Immo Opfermann - Bei Ostwind hörten wir die Leute schreien

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Die Opfer des „Schwarzen Lagers“ Dormettingen, Zollernalbkreis, mussten unmittelbar nach Ende des Nazi-Regimes im April und Mai 1945 unglaubliche Qualen erdulden. Dabei nimmt der Verfasser Bezug auf eine Vielzahl von mündlichen Erzählungen und geschichtlichen Quellen zu den Verbrechen eines Trios, das ein ehemaliges Nazi-KZ fast sechs Wochen lang als „Schwarzes Lager“ weiterführte. Er benützt Augenzeugenberichte, Briefe und die Prozessakten des einzigen Gerichtsverfahrens, das nach dem Krieg gegen einen der Täter geführt wurde. Immo Opfermann wirft einen äußerst kritischen Blick auf die damaligen Geschehnisse, die schaudern machen.

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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2020 novum Verlag

ISBN Printausgabe: 978-3-948379-44-5

ISBN e-book: 978-3-948379-45-2

Lektorat: Alexandra Eryigit-Klos

Umschlagfotos: Landesvermessungsamt Baden-Württemberg 70174;

Gemeinde Dormettingen

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum Verlag

Innenabbildungen:

Bild 4, 7, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 19, 24, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 46, 47, 53, 56, 58, 59, 216, 218, 220, 60, 223, 224, 225, 61, 62, 63, 65, 66, 67, 68, 69, 70 © Immo Opfermann,

Bild 1, 2, 3 © Haus der Geschichte; Baden-Württemberg,

Bild 5 © Enemy documents Captured by Oil Mission,

Bild 6, 8, 23, 26 © Archiv des Zollern-Alb-Kreises,

Bild 9, 52 © Landesvermessungsamt Baden-Württemberg 70174,

Bild 18, 20, 21, 48, 49, 50 © Schwarzwälder Bote,

Bild 22 © Air Photo Library, Department of Geography, Universitiy of Keele,

Bild 25, 42, 43, 44, 55 © Staatsarchiv Sigmaringen,

Bild 36, 37, 38, 39, 40, 41, 45, 51 © Seeger-Presse Albstadt-Ebingen,

Bild 54 © Siegfried Haas,

Bild 57 © Archiv der Katholischen Kirchengemeinde Schömberg,

Bild 64 © Alexei Litwinets

www.novumverlag.com

Einleitung
Dank

Vorwort

Wer sich auch noch 2019 in Deutschland mit der Geschichte des Nationalsozialismus und der Kultur des Erinnerns widmet, bekommt unweigerlich zu hören, ob man nicht endlich auf positive Dinge in der deutschen Geschichte blicken dürfe, ob nicht schon alles hinreichend erforscht, gesagt, wiederholt worden und es Zeit sei, den Blick nicht zurück, sondern nach vorn zu richten.

Was dieses Buch betrifft, so beschreibt sein Inhalt nur einen kleinen Ausschnitt innerhalb des geschichtlichen Geschehens, geografisch und zeitlich, aber auch hinsichtlich der überschaubaren Zahl der Opfer: 18 namentlich bekannte Männer wurden im „Schwarzen Lager“ Dormettingen ermordet, ungefähr 60 Männer und Frauen, deren Namen nicht alle bekannt sind, kamen – teilweise nach unvorstellbarer Folter – mit dem Leben, jedoch schwer traumatisiert, davon. Mit den großen NS-Lagern verglichen, scheint dieses eine Quantité négligeable in den Augen mancher zu sein, die nach Zahlen aufrechnen, zumal die Opfer Vertreter des gerade untergegangenen Regimes waren. Gerade darum haben diese ein Recht darauf, einem Konglomerat von Gerüchten, Halbwissen, Heucheleien, Verschleierungen und Ausschmückungen entrissen zu werden, die sich immer noch um die Ereignisse ranken. Es gibt noch Zeitzeugen, die sich erinnern, und es gibt Familien und deren Nachkommen, von denen manche immer noch herb tragen an jenen Verbrechen, die dort begangen wurden. Denn gerade für sie, die selbst über Jahre nach Antworten gesucht haben mögen, gibt es viel Widersprüchliches und Undurchschaubares.

Ziel dieses Buches ist es, mithilfe von belastbaren Quellen und dem Vergleich vieler einzelner Zeugenworte, schriftlicher wie mündlicher, Zusammenhänge aufzudecken, neue Kenntnisse über das Lager zu vermitteln, Ereignisse einander zuzuordnen, zu ergänzen, Missverständnisse auszuräumen und damit auf bis heute quälende Fragen von Angehörigen antworten zu können.

Bedingungen bei Kriegsende Als am 1 September 1944 der Befehl zur Räumung des - фото 1

Bedingungen bei Kriegsende

Als am 1. September 1944 der Befehl zur Räumung des Stammlagers Natzweiler-Struthof gegeben wurde, war klar, dass die Insassen in Außenlager überstellt und Transporte sofort in die Wüste-Lager geleitet werden mussten, zumal die Kommandantur sich auf die andere Rheinseite ins badische Guttenbach zu begeben hatte. Am 22.11.1944 trafen die Amerikaner das Lager Natzweiler-Struthof leer an und funktionierten es am 27.11.44 zu einem Internierungslager um, in dem nun die Sieger ihre politischen Häftlinge, d. h. ehemalige Funktionsträger des NS-Regimes in Gefangenschaft hielten. Ein zweisprachiges Hinweisschild in Natzweiler-Struthof macht dies 2015 deutlich: „Kurz nach der Evakuierung der KZ-Häftlinge dient das Hauptlager neuerlich als Lager für politische Gefangene, dieses Mal im Sinne der französischen Sieger. Es wird zu einem der Internierungsorte im Elsass, wo man der Kollaboration verdächtige Menschen oder Deutsche aus der Region festhält … Alle sind ohne Gerichtsverfahren hier.“ Das ehemalige Nazi-KZ Natzweiler-Struthof mit ca. 4000 Internierten wurde also Vorbild für den Fall, dass die künftigen Besatzer ein aufgegebenes Lager für sich requirierten.1 Dies ist auch die Voraussetzung für die Fragen im Zusammenhang mit dem wieder verwendeten ehemaligen „Wüste“-Lager Dormettingen, nachdem die Franzosen am 20. April 1945 im hiesigen Raum eingetroffen waren.

1Frédérique Neau-Dufour: Le camp après le camp: le trou noir de 1945–1949 (Der Struthof als Internierungslager: das Schwarze Loch der Jahre 1945–1949). Vortrag, gehalten beim Kolloquium am 2. und 3. Dezember 2015 im Institut Historique Allemand, 8 Rue du Parc Royal, Paris. Das Zitat davor stammt aus einer Tafel der Ausstellung über die Verwendung des Lagers.

Die letzten drei Aprilwochen 1945 kennzeichnen den Anfang vom Ende der Naziherrschaft auch in der Region um Balingen und Schömberg.

Dem Vormarsch der alliierten Truppen trug die Kreisleitung der NSDAP Balingen-Hechingen dadurch Rechnung, dass sie am 2. April 1945 ein Schreiben „An die Bevölkerung des Kreises Balingen-Hechingen!“ veröffentlichte, das der Bevölkerung befahl, sich durch „Umquartierung“ in Sicherheit zu bringen: „Durch den Einsatz motorisierter Kräfte gelingt es oft dem Gegner überraschend in Gegenden vorzustoßen, die sich bis dahin in guter Sicherheit gefühlt haben. Um für alle möglichen Fälle vorbereitet zu sein, und um jeden einzelnen und uns allen sinnlose Handlungen zu ersparen, ist es zweckmäßig, wenn sich jeder auf den Ernstfall vorsorglich vorbereitet. Es ist befohlen, daß dort, wo eine Räumung notwendig wird, dieselbe total durchgeführt wird, das heißt, daß die gesamte deutsche

Bevölkerung diesen Raum aus bestimmten militärischen Gründen verläßt.“

Ebenfalls am 2. April 1945, Ostermontag, beschlossen die Verantwortlichen, besonders der DÖLF (Deutsche Ölschiefer-Forschungsgesellschaft), dass alle KZ-Häftlinge aus den „Wüste“-Lagern abzutransportieren und durch zivile Arbeitskräfte zu ersetzen und diese in den bisherigen Lagern unterzubringen seien.2

2Arno Huth: Das doppelte Ende des „K. L. Natzweiler“ auf beiden Seiten des Rheins. Neckarelz, 2013, S. 301.

Die Evakuierung des zuletzt eröffneten „Wüste“-KZ Dormettingen war am 6. April begonnen worden: Eigentlich vorgesehen bereits für den 2. April, verzögerte sich der Bahntransport in offenen Waggons, weil die wenigen geschlossenen für die SS und ihre Familien benötigt wurden. Der Transport nach Allach dauerte dann auch vom 6. bis 12. April: Die Listen aus Dachau beurkunden 163 Häftlinge aus „Natzweiler-Dormettingen“. Mit dem gleichen Ziel begann gleichzeitig die Räumung des „Wüste“-Lagers Erzingen.

Dienstag, der 17. April, steht für den Beginn der Todesmärsche: Das Lager Schömberg, das „Bahnhofs“-KZ, mit dem „Bestand“ von „nur mehr 617“ Häftlingen (letzte Eintragung des flüchtigen Lagerältesten Hoffmann) wurde evakuiert, ebenso Dautmergen, Schörzingen, Frommern und Bisingen, nachdem auch hier Bahntransporte, z. B. der aus Dautmergen vom 7. April 978, arbeitsunfähige Häftlinge in Richtung Dachau befördert hatten.

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