Aber noch bevor ich den Gedanken zu Ende bringen konnte, bahnte sich die Auflösung eines geradezu unglaublichen Erlebnisses für mich an. Lange bevor ich es sehen konnte, war es schon zu hören. Ein leises, unverkennbar von einer kleinen Katze stammendes Wimmern drang an mein Ohr.
Meine Begleiterin bewegte sich jetzt immer schneller und blieb urplötzlich vor einem gut versteckten Reisighaufen stehen, auf dem ein offenbar erst vor Kurzem herabgefallener Ast liegen geblieben war. Und das kleine Katzenbaby unter all diesen Ästen war nicht mehr in der Lage, sich alleine daraus zu befreien.
Ich hatte verstanden. Bevor ich nun damit begann, den großen Ast zur Seite zu räumen, warf ich noch einen Blick auf die Katzenmama, die ihren Kopf zur Seite neigte und mit einem weithin vernehmbaren Miauen ihre Zufriedenheit ausdrückte.
Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt: Kaum war die kleine Katze befreit, hüpfte sie zur Seite und die beiden entfernten sich schnell von mir. Aber sie liefen nicht einfach davon. Sie blieben noch einmal stehen und sahen sich nach mir um. In den Augen der Katzenmama glaubte ich, eine innige Dankbarkeit erkennen zu können.
Dann sprangen sie gemeinsam in das unübersichtliche Gebüsch und entzogen sich damit meinem Blickfeld.
Nachdem ich wieder zu Hause angekommen war, musste ich noch lange über diese seltsame Begebenheit nachdenken. Ich habe die Geschichte nie vergessen können und die damit verbundenen Weihnachtstage gehören bis heute zu den schönsten Erinnerungen meines Lebens.
Gerhard P. Steil schreibt schon seit vielen Jahren Gedichte und Geschichten. Seine Sammlung ist inzwischen so groß geworden, dass er beschlossen hat, das eine oder andere in Buchform zu pressen. Den größten Spaß hat er jedoch daran, wenn er Weihnachtsgeschichten unter die Leute bringen kann.
*
Morgen schon ist Heiligabend,
wie doch jetzt die Zeit verfliegt,
vieles, das zu tun noch wartet,
weil es mir am Herzen liegt.
Hab den Baum bereits im Zimmer,
er ist zauberhaft und schön,
geh mit ihm gleich auf die Reise,
werd das Land der Kindheit sehn.
Muss wohl heuer etwas sparen,
reiche trotzdem ungelenk,
aber freudig und von Herzen
meinen Liebsten ein Geschenk.
Für den Bruder, für die Schwester,
für mein Kind, für meinen Mann,
für die Eltern, deren Alter
man wohl Gnade nennen kann,
für die Freundin, die das Leben
manchmal so vergnüglich macht,
allen sei durch kleine Gesten
meine Liebe dargebracht.
Morgen wird das Christkind kommen
und ich fühle mich bereit,
manches werde ich nicht schaffen,
ist halt viel zu kurz, die Zeit.
Doch das Christkind wirdʼs nicht stören,
was im Haushalt ich versäumtʼ,
es erblickt wohl meine Seele
und mein Herz ist aufgeräumt.
Morgen wird ein Tag der Freude,
ich bin dankbar, ruhig und fromm
und es drängt mich, froh zu bitten:
„Liebstes Christkind, bitte, komm!“
Monika Krautgartner, Schriftstellerin, Kolumnistin, Illustratorin, geboren am Pfingstsonntag 1961, lebt und arbeitet in Tumeltsham. Die Mutter von zwei erwachsenen Kindern ist gelernte Zahnarzthelferin und seit 1993 freischaffend künstlerisch tätig. Sie hat bereits über 50 Bücher veröffentlicht, ihr Schaffen wurde mehrfach mit Preisen und Anerkennungen ausgezeichnet, u.a. mit einem internationalen Kinder- und Jugendbuchpreis der Stadt Schwanenstadt und 2008 mit der Kulturmedaille des Landes Oberösterreich. Die vielseitige Autorin begrüßt die Gäste auf ihrer Homepage mit dem Statement: „Ich schreibe, weil ich muss, aber auch, weil ich es kann.“
*
Jedes Jahr, wennʼs draußen schneit,
die Natur im weißen Kleid,
kommt der liebe Weihnachtsmann
mit dem großen Schlitten an.
Hat Geschenke mitgebracht,
viel zu tun damit die Nacht.
Er verteilt die Gaben dann.
So ist halt der Weihnachtsmann.
Ist der Gute endlich da,
frag ich: „Wo ist denn Papa?“
„Der nur kurz nach draußen ist“,
sagt die Mutter, „doch ihr wisst,
er kehrt wieder. Komm, fang an,
lieber guter Weihnachtsmann!“
Die Bescherung nun beginnt
und die Zeit ganz schnell verrinnt.
Endlich ist es dann geschehn,
auf dem Tisch Geschenke stehn.
Eingewickelt in Papier
liegen viele Dinge hier.
Spannung liegt jetzt in der Luft.
Weihnachtskerzen, Weihnachtsduft.
Und der Alte will hinaus,
sagt Ade, geht aus dem Haus.
Da kommt auch schon der Papa.
„Warum warst du denn nicht da?“,
frag ich Papa. Doch der lacht:
„Ich hab nur noch Holz gemacht
für den Ofen, denn der Frost
bringt uns kalte Winterkost.
War der Weihnachtsmann schon hier?
ʼs stand ʼn Schlitten vor der Tür.“
„Ja, der Alte ist schon fort,
muss noch weiter in dem Ort.
Schau mal die Geschenke an,
die gebracht der Weihnachtsmann!
Nur eins, das versteh ich nicht,
trotz der Larve im Gesicht
sah der Mann fast aus wie du!“
Mutti zwinkert drauf mir zu.
Ulli Lanin
*
Adil mochte Weihnachten nicht. Zu Hause hatte Weihnachten nie eine Rolle gespielt. Er verstand nicht, warum die anderen hier so ein Bohei darum machten. Aber nach den Weihnachtsferien kamen sie mit neuen Schuhen, neuen Pullovern, neuen Etuis, neuen Handys in die Schule. Manche hatten auch eine neue Frisur.
Adil hatte nichts Neues. Er würde auch nichts vom Weihnachtsbraten erzählen können. Er musste sich aus allen Gesprächen über Weihnachten heraushalten. Wer den höchsten Weihnachtsbaum hatte, die dicksten Kugeln, die meisten Geschenke, den meisten Besuch.
Adil und seine Mutter bekamen nie Besuch, die ganzen dreizehn Monate nicht, seitdem sie hier angekommen waren. Der Rest der Familie, auch Adils Vater, sein Bruder, seine Cousinen und Vettern, war immer noch unterwegs. Über das Mittelmeer oder die Balkanroute.
Adil wusste nicht, wie viele Weihnachten sie noch ohne Besuch bleiben mussten. Wenn sein Vater, sein großer Bruder und seine Onkel und Tanten kämen, sähe Weihnachten sicher ganz anders aus. Es gäbe Tee, Umarmungen, viel Gelächter und Lammbraten. Vielleicht endlich auch eine eigene Wohnung.
Solange das nicht so war, mochte Adil Weihnachten nicht. Niemand hatte etwas von der Familie gehört – trotz Handys. Nur ein früherer Nachbar hatte angerufen. Er saß irgendwo in einem Ankerzentrum fest. Also würde auch er nicht zu Besuch kommen.
Schön war, dass Adils Mutter bald aus dem Krankenhaus entlassen werden würde. „Am 24. Dezember bin ich wieder bei dir“, hatte sie gesagt, als sie die Krankenhaustasche gepackt hatte.
Jetzt war der 24. Dezember, also Weihnachten. Keine Mutter in Sicht, kein neuer Pullover, kein Etui, kein Lammbraten.
Adil malte alles auf ein Stück Papier. Sogar einen Weihnachtsbaum mit roten Kugeln. Der Pullover unter dem Baum war auch rot. Seine Mutter trug ein neues rotes Kleid und neue Schuhe. Adil malte auch Tiere, Hunde, Katzen und einen Vogel.
Adil sang beim Malen. Er sang sich Weihnachten schön. „Alles wird gut werden“, dachte er.
Kaum hatte er das gedacht, ging die Tür auf und Adils Mutter kam ins Zimmer. Sie lächelte und legte den Finger auf die Lippen. Pst!
Hinter ihr stand jemand. Es war Baschar, der große Bruder.
Gerade als Adil ihm entgegenstürzen wollte, um ihn zu umarmen, schüttelte Baschar den Kopf. „Hier, dein Weihnachtsgeschenk“, sagte er und stellte einen Karton auf den Tisch.
In dem Karton fiepte etwas. Adils Hand stieß auf etwas Weiches, Felliges.
„Die kleine Hündin lief mir auf Schritt und Tritt auf dem langen Weg über die Berge nach“, sagte Baschar. „Sie wollte zu dir. Sie heißt Inaaya.“
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