1 ...7 8 9 11 12 13 ...16 Auch die Konjugation der Verben in verschiedenen Zeiten laden Sie dazu ein, sich an der Regelmäßigkeit der türkischen Sprache zu erfreuen.
Wenn Sie die Grammatikgrundlagen schon beherrschen oder Sie sie zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal auffrischen möchten, können Sie zu diesem Kapitel zurückblättern und einzelne Abschnitte als Merkhilfe benutzen.
Türkisch über »Suffixe« strukturieren
Vielleicht haben Sie sich schon darüber gewundert, dass es im Türkischen relativ lange Wörter gibt, wie das Wort – oder besser der Satz – Gözlükçülerimizdeydik( gös-lük-tschü-lä-ri-mis-däj-dik ; Wir waren bei unseren Optikern.). Hier sehen Sie die Struktur des Türkischen in einem Wort, das, auseinander genommen, aus einer Aneinanderreihung von Suffixen (Endungen) besteht, die jede für sich eine grammatische Information tragen. Auseinandergedröselt sieht das dann so aus:
göz: Substantiv: göz ( gös ; Auge)
lük: Endung zur Bildung eines abstrakten oder konkreten Substantivs: gözlük ( gös-lük ; Brille)
çü: Endung zur Bildung eines Substantivs, das Berufsbezeichnungen oder Nomina Agentis bezeichnet: gözlükçü ( gös-lük-tschü ; Optiker)
ler: Pluralendung: gözlükçüler ( gös-lük-tschü-lär ; Optiker)
imiz: besitzanzeigende Endung der ersten Person Plural: »unsere«
de: Lokativendung, siehe dazu die Fälle in diesem Kapitel. Die Grundbedeutung dieser Endung ist »in«, »bei«, »an«, »auf« und »um«, hier: »bei«
y: Füll- oder Bindekonsonant, verbindet zwei Vokale
di: Vergangenheit (Präteritum) von idi »sein« in suffigierter Form (als Endung)
k: Personalendung der ersten Person Plural des zweiten Typs, zeigt die Person an: »wir«
Dieses Prinzip der Aneinanderreihung von Endungen nennt man Agglutination, Türkisch ist also eine agglutinierende (anleimende, anfügende) Sprache. Dabei wird an ein Ausgangswort eine Endung angefügt, wodurch die Bedeutung des Wortes erweitert wird. Dieses Phänomen kennen Sie auch im Deutschen, denn die Endungen in den Wörtern »Schön- heit «, »Duldsam- keit «, »Unterhalt- ung « oder »glück- lich « sind nichts anderes als wortbildende Endungen. Im Türkischen haben wir es mit sehr vielen Endungen zu tun; sie stehen immer in einer bestimmten Reihenfolge und können daher nicht beliebig aneinandergereiht werden.
Alle Turksprachen wie das Usbekische, Tatarische oder Kasachische sind agglutinierende Sprachen. Aber auch Sprachen wie Finnisch, Baskisch oder Quechua kennen dieses Prinzip, obwohl sie nicht mit dem Türkischen verwandt sind.
Vorsilben (Präfixe) wie im Deutschen ab laden, auf treten, ver schieben und viele andere gibt es im Türkischen nicht. Die Funktion der Vorsilben übernehmen die Endungen. Auch Infixe, wie Sie sie vielleicht aus dem Lateinischen kennen, kommen im Türkischen nicht vor. Auch Präpositionen wie zum Beispiel in , nach oder über gibt es im Türkischen nicht. Diese Funktion übernehmen ebenfalls Endungen oder aber Postpositionen – »nachgestellte Präpositionen«.
Die Rolle der Vokale in den Endungen
Ein weiteres, besonders wichtiges Merkmal des Türkischen ist die Vokalharmonie bei den Endungen. Die Endungen unterliegen einer Regel, nach der sie nur bestimmte Vokale annehmen dürfen. Dabei wird unterschieden zwischen der zweiförmigen Vokalharmonie, die wir der Einfachheit halber die »kleine« nennen, und der vierförmigen Vokalharmonie, die wir als die »große« bezeichnen. Um die Vokalharmonie anwenden zu können, werden die Vokale wiederum in helle (vordere, palatale) und dunkle (hintere, velare) Vokale unterschieden, wobei die Begriffe »hell« und »dunkel« die Klangfarbe bezeichnen:
helle Vokale: e, i, ö, ü
dunkle Vokale: a, ı, o, u
Die zweiförmige Vokalharmonie
Die kleine (zweiförmige) Vokalharmonie besteht aus den beiden Vokalen eund a. Die Vokalharmonie richtet sich nach dem letzten Vokal eines Wortes; sie ist also »kurzsichtig«, berücksichtigt also wirklich nur den Vokal, der als Letztes im Wort steht.
Nach den hellen Vokalen e, i, ö, ü folgt e.
Nach den dunklen Vokalen a, ı, o, u folgt a.
So unterliegt die Pluralendung im Türkischen der kleinen Vokalharmonie. Die Pluralendung lautet -ler( -lär ) oder -lar( -lar ), je nachdem, welcher Vokal als Letztes in einem Wort steht. Ist in einem Wort der letzte Vokal hell, so lautet die Pluralendung -ler(mit hellem Vokal e); ist der letzte Vokal in einem Wort dunkel, lautet die Pluralendung -lar(mit dunklem Vokal a). Und so können Sie nun von jedem Wort den Plural bilden:
taksi ( tak-ssi ; Taxi), der letzte Vokal ist ein heller Vokal (i), die Pluralendung lautet -ler wie in taksiler ( tak-ssi-lär ; Taxen)
kitap ( ki-tap ; Buch), der letzte Vokal ist ein dunkler Vokal (a), die Pluralendung lautet -lar wie in kitaplar ( ki-tap-lar ; Bücher)
Die vierförmige Vokalharmonie
Die große (vierförmige Vokalharmonie) besteht aus vier Vokalen: ı, i, u, ü. Um nachzuvollziehen, wann welcher Vokal zum Einsatz kommt, werden die Vokale weiter aufgeteilt, diesmal kommt eine neue Kategorie hinzu, nämlich gerundet (labial) und ungerundet (illabial):
helle, ungerundete Vokale: e, i
helle, gerundete Vokale: ö, ü
dunkle, ungerundete Vokale: a, ı
dunkle, gerundete Vokale: o, u
Zwei Vokale, ound ö, kommen in keiner Endung vor, die einer der beiden Vokalharmonien unterliegt. Die Regel für die große Vokalharmonie lautet:
Ist in einem Wort der letzte Vokal hell und ungerundet (e oder i), folgt ein i in der Endung.
Ist in einem Wort der letzte Vokal hell und gerundet (ö oder ü), folgt ein ü in der Endung.
Ist in einem Wort der letzte Vokal dunkel und ungerundet (a oder ı), folgt ein ı in der Endung.
Ist der letzte Vokal aber dunkel und gerundet (o oder u), folgt ein u in der Endung.
Die folgende Endung, die zur Bildung von Adjektiven dient, zeigt auch die Herkunft einer Person im Sinne der Abstammung an. Sie lautet -lı, -li, -luoder -lü. Achten Sie hier auf den Vokal, der unmittelbar vor der Endung steht:
Berlin ( bär-lin ; Berlin) – Berlin li ( bär-lin-li ; Berliner)
Brüksel ( brük-ssäl ; Brüssel) – Brüksel li ( brük-ssäl-li ; Brüssler)
Köln ( köln ; Köln) – Köln lü ( köln-lü ; Kölner)
Ürgüp ( ür-güp ; eine Stadt in der Türkei) – Ürgüp lü ( ür-güp-lü ; Ürgüper)
Londra ( lon-dra ; London) – Londra lı ( lon-dra-lı ; Londoner)
İstanbul ( iss-tan-bul ; Istanbul) – İstanbul lu ( iss-tan-bul-lu ; Istanbuler)
Toronto ( to-ron-to ; Toronto) – Toronto lu ( to-ron-to-lu ; Torontoer)
Die meisten Endungen im Türkischen folgen der kleinen oder der großen Vokalharmonie. Es gibt nur wenige Endungen, die aus einer festen Form bestehen und sich nicht vokalharmonisch anpassen.
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