Auf der einen Seite zahlen sie zwar nicht an die Versicherungsnehmer, in der eigenen Bilanz stellen sie die gleichen Beträge aber als potenzielle Forderungen zurück.
Das bedeutet, das Geld wird nicht ausgezahlt, aber auch nicht versteuert. Es könnte ja sein, dass die Gastwirte in drei oder fünf Jahren vor Gericht gewinnen und dann müsste die Versicherung den Schaden doch noch bezahlen.
Dann wäre es ja blöd, wenn auf das Geld schon Steuern bezahlt wären. Im Zweifelsfall würde man nicht zahlen können, weil man das Geld an den Staat gezahlt hat. Das wäre nicht gut und deshalb bildet man eine sogenannte Rückstellung, damit der Staat leer ausgeht. Die Rückstellung selbst wird natürlich höher sein als die Summe, die man an die Versicherten im Zweifelsfalle auszahlen muss, denn die potenziellen Gerichts- und Anwaltskosten kommen noch obendrauf. Alles Beträge, die man nicht sofort versteuern muss.
Dann gibt es noch die Rückstellung für Investitionen und die sogenannten Abschreibungen. Investitionsrückstellungen sind Gelder, die man steuerfrei sparen will, um Maschinen anzuschaffen. Abschreibungen sind Beträge, die vom Gewinn abgezogen werden können, weil die angeschafften Maschinen an Wert verlieren. Und dann gibt es noch gefühlte 100 Bücher mit je 800 Seiten, die beschreiben, was man noch alles wie buchen kann, damit weniger Steuern gezahlt werden müssen.
Konzerne erstellen Bilanzen in der ganzen Welt
Und das betrifft nur die innerdeutschen Regeln. Wenn man international arbeitet, dann kommen nochmal gefühlt 10.000 solcher Bücher dazu. Eine Konzernbilanz ist eine Aufgabe, die ganze Abteilungen mit hunderten von Fachleuten beschäftigt. Die werden nie arbeitslos, denn, sobald die Bilanz fertiggestellt ist, fangen sie mit der nächsten an. Das hört nie auf.
Die Bilanz ist wie ein sich ständig ändernder Verschiebebahnhof. Ständig entstehen neue Regeln und ständig werden Züge mit anderen Gütern beladen. Einige fahren direkt zum Bestimmungsort, andere über ein paar Zwischenstationen. Nicht weil dort irgendwas auf- oder abgeladen werden soll, sondern weil es steuerlich günstiger ist, diese Strecke zu befahren und nicht auf direktem Weg.
Manches Mal ist es auch besser einen beladenen Zug irgendwo eine gewisse Zeit stehenzulassen, um in dem Beispiel zu bleiben, denn dadurch kann man wieder Rückstellungen bilden oder sonstige steuerliche Vorteile gewinnen. So kann es kommen, dass große Konzerne wie zum Beispiel Amazon oder Apple wenig oder gar keine Steuern zahlen.
Hier ein Beispiel, was das bedeutet. Es folgen zwar die US-Zahlen, aber in Europa und in Deutschland sieht es nicht besser aus.
Amazon hat in den USA keinen Cent an Einkommensteuern gezahlt
2017 und 2018 hat Amazon in den USA keinen Cent an Einkommensteuern gezahlt, dafür aber Steuerrückerstattungen von 137 bzw. 129 Millionen US-Dollar erhalten. Auf der anderen Seite hat Jeff Bezos mit seinem Konzern im Jahr 2018 mehr als 11 Milliarden an Gewinnen erwirtschaftet.
2019 ist das ein bisschen anders geworden, aber der Konzern musste auch gerade einmal 162 Millionen US-Dollar an Steuern zahlen. Das entspricht bei Gewinnen von 13 Milliarden gerade einmal einem Steuersatz von 1,2 Prozent, so der US-Sender CNBC. 31
Es finden sich leicht weitere Meldungen dieser Art. Nicht nur über Amazon, generell über fast alle großen Unternehmen und Konzerne. Diesbezüglich sind alle gleich. Steuern werden maximal optimiert.
Das ist ja auch soweit legitim, wie die Politik es zulässt und solange es innerhalb der Gesetze geschieht. Die sind natürlich wieder einmal Auslegungssache und so beginnen die gleichen Diskussionen wie beim Thema Kleingedrucktes. Diese Diskussionen führen wir später in einem der folgenden Kapitel noch weiter und intensiver.
Hier geht es mir um etwas ganz anderes. Es geht darum, dass durch diese Art der Steuerverkürzung, die legal und im großen Stil auch illegal stattfindet, dazu führt, dass dem Staat Geld fehlt.
Diese fehlenden Gelder kann der Staat natürlich auch nicht in Schulen, Krankenhäuser, Straßen und in die generelle Infrastruktur investieren. Damit bedroht jede Steuerverkürzung deinen Geldbeutel und das Wohlergehen deiner Familie.
Würde der Staat mehr Steuern einnehmen, dann würden die Kinder in bessere Schulen gehen, es gäbe mehr Fahrradwege, die Krankenhäuser wären besser ausgestattet und der öffentliche Nahverkehr kostenlos für alle.
Und selbstverständlich würden alle öffentlichen Gebäude optimal wärmegedämmt und es würde nur Strom verbraucht, der aus erneuerbaren Energien erzeugt wurde.
Wahrscheinlich lachst du jetzt. Zu recht. Wir alle wissen, dass der Staat ein sehr schlechter Unternehmer ist und ein noch schlechterer Organisator. Nicht effizient, nicht kompetent, nicht organisiert und viel zu viel mit sich selbst beschäftigt.
Dazu kommt noch das Problem, dass die Entscheider, auch bekannt als Politiker bzw. Minister und Ministerialbeamte in der Regel mit Lobbyisten ständig zu Tisch sind, um die nächste Steuerreform besprechen. Man kann immer noch weiter lockern. Da kann man schnell zu dem Schluss kommen, dass mehr Steuereinnahmen nichts ändern würden. Wäre es also nicht besser, wenn wir alles beim Alten lassen und die Arschlöcher weiterhin gewinnen lassen?
Nun, ich habe eine Idee
Nein, es ist nicht die Forderung Steuern zu erhöhen. Obwohl, wäre es nicht eine gute Idee, wenn wir die Reichen höher besteuern würden? Warum sollen die durch legale und semilegale Steuertricks immer reicher werden?
Die Idee ist kurzsichtig, denn gerade die Superreichen haben Dutzende von spezialisierten Experten, Steuerfachleuten und Anwälten um sich geschart, um ihre Steuerlast zu senken.
Das funktioniert sehr gut, wie man durch die verschiedenen Reportagen erfährt. Investigative Journalisten decken mit schöner Regelmäßigkeit auf, wie vermögende Menschen ihre Einnahmen verstecken und damit durchkommen.
So deckten die Journalisten und Rechercheure von der Süddeutschen Zeitung mit vielen anderen Kolleginnen und Kollegen das Schein- und Briefkasten-Netzwerk der Firma Mossack Fonseca, eines panamaischen Offshore-Dienstleisters, auf. Die Namen fast aller Reichen und Mächtigen aus der ganzen Welt waren in den 11,5 Millionen Dokumenten zu finden. Staatsoberhäupter, Minister, Industriebosse, Banker und Anwälte betrogen ihre jeweiligen Finanzämter und hinterzogen Steuern, dass sich die Balken biegen.
Passiert ist denen eigentlich nichts. Bis auf ein paar wenige sind alle mit einem blauen Auge davongekommen und machen lustig weiter. Bekannt wurde dieser Skandal unter dem Namen Panama Papers 32.
Dass sie weitermachten, ergibt sich aus dem nächsten Report. Den Paradise Papers.
Viele Aktionen, die in dem einen Paper aufgezeigt wurden, findet man auch parallel in den anderen Reportagen. Die Reichen und Mächtigen legen ihre Eier ja nicht nur in einen Korb. Eine gute Beschreibung der Machenschaften ist in Wikipedia zu finden, weshalb ich diese hier zitiere.
„Die Paradise Papers sind ein Konvolut von ursprünglich vertraulichen Unterlagen der Anwaltskanzlei Appleby und des kleineren Treuhandunternehmens Asiaciti Trust, die 2016 der Süddeutschen Zeitung zugespielt wurden. Die Unterlagen stellen in tausenden Fällen dar, wie von Milliardären weltweit und einigen der global größten Konzerne wie Apple, Facebook oder Nike mittels Geldwäsche und Verschleierung – unter anderem durch Gründung von Briefkastengesellschaften und Nutzung von Offshore-„Steueroasen“ – Steuervermeidung und Steuerhinterziehung betrieben wird und wurde. In den geleakten Unterlagen finden sich Datensätze zu mehr als 120 Staats- und Regierungschefs und Politikern aus 47 Ländern, darunter die britische Königin Elisabeth II. sowie der US-Handelsminister und Multimillionär Wilbur Ross. Darüber hinaus enthalten sie die bislang unbekannten Handelsregister von 19 Steueroasen wie den Bahamas, Cayman Islands oder Malta sowie Informationen zu verborgenen, fragwürdigen Firmenkonstrukten weltweit tätiger Firmen und Großkonzerne.“ 33
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