Herbert Maeger - Verlorene Ehre Verratene Treue

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Als Achtzehnjähriger wächst Herbert Maeger in den Zweiten Weltkrieg hinein und erlebt ihn als unentrinnbares Schicksal. Ohne Pathos und mit großer Eindringlichkeit beschreibt er die Not des Hungers, des schrecklichen russischen Winters, die Aussichtslosigkeit der gnadenlosen Kämpfe und das ständige Bewusstsein, vom Tode bedroht zu sein. Die Einsicht, dass eine gewissenlose Führung die Soldaten gleichzeitig zu Vollstreckern und Opfern eines skrupellosen Vernichtungsprogramms macht, stiegert die Verzweiflung. Der ungeschönte Bericht eines Zeitzeugen über den Zweiten Weltkrieg, der mit den geschilderten Erfahrungen und Erlebnisse belegt: Ich war dabei.

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Vollständige E-Book-Ausgabe der im Rosenheimer Verlagshaus erschienenen Originalausgabe 2012

©2014 Rosenheimer Verlagshaus GmbH & Co. KG, Rosenheim

www.rosenheimer.com

Titelbilder: © Herbert Maeger

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

E-Book ISBN 978-3-475-54176-6 (epub)

Für Sigrid,

die mich zu diesem Buch

immer wieder ermutigte

»Meine Ehre heißt Treue«

war der Leitspruch,

den die Soldaten der Waffen-SS

auf dem Koppelschloss trugen.

картинка 2

»Man muss das Wahre immer wiederholen, weil auch

der Irrtum um uns her immer wieder gepredigt wird,

und zwar nicht nur von Einzelnen, sondern von der

Masse. In Zeitungen und Enzyklopädien, auf Schulen

und Universitäten, überall ist der Irrtum obenauf,

und es ist ihm wohl und behaglich im Gefühl der

Majorität, die auf seiner Seite ist.«

Goethe am 16. Dezember 1828 zu Eckermann

Inhalt

Vorwort

Rekrut bei der Leibstandarte

Zwischen zwei Vaterländern

Der erste Kriegswinter in Russland

Ein halbes Jahr Frankreich – Dieppe

Der zweite Kriegswinter in Russland

Die Schlacht von Kursk und Belgorod

Italienisches Intermezzo

Sechs Monate Urlaub vom Krieg

Von der Junkerschule zum »Knochensturm«

Mit der Straßenbahn an die Front

Der Todesmarsch nach Westen

Als »Plenny« im Gefangenenlager Trebbin

Die »Heimkehr«

Nachwort

Bildteil

Literaturverzeichnis

Vorwort

Vor Jahrzehnten hatte ich beschlossen, dieses Buch nicht zu schreiben. Die Erfahrungen und Verstrickungen des furchtbaren Krieges ließen leidenschaftslose Schilderungen unmöglich erscheinen. Aus dieser Erkenntnis haben viele ihre Erfahrungen mit ins Grab genommen und damit Interesseninterpretationen freien Raum gegeben.

Geschichte ist selbst über den Abstand von Jahrhunderten eine durch Auslegungen sehr strapazierte Disziplin, unanfechtbar ist sie nur in den kalendarischen Daten. Dies trifft umso mehr zu für Zeitgeschichte; in der Darstellung der Fakten ist sie bestimmt von unwägbaren – oft genug rein materiellen – Motiven, die in Anbetracht der Thematik zwangsläufig subjektiver Natur sind. Gut und Böse sind in ihrem Sinngehalt keine prinzipiell stabilen Begriffe mehr, sondern werden nach Bedarf zugewiesen. Bei den Deutschen wird dieser Wertewandel verstärkt durch den immanenten Hang zu Opportunismus und Konformismus.

Um objektive Forschung bemühte Historiker beklagen den Mangel an echten Erlebnisberichten aus dem Zweiten Weltkrieg. Der Versuch, hier eine Lücke zu schließen, ist ein äußerst schwieriges Unterfangen, denn er setzt voraus, dass man in Anbetracht der Skrupellosigkeit der politischen und militärischen Führung des »Dritten Reichs« darauf verzichtet, Erlebtes nach den Kriterien zu bewerten, die zum Zeitpunkt des Geschehens gültige Normen waren; dazu gehören allerdings auch unvergängliche Prinzipien wie Treue, Tapferkeit und Opferbereitschaft, mögen diese von einem verantwortungslosen Regime auch vielfach missbraucht und dadurch als gesellschaftliche Maximen weit gehend hinfällig geworden sein.

Ich bin mir bewusst, dass ich auch in dem Bemühen um größtmögliche Ehrlichkeit und in der strikten Beschränkung auf Fakten Kritik auslösen werde. Dieses Risiko muss ich eingehen; ich bitte nur um Fairness in der Beurteilung dessen, was in Widerspruch zu dem geltenden Zeitbegriff »Political Correctness« geraten mag.

Dem Prinzip »die ganze Wahrheit, nichts als die Wahrheit« kann man in den Schilderungen eigenen Erlebens immer nur relativ entsprechen und allenfalls nach dem Grundsatz: Alles, was ich selbst erlebt habe, nichts, was ich nicht selbst erlebt habe. Dabei kann sich bei der Fülle von Geschehnissen in fast vier Jahren die Schilderung nur auf eine Auswahl beschränken; Erfahrungen, die faktisch und emotional als beispielhaft und besonders eindringlich gelten können, habe ich als Episoden im Text hervorgehoben.

Bis auf den genauen Wortlaut der wiedergegebenen direkten Rede, der in Aufzeichnungen nicht mehr vorliegt, entsprechen alle Beschreibungen, auch in Einzelheiten, den Tatsachen. Personennamen habe ich geändert, wo mir dies erforderlich erschien, um falsche Zuordnungen und Betroffenheiten zu vermeiden. Bei der Auswahl von Aussagen fremder Autoren zur Erläuterung des Rahmengeschehens habe ich mich um Ausgewogenheit bemüht.

So hoffe ich, in bescheidenem Umfang der Forderung nach einer Verringerung des Informationsdefizits zu genügen und zugleich meinen vielen Kameraden gerecht zu werden, die sich keinem Urteil mehr stellen und sich nicht mehr rechtfertigen können: unter den Hekatomben von Opfern eines furchtbaren Krieges Opfer auch sie; durch ihr Schicksal gezwungen, in der Blüte ihrer Jugend einen Tod zu sterben, der in der Beurteilung des Zeitgeistes sinnlos oder gar verdient erscheint.

Herbert Maeger, Krefeld, im Oktober 2000

Rekrut bei der Leibstandarte

Ohne auf Artillerie und Panzer zu warten, die zur Unterstützung des Angriffs herangeführt wurden, stürmten die Infanteristen der siebten Kompanie der »Leibstandarte SS Adolf Hitler« (LAH) während des Balkanfeldzugs im Frühjahr 1941 immer wieder den von den Griechen zäh verteidigten Klidi-Pass. Als sie die griechischen Stellungen genommen hatten, waren von den ursprünglich 120 Mann Gefechtsstärke nur noch elf übrig. Der Kompaniechef erhielt das Ritterkreuz.

So wurde es den jungen Rekruten des Ersatzbataillons der Leibstandarte in Berlin-Lichterfelde erzählt. Es war eine der typischen Geschichten, die den »Geist der Truppe« symbolisierten und verdeutlichten, warum die Leibstandarte – seinerzeit nur ein Regiment, zur Brigade wurde sie 1940, zur Division erst 1942 erweitert – so viel Nachschub an Menschen brauchte. Darüber hinaus machte die Eliteeinheit auf diese Weise ihrem Nachwuchs klar, wozu er bestimmt war: zum Ruhme des Führers zu sterben.

Diese Version vom idealen Soldatentum kannte ich noch nicht, als ich am 17. September 1941 das Kasernentor in Lichterfelde zum ersten Mal durchschritt; ich hatte ganz und gar falsche Vorstellungen von dem, was mich erwarten sollte. Ich glaubte, ausgewählt zu sein für den Dienst in der Leibgarde des »Führers«, und erwartete eine spezielle Ausbildung in körperlichen Kampfmethoden und an Nahkampfwaffen, verbunden mit der »weltanschaulichen Schulung«, wie ich sie aus der HJ (Hitlerjugend) bereits kannte. Die Wirklichkeit war dementsprechend ernüchternd: Ich kam nicht zu einer Elitetruppe, wie ich sie mir vorgestellt hatte, sondern nach ihrer eigenen Definition zu einem »Haufen«, dessen Mentalität ich nach meinen ersten Eindrücken als eine Art Mischung von Landsknechtstum und Fremdenlegion ansah.

Schon am ersten Tag in Lichterfelde musste ich einige Illusionen begraben. Um auf jeden Fall pünktlich meinem Einberufungsbefehl nachzukommen und in ungeduldiger Erwartung der großen Dinge, die ich erleben würde, hatte ich meine Abreise etwa zwölf Stunden früher geplant als eigentlich erforderlich. Meine Eltern begleiteten mich zu dem D-Zug nach Berlin, der an einem Samstagabend spät in Aachen-West abfuhr; montags zwölf Uhr war der Termin für mein Eintreffen in der Kaserne der LAH. Ich wusste also, dass ich schon am frühen Sonntagmorgen in Berlin sein und bald darauf das Kasernentor der LAH durchschreiten würde. Dort, so sagte ich meiner Mutter bei den Vorbereitungen der Reise, würde ich mit Sicherheit mein Mittagessen und meine weitere Verpflegung für den Sonntag erhalten; für die Fahrt werde also auf jeden Fall ein belegtes Brot reichen.

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