Vor allem für folgende Bereiche werden Änderungen vorgeschlagen:
Ausweitung der Rechnungslegungspflichten von Unternehmen
verstärkter Einsatz forensischer Elemente in der Abschlussprüfung
Ausweitung der Reichweite der Abschlussprüfung
Mitteilungspflichten an Aufsichtsstellen
Einen guten Überblick über mögliche Ansätze zur Fortentwicklung der Anforderungen enthält das IDW Positionspapier »Fortentwicklung der Unternehmensführung und -kontrolle: Erste Lehren aus dem Fall Wirecard«. Mögliche Änderungen werden aktuell auch im Gesetzgebungsverfahren zum sogenannten Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz diskutiert.
Ausweitung der Rechnungslegungspflichten von Unternehmen
Im Rahmen von Bilanzskandalen kommen immer wieder Betrugsfälle ans Licht, in denen Gewinne aus fingierten Geschäften realisiert wurden oder vorhandene Verpflichtungen nicht angemessen passiviert wurden. Begünstigt wird dies oft durch komplexe und schwer nachvollziehbare Geschäftsmodelle.
Vor diesem Hintergrund wird diskutiert, dass Unternehmen eine Beschreibung des Geschäftsmodells und dessen Nachhaltigkeit in den Lagebericht verpflichtend aufnehmen sollten. Die Beschreibung sollte so detailliert sein, dass ein sachkundiger Dritte diese nachvollziehen kann. Solche Darstellungen würden dem Accounting Gap entgegenwirken.
Verstärkter Einsatz forensischer Elemente in der Abschlussprüfung
Vorgeschlagen wird außerdem, dass die gesetzliche Abschlussprüfung deutlicher als bisher auf die Aufdeckung von Bilanzmanipulationen und Vermögensschädigungen ausgerichtet werden sollte.
In diesem Zusammenhang werden insbesondere zwei Aspekte hervorgehoben:
Bedeutung einer sorgfältigen Analyse der Risiken aus dolosen Handlungen
Nutzung moderner Technologien (zum Beispiel Massendatenanalysen) zur Untersuchung von Compliance-Verstößen, Verdachtsfällen oder zur Feststellung von Tatbeständen oder Tätern
Die Anforderungen, die bereits jetzt von Abschlussprüfern im Hinblick auf Risiken aus dolosen Handlungen beachtet werden müssen, werden in Kapitel 10im Detail dargestellt.
Als hilfreich könnte sich zudem ein Ausbau von Hinweisgebersystemen ( Whistleblower ) erweisen.
Ausweitung der Reichweite der Abschlussprüfung
Nach § 317 Abs. 2 HGB sind die folgenden Bestandteile des Lageberichts (bislang, das heißt Stand Herbst 2020) ausdrücklich von der Prüfungspflicht ausgenommen:
die nichtfinanzielle Erklärung (CSR-Bericht, §§ 289b–289e HGB)
die Erklärung zur Unternehmensführung (§ 289f HGB)
Nachhaltig oder nicht, das ist hier die Frage: Der CSR-Bericht
Kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern müssen seit 2017 in einer nichtfinanziellen Erklärung über Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, über Menschenrechte, Korruption und Diversität berichten. Die Berichterstattung bezieht sich also auf nichtfinanzielle Aspekte und insbesondere auf die Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells. Man spricht deshalb auch vom sogenannten CSR-Bericht , als Kurzfassung für Corporate Social Responsibility . Als Abschlussprüfer müssen Sie bislang nur prüfen, ob die nichtfinanzielle Erklärung fristgerecht vorgelegt wurde. Eine inhaltliche Prüfung des Berichts ist bislang nicht vorgesehen.
Werden Grundsätze der Corporate Governance beachtet? – Die Erklärung zur Unternehmensführung
Auch die Erklärung zur Unternehmensführung (§ 289f HGB) prüfen Sie als Abschlussprüfer nur daraufhin, ob die Angaben gemacht wurden. Eine inhaltliche Prüfung der Angaben ist ebenfalls nicht vorgesehen.
Inhalte dieser Erklärung sind:
die sogenannte Entsprechenserklärung zur Einhaltung der Anforderungen aus dem Deutschen Corporate Governance Kodex gemäß § 161 AktG
eine Bezugnahme auf die Internetsite der Gesellschaft, auf der der Vergütungsbericht, das geltende Vergütungssystem und der letzte Vergütungsbeschluss öffentlich zugänglich gemacht werden
Angaben zu Unternehmensführungspraktiken, die über die gesetzlichen Anforderungen hinaus angewandt werden
eine Beschreibung der Arbeitsweise von Vorstand und Aufsichtsrat sowie der Zusammensetzung und Arbeitsweise von deren Ausschüssen
Angaben zur »Frauenquote« und zum Diversitätskonzept
Diskutiert wird insbesondere, ob nicht die Entsprechenserklärung gemäß § 161 AktG auch inhaltlich geprüft werden sollte. Bisher ist dies nicht vorgesehen. Weil diese Prüfung bisher nicht vorgesehen ist, bleibt bislang ungeprüft, ob sämtliche Abweichungen vom Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) auch tatsächlich von Vorstand und Aufsichtsrat erklärt werden.
Mitteilungspflichten an eine Aufsichtsstelle
Als Änderung vorgeschlagen wird auch, dass im Rahmen der Abschlussprüfung festgestellte und nicht behobene oder vermutete Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften einer Aufsichtsstelle gemeldet werden müssen. Entsprechendes könnte auch für festgestellte signifikante Defizite im Corporate-Governance-System des zu prüfenden Unternehmens gelten. Eine solche Meldestelle müsste mit entsprechenden hoheitlichen Kompetenzen ausgestattet sein, um Hinweise verfolgen zu können.
Teil II
Prüfungen durchführen: Der risikoorientierte Prüfungsansatz
IN DIESEM TEIL …
Was versteht man unter dem »risikoorientierten Prüfungsansatz« und welche allgemeinen Grundsätze müssen Wirtschaftsprüfer bei Prüfungen beachten?
Was versteht man unter dem Konzept der »Wesentlichkeit« und wie wird diese bestimmt? Welche Folgen ergeben sich aus festgestellten Fehlern?
Welche unterschiedlichen Prüfungshandlungen führen Abschlussprüfer durch? Inwiefern unterscheiden sich System- beziehungsweise Prozessprüfungen, analytische Prüfungshandlungen und Prüfungen in Stichproben voneinander?
Kapitel 4
Zielsetzung und allgemeine Grundsätze von Abschlussprüfungen
IN DIESEM KAPITEL
Das Konzept des risikoorientierten Prüfungsansatzes
Die kritische Grundhaltung und das pflichtgemäße Ermessen
Möglichkeit einer skalierten Anwendung von Prüfungsstandards
Bedeutung von Dokumentationspflichten
Nach § 317 HGB müssen Abschlussprüfungen durch den Wirtschaftsprüfer so angelegt werden, dass Unrichtigkeiten und Verstöße gegen die Rechnungslegungsgrundsätze, die sich auf die Darstellung des Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens wesentlich auswirken, bei gewissenhafter Berufsausübung erkannt werden.
Doch wann wirken sich Fehler in der Rechnungslegung wesentlich auf einen Jahresabschluss aus? Zur Beantwortung dieser Frage wurde das Konzept des risikoorientierten Prüfungsansatzes entwickelt. Dahinter verbirgt sich der »konzeptionelle Unterbau« der internationalen Prüfungsstandards, der grundlegend für das Verständnis der einzelnen Prüfungsstandards ist.
Und was versteht man in diesem Zusammenhang unter einer »gewissenhaften Berufsausübung«? Die beiden wichtigsten Begriffe, die Sie in diesem Zusammenhang kennen sollten, lauten »kritische Grundhaltung« und »pflichtgemäßes Ermessen«.
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