.“
O Gott! Fast wäre ihm das rosa Röckchen aus der Hand gefallen, das er gerade an einen Bügel hängen wollte. Unterm Tisch? Musste das sein?
Sie lächelte beschwichtigend. „War nur ein Scherz, ein kleiner.“ (Und gemeiner, hätte er hinzufügen können, was er aber lieber bleibenließ.) „Ein andermal vielleicht wieder. Heute probieren wir mal den roten Teppich aus. Er ist extra flauschig, um deine Knie zu schonen, die süßen.“ Sie hängte die letzte Bluse an den golden schimmernden Garderobenhaken und stopfte achtlos einige ihrer Dessous in eines der Fächer, ohne sie irgendwie zu sortieren. „Ich habe keine Lust mehr auf die Einräumerei.“ Mit einem schelmischen Lächeln zu ihm herüber schloss sie die Schranktür. „Eines Tages, mein geliebter Sklave, wirst vielleicht auch du wieder ein Wörtchen von dir geben.“
Mit einem hilflosen Achselzucken legte er seine Tops ins obere Fach. „Ja, meine Herrin, bestimmt. Sobald ich alles verdaut habe …“
Zwei ihrer Kartons waren noch zu einem Viertel gefüllt; diese stellte er draußen auf den Flur. Die drei, die leer geworden waren, brachte er nach unten und verstaute sie vorerst mal im Hauswirtschaftsraum, der sich direkt neben der Gästetoilette befand. Vielleicht würde Gerald sie mitnehmen, wenn er ging irgendwann, wobei er dann ja verabschiedet werden musste … Schon der Gedanke daran weckte tiefe Scham in ihm und schenkte ihm zugleich ein vorfreudiges Kribbeln, doch durfte er nicht immer nur an das eine denken …
Barbara saß mittlerweile im Wohnzimmer in einem Sessel, damit beschäftigt, die Geheimnisse ihres neuen Tablets zu ergründen, und da es für Daniel momentan nichts zu tun gab, ließ er sich am Schreibtisch nieder und schaltete seinen Computer ein. Nur leider, so merkte er schon bald, konnte er sich auf seine Geschichte nicht konzentrieren, da seine Gedanken wie Wildgänse von Geralds Verabschiedung zu Johannas Begrüßung und weiter zu Christian flatterten, dazu noch zu weiteren sonderbaren Erlebnissen und Erwartungen, nur nicht dorthin, wo sie momentan gebraucht worden wären.
Gerald zog sich in die Küche zurück, um dort mit dem Kochen anzufangen, und staunend erfuhr Daniel von Barbara, dass er ein sehr guter Koch sei. In der alten Wohnung habe er das nur nicht gezeigt, weil in der Küche dort zu wenig Platz gewesen war und man ihn zudem ständig gestört habe. Und das sei etwas, das er überhaupt nicht leiden könne, da ihn Gesellschaft beim Kochen nervös mache. – Das fand Daniel völlig in Ordnung, weil er aufs Kochen nicht viel Lust hatte und auf Handlangerdienste in der Küche noch viel weniger. Den Tisch musste er aber decken und Gerald also doch stören. Als er die Küche betrat, traf ihn fast der Schlag. Er war in eine wilde Schlacht geraten. Überall standen versiffte Pfannen und Schüsseln herum, in der schwarzen Keramikspüle lagen Kartoffelschalen, dazwischen Kaffeebohnen, wobei man nicht wusste, was die hier suchten. Dichter Dampf sprudelte aus einem großen Topf, aus einer Pfanne spritzte Fett empor, Mehl war überall verstreut und auf dem hellen Fliesenboden ein Stück Kartoffel zermatscht; das alles wieder in Ordnung zu bringen würde einen halben Tag dauern und mit Schrecken dachte Daniel, dass das wahrscheinlich seine Aufgabe sein würde.
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