In der mächtigen Arena zwischen den Türmen der Bab-Makina-Festungmischt sich das eher betuchte einheimische Publikum mit den Touristen: Hier präsentieren sich nicht nur nationale und internationale Stars, hier beginnt das Festival auch mit einem künstlerisch ehrgeizigen Themenabend. In einem farbenprächtigen Spektakel konnte man etwa schon erleben, wie die Reiseroute von Leo Africanus , dem berühmten Händler und Botschafter aus dem 15. Jh., musikalisch von Fès bis nach Schwarzafrika nachgezeichnet wurde. Oder wie sich die Geschichte der Stadt Konstantinopel und ihre Verwandlung hin zum heutigen Istanbul in Töne und Szenen fassen lässt. Zur Eröffnung des Festivals kommen traditionsgemäß Mitglieder des Königshauses aus dem benachbarten Palast herüber. Schließlich stehen – wie auch das Gnawa-Festival in Essaouira – die Musiques Sacrées unter der Schirmherrschaft von Mohamed VI .
Auf dem Place Boujeloudvor dem berühmten gleichnamigen blauen Tor feiert dagegen bei freiem Eintritt die Jugend von Fès die neuen Stars der marokkanischen Popmusik, vom mitreißenden Chaâbi bis zum hartkantigen HipHop. In die Gärten und prächtigen Innenhöfe der Medina, wo sich Weltmusikstars von Bhutan bis Ägypten, von Portugal bis Indien treffen, zieht es französische und amerikanische Akademiker gesetzteren Alters. Man sollte hier schon ein wenig Geduld und Orientierungsvermögen mitbringen: Gerade während dieser „Nuits de la Medina“muss man schon einmal tief ins Labyrinth der Altstadt eintauchen, bis unvermutet ein wunderschöner Patio mit Springbrunnen und tiefblauer Beleuchtung als Konzertschauplatz seine schweren Türen öffnet.
Und es gibt auch die ganz lokal verankerte Seite des Festivals, die nur kleingedruckt im Programmheft erwähnt wird: Es sind die „Nuits Soufies“im magischen Garten des Dar Tazi, bei denen zu mitternächtlicher Stunde Zeremonien der lokalen Bruderschaften wie die des Tajaniyya-Ordens gezeigt werden. Hier, wo der Besucher unter lokalen Zuhörern auf Teppichen sitzt, lässt sich Spiritualität ganz unmittelbar erfahren. Die Stimmung ist fast volkstümlich: Die Frauen lachen und klatschen beseelt, und junge Männer, ausgestattet mit allen Insignien der westlichen MTV-Kultur, hüpfen fast wie in Trance zu den Lobgesängen auf und ab.
Nicht zuletzt sind die Musiques Sacrées auch ein Ort des kulturwissenschaftlichen Dialogs:Umrahmt von der prächtigen Vegetation des Musée Batha treffen sich Philosophen, Buchautoren, Musiker und Politiker zum Gedankenaustausch vor interessiertem Publikum.
„Ich will mir nicht anmaßen, dass ein Festival wie dieses spürbare Auswirkungen auf die ganze muslimische Welt haben kann. Dazu ist sie viel zu groß und unüberschaubar“, sagt Alain Weber in aller Bescheidenheit. Doch ohne Zweifel senden die Musiques Sacrées eine ichtige Botschaft der Toleranzaus einem Kulturraum der Umwälzungen und Unsicherheiten.
Weiter gelangt man zum Nejjarine-Platzmit den Tischler-Suqs und dem Nejjarine-Brunnen(19. Jh.). Der mit filigranen Mosaiken und einem Vordach aus geschnitztem Zedernholz ausgestattete öffentliche Brunnen ist sicherlich der schönste in Fès. Am Platz befindet sich auch der Eingang zum Funduq Nejjarineaus dem 18. Jh. Nach der Renovierung mit UNESCO-Geldern beherbergt das frühere Waren- und Handelshaus nun das Holzmuseum Nejjarine,das verschiedene Baumarten, kunstvolle Holzschnitzereien, Musikinstrumente, Möbel und Gebrauchsgegenstände, eine Bibliothek und alles Mögliche rund ums Holz zeigt (tägl. 10–17 Uhr, Eintritt: 20 DH). Im Museumscafé auf der Dachterrasse kann man den Ausblick genießen. Beim Nejjarine-Platz gibt es im Maison Bleue(vgl. „Einkaufen“) schöne blau-weiße Fès-Keramik zu kaufen. In der Gasse direkt links vom Eingang zum Museum kann man auf die Dachterrasse eines Lederladens steigen, um einen Blick hinunter in den Hof der Gerbereien Sidi Moussa (s.u.) zu werfen.
Die folgenden Suqs Attarine(Gewürze) und Kissaria(gedeckter Markt) bilden den Mittelpunkt von Handwerk und Handel. In der Kissaria bieten Seiden- und Brokathändler edle Stoffe, Kaftans und Babuschen in allen Designs und Farben an. Der Marktbereich mit rechtwinklig angeordneten Gassen erstrahlt seit 2018 in neuem Glanz mit Marmorböden und Mosaiken. Das Holzdach und Fensterreihen sorgen für eine gute Ventilation.
In der Medina von Fès sind – wie in allen orientalischen Suqs – die jeweiligen Handwerkszweigezusammen in einem Viertel angesiedelt. Vorbei an den Kupfer- und Messingschmieden, Goldschmieden, Lederwerkstätten und -Ladenzeilen, an den Teppichhändlern, Schneidern, Garnhändlern, Tischlern, Drechslern, Gewürzhändlern, Fisch- und Gemüsehändlern geht es durch die Gassen bis zur Attarine-Moschee und -Medersa.

Essen und Trinken
1Dar Saada
Neben dem Attarine-Suq und östlich der Kissaria liegt das größte Heiligtum der Stadt, die Zaouia des Moulay Idris II.,das Mausoleum des Stadtgründers. Die Zaouia ist Grabmal und Wallfahrtsort und zugleich Zufluchtsstätte für verfolgte Gesetzesbrecher. Nichtgläubige haben keinen Zutritt, man kann aber durch den Eingang einen kurzen Blick nach Innen werfen. Das grüne Dach der Zaouia erkennt bei einem Blick über die Stadt (z.B. vom Borj Sud) schon von Weitem. Hinter dem Fraueneingang befindet sich in einer kachelverzierten Wand eine sternförmige Kupferplatte mit einem Loch, in das die Gläubigen im Vorbeigehen die Finger stecken, um dadurch baraka (Lebenskraft und göttlichen Segen) zu erlangen. Im September findet hier ein großer Moussem (Mausim) statt. Alle Handwerkerzünfte kommen zusammen, um kostbare Spenden und Opfer zu bringen und ein Fest zu Ehren des Heiligen zu feiern. Rund um die Zaouia werden bunte lange Kerzen, alle möglichen anderen Devotionalien und leckerer Nougat, Datteln und Nüsse verkauft.
Südlich der Kissaria befindet sich der Place Chemmaine, wo Händler Kerzen, Datteln und Trockenfrüchte verkaufen. Der dreigeschossige Funduq Chemmaine(13. Jh.) war jahrzehntelang dem Verfall preisgegeben und ist seit 2018 komplett renoviert. In der (bisher noch wenig belebten) historischen Karawanserai sollen sich in Zukunft Handwerksbetriebe und Cafés ansiedeln. Von der Dachterrasse bietet sich ein toller Ausblick auf das heilige Viertel und das Minarett der Karaouyine.
Das wichtigste Bauwerk in Fès,auf der Ostseite der Kissaria gelegen, ist die Karaouyine-Moschee,die inzwischen nur noch zwei Fakultäten der im 9. Jh. gegründeten Universität beherbergt und bis zum Bau der Moschee Hassan II. in Casablanca die größte Moschee im Maghreb war. Sie fasst 20.000 Gläubige auf einer Fläche von 16.000 m 2. Die Gebetshalle wird von 270 Säulen getragen, 14 Tore führen in ihr Inneres. Sie ist in der typisch maurischen Architektur mit Hufeisenbögen, schlanken Stützsäulen, Stalaktiten-Deckengewölben, geschnitzten Ornamenten, Majolikaböden und kunstvoller Ausstattung gebaut. Dem Hochschulstudium an der Karaouyine (Theologie und islamisches Recht), das oft 10 bis 15 Jahre dauert, geht ein mehrjähriger Besuch der Koranschule voraus, in der die Jungen Lesen, Schreiben und Rechnen und natürlich die Lehren des Koran beigebracht bekommen. Der Universitätsbetrieb findet aber heute hauptsächlich in neuen Gebäuden außerhalb von Fès statt. Der berühmteste hiesige Gelehrte war Ibn Khaldoun(1332–1406) mit seinem Hauptwerk „Muqqaddima“ – er gilt als der größte Historiker des Islam. Die Karaouyine-Moschee wurde in den letzten Jahren innen und außen aufwendig renoviert. Man kann sie einmal umrunden und einen Blick durch das Eingangsportal ins prachtvolle Innere werfen (Zutritt nur für Muslime).
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