„Also gut, Maria“, sagte sie, als sie die Krippenfigur aus dem Kofferraum nahm. „Wir werden es ihm morgen sagen.“
In diesem Moment erinnerte sie sich daran, was der Engel zu Maria gesagt hatte. Hab keine Angst! Das waren gute Worte, wenn plötzlich ein Himmelsbote vor einem stand. Oder wenn man vermutete, schwanger zu sein.
Hab keine Angst. Sie würde sich an diesen Worten festhalten.
Wie demütig Maria die Nachricht angenommen hatte! Alles soll so geschehen, wie du es mir gesagt hast. Auch das waren gute Worte.
Donna war erstaunt darüber, welch großen Glauben Maria bereits als junges Mädchen gehabt hatte. Sie hatte Gott ihr Leben und ihre Zukunft anvertraut. Diese Art von Glauben wünschte Donna sich auch. Wenn sie in dieser Situation nur die gleiche Kraft hätte wie Maria.
Aber die hatte sie nicht.
Am nächsten Morgen bestätigte Dr. Amos Donnas Vermutung. Nach dieser Untersuchung wurde es Realität für sie. Als sie kurz darauf durch die Geschäfte der Stadt streifte, sah sie die Welt plötzlich mit ganz anderen Augen.
Im Haushaltswarenladen fiel ihr Blick auf einen Weihnachtsbaum. Ein künstlicher Baum, der das ganze Jahr über in einer Ecke des Ladens stand und nun mit Weihnachtsschmuck dekoriert war, der zum Verkauf angeboten wurde. Hier, in diesem so gewöhnlichen Geschäft, zu Beginn des Herbstes erlebte sie den Zauber der Weihnacht. Die bunten Lichter blinkten. Vorfreude erfüllte sie. Dies würde ihr erstes Weihnachtsfest als Ehepaar sein. Unglaublich!
Als junges Mädchen hatte sie Weihnachtsbaumanhänger gesammelt. Ihre Sammlung bestand aus ganz unterschiedlichen Exemplaren. Einige davon hatte ihre Mutter ihr im Laufe der Jahre geschenkt. Donna erinnerte sich an das winzige Klavier, das sie in dem Jahr bekommen hatte, als sie anfing, Klavierstunden zu nehmen.
Ihre Mutter war vor zwei Jahren gestorben, und seitdem hatte es keinen neuen Weihnachtsschmuck, ja nicht einmal einen Baum gegeben.
Welche Traditionen würden Richard und sie ins Leben rufen? Donna legte die Hand auf ihren Bauch. Nun war es an ihnen, schöne Erinnerungen zu schaffen.
Dort, rechts oben in der Ecke entdeckte sie ihn: einen Holzanhänger in Form eines Kinderwagens mit der Aufschrift „Babys erstes Weihnachten“. Zögernd griff sie danach. Zwar würde das Baby erst im Frühling zur Welt kommen, aber dennoch wäre es das erste Weihnachtsfest mit ihrem kleinen Wunder – und der Beginn einer Reihe wunderschöner Erinnerungen; Erinnerungen an das erste Fußballtraining oder die erste Klavierstunde, die erste gemeinsame Reise und viele weitere glückliche Momente.
Sie löste den Anhänger vom Baum und ging damit zur Kasse.
Auf dem Heimweg überlegte sie, wann sie es Richard sagen sollte.
Vielleicht beim Abendessen.
Richards Lieblingsessen, Rinderbraten in Zwiebelsoße, schmurgelte auf dem Herd. Sie würden zusammen am Tisch sitzen und das Essen genießen. Dann würde sie ihn mit der Neuigkeit überraschen.
Erneut legte Donna eine Hand auf ihren Bauch. Der Wunsch, das neue Leben in sich zu beschützen, war bereits übermächtig in ihr.
Vor sich hin summend deckte sie den Tisch und stellte sogar zwei Kerzen in die Mitte. Das Abendessen sollte festlich und etwas ganz Besonderes sein.
„Verflixt!“, brüllte Richard, „dieser dämliche Kater!“
Wie ein Blitz sauste Mr Darcy an ihr vorbei.
Donna rutschte das Herz in die Hose. Wieder einmal hatte der Kater Richard verärgert.
Mit seinem blauen Lieblingspullover in der Hand kam Richard in die Küche. Überall am Pullover hingen Fäden heraus, offenbar hatte Mr Darcy ihn mit einem Wollknäuel verwechselt. Es sah aus, als hätte er sorgfältig jeden Faden einzeln herausgezogen, um dem Pullover ein flauschiges Aussehen zu verleihen. Donna musste beinahe lachen.
„So geht das nicht weiter!“ Richards Gesicht war vor Zorn gerötet. Mit seiner Kleidung war er sehr penibel. Abrupt drehte er sich um und stapfte ins Schlafzimmer zurück, um nach dem Kater zu suchen.
Donna seufzte. Was würde er erst zu einem Baby sagen? Ein Baby, das im ganzen Haus herumkrabbelte, seine Ordnung durcheinanderbrachte, auf seine Kleidung sabberte.
Vielleicht sollte sie es ihm doch lieber erst morgen sagen.
Ihr Blick fiel auf Maria, die sanftmütig lächelnd in einer Ecke des Zimmers stand, die Arme erwartungsvoll ausgestreckt. Dieses Bild spiegelte auch ihre Gemütsverfassung wider. Sie sehnte sich nach diesem Baby.
Donna atmete tief durch.
„Alles soll so geschehen, wie du es mir gesagt hast“, flüsterte sie als Gebet.
Sie brauchte keine Angst zu haben. Gott hatte ihr dieses Kind anvertraut. Es war ihre Aufgabe, es zu lieben, zu beschützen und für es zu sorgen. Maria war ebenfalls von ihrem Baby überrascht worden, und sie hatte es angenommen, obwohl sie nicht wusste, wie Josef die Nachricht aufnehmen würde.
Richard war ihr bester Freund. Ihre Hochzeit hatte sie so glücklich gemacht. Sie mochten die gleichen Dinge. Die Natur, Musik, Scrabble. Er würde auch dieses Kind lieben.
Richard trat erneut in die Küche. Er strich sein Sweatshirt glatt und zupfte einige Katzenhaare vom Ärmel.
„Der Pullover ist im Eimer!“
„Es ist doch nur ein Pullover.“
„Das war der Pullover meines Vaters.“
„Dann ist es vielleicht sowieso an der Zeit, einen neuen zu kaufen.“
Hatte sie das wirklich gerade gesagt?
Richard hielt in seiner Bewegung inne.
„Donna?“
Tränen stiegen ihr in die Augen. Die Worte hatten härter geklungen als beabsichtigt. Richard wirkte verwirrt.
„Es tut mir leid, Richard. Aber ich …“
„Alles in Ordnung?“ Jetzt wirkte er beunruhigt. Er trat auf sie zu und ergriff ihre Hände. Der Pullover und der Kater waren vergessen.
„Ich …“
„Was ist los?“ In seiner Stimme schwang ein Anflug von Verzweiflung mit.
„Bist du krank?“
„Nein.“
Hab keine Angst.
Gottes Wort gab ihr Zuversicht.
Ihr Glaube gab ihr Kraft.
Sie blickte Richard an und bemerkte die Sorge in seinen Augen. Die Liebe.
„Richard“, sagte sie, „ich muss dir etwas sagen.“
„Was? Was ist los?“ Panik machte sich in ihm breit.
„Ich bin schwanger.“
Richard schwieg. Er wirkte verwirrt, als hätte sie ihm mitgeteilt, dass sie nach Afrika auswandern wolle. Sie hielt seine Hände und musterte sein Gesicht, konnte seinen Blick aber nicht deuten.
„Ich hoffe, du bist nicht enttäuscht …“
„Enttäuscht?“
„Es tut mir leid.“
„Ich bin nicht enttäuscht.“
Hoffnung flackerte in ihr auf.
Ein Strahlen überzog sein Gesicht.
„Aber du hast gesagt, dass du keine Kinder willst.“
„Ja“, erwiderte er, „aber schließlich habe ich auch gedacht, dass wir keine bekommen können.“
Donna lächelte.
„Wie kann das sein?“, fragte er.
„Das hat Maria den Engel auch gefragt“, erwiderte sie. „Gott hat uns ein Kind geschenkt.“
Richard legte die Arme um Donna. „Du machst mich zum glücklichsten Mann der Welt.“
Maria auf der anderen Seite des Raumes hielt stumm Wache. Auf ihrem Gesicht entdeckte Donna den Anflug eines Schmunzelns, das ihr bisher nicht aufgefallen war.
Gott war bei ihr. Gott war gut. Ihm konnte sie vertrauen.
Mit Besorgnis auf dem Gesicht trat Richard einen Schritt zurück.
„Vielleicht solltest du dich jetzt lieber ausruhen. Komm, setz dich.“ Er schob ihr einen Küchenstuhl zurecht.
„Es geht mir gut“, lachte Donna, „sogar mehr als gut.“
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