Die beiden sind offensichtlich Mieterbeiräte zum Anfassen – was nicht heißt, dass sie nicht auch die segensreiche Wirkung neuer Technologien für ihre Arbeit nutzen würden: „Wir haben auch eine Whatsapp-Gruppe für die Mieter eingerichtet, wo man sich an uns wenden kann“, sagt Herr Zaufal stolz. „Da kann ich auch denjenigen Neumietern, die noch nicht so gut Deutsch können, eine Nachricht auf Deutsch schicken und darunter gleich die Übersetzung vom Whatsapp-Translator in ihrer Muttersprache, das klappt sehr gut.“
Wobei es nicht Frau Lenikus und Herr Zaufal wären, wenn sie nicht auch zur Verbesserung der Sprachkenntnisse von Neumietern bereits eine Initiative gestartet hätten: „Wir wollen jetzt etwas in der Art des Kaffeekränzchens schaffen, wo Leute zum Deutschlernen zusammenkommen können“, erzählt Herr Zaufal.
Kurz nachdenken muss der Mietervertreter aus Leidenschaft nur, als er zum Abschluss nach seinem Lieblingsplatz gefragt wird, während seine Kollegin auf dieselbe Frage gleich – wie könnte es anders sein – den Hof während eines Kaffeekränzchens genannt hat.
„Mein Lieblingsplatz ist in der Mitte einer Gemeinschaft“, sagt Herr Zaufal dann.
Es ist ein Satz, der das Gespräch und die Arbeit der Mietervertretung in der Bossigasse wohl perfekt zusammenfasst.
Hans Zaufal und Regina Lenikus sind Mietervertreter aus Leidenschaft
„Ich selber hab den Gemeindebau geheiratet …“
HANSSON-SIEDLUNG
„Samma froh, dass ma die Ausländer do ham, sonst hätt ma ja kane Kinder do. Hätt ma nix z’tuan, den gonzen Tog. So vü Kaffee kemma gor net trinken.“
Das sagt der einzige Mann in der Runde der Lernbegleiter in der „Bassena Am Schöpfwerk“, aber die anwesenden Damen, die sich auf gleiche Weise wie er engagieren, stimmen ihm zu. Acht bis zehn Lernbegleiter sind hier in der Bassena regelmäßig aktiv, so viel wie nirgendwo sonst in ähnlichen Programmen in Wien. Alle arbeiten ehrenamtlich, in Eins-zu-Eins-Betreuung wird mit den Schülerinnen und Schülern Hausübung gemacht, geübt und Nachhilfe gegeben.
„Man freut sich, wenn das Kind vorankommt und versteht. In einer Stunde kann man gar nicht so viel unterbringen, auch nicht so viel Privates, weil die so viel Hausübung haben“, erzählt eine Dame. „Ich habe auch 34 Lesekinder, gehe jeden Mittwoch in die Schule. Manche holen fantastisch auf, die kann man richtig motivieren. Die haben so eine Freud, wenn’s ma erklären können: ‚Ich hab gestern die ganze Zeit gelesen‘, nur damit ich zufrieden bin“, lacht sie.
Früher sei die Altersstruktur der Hansson-Siedlung ganz anders gewesen, hauptsächlich junge Familien seien damals, vor Jahrzehnten, hier eingezogen.
Wie war damals das Leben in der Siedlung?
„Mühsam“, sagt eine ältere Dame, und sagt es doch so, dass es fröhlich klingt, „es gab noch keine Straßenbahn und keine Geschäfte und nix. Mit den Kindern sind wir durch Eis und Schnee zum 67er marschiert. Es hat sich trotzdem gut angefühlt, einfach weil die Wohnung da war. Die Kinder ham ein eigenes Zimmer bekommen. Das ist schon schön. Zwei Meter Schnee sind gelegen, als wir eingezogen sind. Es war so kalt, dass ich gleich eine Mittelohrentzündung bekommen hab. Mein Sohn war damals ein Jahr alt. Wir haben angefragt, ob wir ein Zimmer mehr haben könnten, weil wir ein zweites Kind wollten. Das war aber nicht möglich, das schon im Vorhinein zu bekommen. 1966 war das. Es war schön und ist noch immer schön. Wir haben’s ja so herrlich grün da herunten.“
Als Nächstes entspinnt sich unter den Lernbegleiterinnen und Lernbegleitern eine interessante Diskussion über Äpfel, Kirschen und die Segnungen der Moderne in der Hansson-Siedlung:
„Der Ententeich, die Schrebergärten. Da haben wir Äpfel und Kirschen gekauft, das gibt’s heute ja gar nicht mehr.“
„Äpfel und Kirschen gibt’s immer noch.“
„Aber sie werden in den Schrebergärten nicht mehr verkauft, oder?“
„Das ist was anderes. Aber geben tut es sie immer noch.“
„Wir haben ja alles, Fernwärme, alles. Jetzt kommt dann noch die Fernkühle“, meint eine der Anwesenden schließlich und löst mit dieser Idee allgemeine Heiterkeit aus.
Aber noch einmal zurück zur Lernbegleitung: Wer die Erinnerungen der sich hier ehrenamtlich engagierenden Mieterinnen und Mieter an ihre Anfangszeit in der Siedlung hört, der versteht, warum ihnen die Arbeit mit den Jugendlichen heute ein Anliegen ist:
„Früher gab es mehr Nähe zueinander. Man hat mehr geklopft und gefragt: ‚Geht’s gut?‘ Da ist viel verloren gegangen.“
„Jetzt wird das eine Pensionistensiedlung, jetzt gibt’s nur noch alte Leute.“
„Is es eh schon.“
„Und die türkischstämmigen Familien sind zwar ganz fantastische Nachbarn, aber sie wollen einfach nicht so viel Kontakt haben.“
„Man grüßt sich, und das ist es.“
„Trotzdem is es fantastisch, wenn die Jungen wiederkommen.“
Verbesserungsvorschläge für das Programm gibt es nur wenige, denn: „Die Leitung und das Team hier sind so großartig. Die sind also auch mitschuld daran, dass es hier so toll läuft.“
„Ich find es absolut fantastisch, dass es das überhaupt gibt.“
Nur eine Anregung bezüglich des Geschlechterverhältnisses gibt es dann doch noch, und sie ist wichtig:
„Man müsste mehr Männer in das Programm einbauen, weil die Buben brauchen auch Bezugspersonen, um sie da herbringen zu können.“
Die Gruppe der Lernbegleiterinnen und Lernbegleiter wird jedenfalls mit voller Motivation weitermachen. Sie leistet damit einen wesentlichen Beitrag dafür, dass der soziale Zusammenhalt in der Hansson-Siedlung eben nicht verloren geht.
DONAUSTADT
Kontaktbesuchsdienst Donaustadt
Der Kontaktbesuchsdienst der Stadt Wien ist ein in Österreich einzigartiges Modell, bei dem wienweit rund hundert Freiwillige Seniorinnen und Senioren über 75 Jahren kontaktieren, um mit den älteren Menschen Gespräche zu führen und sie bei Bedarf über das Leistungsangebot der Stadt Wien zu informieren.
Die besondere Serviceleistung besteht schon seit 1977 und wird von den Wiener Sozialdiensten in Kooperation mit dem Fonds Soziales Wien, dem Büro der SeniorInnenbeauftragten sowie den 23 Bezirksvorstehungen umgesetzt.
2.400 Donaustädter über 75 erhalten jährlich ein Schreiben von der Bezirksvorstehung, in dem ein kostenloser Hausbesuch angeboten wird, immerhin rund ein Drittel nimmt das Angebot im Schnitt in Anspruch. Das Projekt ist nicht auf Gemeindebauten beschränkt, sondern steht allen Menschen über 75 Jahre, die im Bezirk wohnen, offen. Dennoch können die Donaustädter Kontaktbesucherinnen und Kontaktbesucher aufgrund ihrer ehrenamtlichen Arbeit natürlich einiges über die Lebenssituation älterer Menschen in den Donaustädter Gemeindebauten erzählen.
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