VORWORT Vorwort Meine Sorge beim Schreiben dieses Reiseberichts war es, dass manche humorvoll gemeinte Passage zu sarkastisch klingt, meine Sicht auf diesen fremden Planeten Westafrika überheblich und respektlos erscheint. Denn gerade Respekt ist ein bedeutsames Wort in dieser faszinierenden Weltgegend und wohl das Wichtigste, was Menschen bei der Begegnung mit mir erwarten können. Noch nie haben mich so viele Menschen mit ihrer bescheidenen, ehrlichen Art so tief beeindruckt und bereichert. Und ich habe größten Respekt davor, wie sie ihr Leben unter widrigen Umständen meistern. Keinen Respekt habe ich dagegen vor den herrschenden Klassen. Sie haben dieses verrückte Afrika geschaffen, halten es in Armut und sorgen dafür, dass man es oft nur noch mit finsterem Humor und Sarkasmus ertragen kann. Manchmal packt mich dann einfach nur die blanke Wut … Davon bekommt der Rest der Welt oft wenig mit. Westafrika liegt meist im Schatten der großen Ereignisse des Weltgeschehens. Es scheint, als würde hier selten wirklich Bedeutsames geschehen. Politiker, Regierungen, Geschäftsleute und oft sogar die Hilfsorganisationen agieren gern in diesem Schatten, einem Darknet des Politik- und Wirtschaftslebens. Westafrika mit seinen wenigen, undurchsichtigen, oft nicht durchgesetzten Regeln, mangelhaft ausgeprägten Kontrollmechanismen und schwacher Justiz ist wie geschaffen für das Handeln im Verborgenen. Eine kleine Oberschicht bereichert sich in diesem behaglichen Dunkel. Nur selten fällt ein schwaches Licht des medialen Interesses auf diese Gegebenheiten. Das erstaunte Publikum hört dann meist von Korruption, Bürgerkrieg, Natur- oder Umweltkatastrophen, Seuchen oder Hungersnöten. Der Potentat – oder ein rücksichtsloser Geschäftsmann, profitgetriebener Konzern, skrupelloser Warlord, selbstsüchtiger Religionsstifter – sitzt dann kurz auf der Anklagebank, erhellt vom Blitzlicht investigativer Journalisten, mutiger Menschenrechtsaktivisten, den wenigen idealistischen Politikern oder kritischen Wissenschaftlern. Entspannt kann sich der Missetäter darauf verlassen, dass schon morgen die nächste Schlagzeile die Empörung vergessen lässt, der Medientross weiterzieht. Klingt nicht verheißungsvoll. Vielleicht gibt es aber gerade da, wo viel Dunkelheit herrscht, auch ein besonders helles Licht? Ich sollte es herausfinden. Die Bevölkerung plagt sich derweil weiterhin unter der erbarmungslosen Sonne. Wenn sie nicht Linderung beim geografischen Nachbarn oder gleich im wohlhabenden Norden sucht. Schon bald sehne auch ich mich nach kühlendem Schatten – nach dem Komfort und dem körperlichen Wohlbehagen, den er in diesen Breitengraden verspricht, als einziger Schutz vor einer alles versengenden Hitze.
PROLOG
Geborgenheit in Weite
CÁDIZ/SPANIEN
Der Aufbruch: El viaje perfecto?
CEUTA/SPANIEN
Schon in Afrika – noch in Spanien
TÉTOUAN & CHEFCHAOUEN/MAROKKO
Endlich Afrika
MARRAKESCH/MAROKKO
Zum Tee bei einer alten Liebe
LAÂYOUNE & DAKHLA/MAROKKO, DARS
Brennend heißer Wüstensand
NOUAKCHOTT/MAURETANIEN
Apocalypse now!
SAINT-LOUIS/SENEGAL
Das Boot ist voll
DAKAR/SENEGAL
Too many beats per minute in Dakar!
ÎLE DE GORÉE/SENEGAL
Endstation Hoffnung
DAKAR/SENEGAL
Auf der Suche nach der Seele
MAR LODJ/SENEGAL
Beschauliches Insel- (oder) Landleben im Sine-Saloum-Delta
THE GAMBIA
Dieser Fluss soll britisch sein!
CASAMANCE
Ein letztes Stück Senegal
GUINEA-BISSAU
Versuchslabor für NGOs
GUINEA PARADOX
Unermesslich reich, doch bettelarm
DOUCKI/GUINEA
Pain mayonnaise à la Doucki
CONAKRY/GUINEA
Welcome to Hell’s kitchen
CASABLANCA/MAROKKO
Integrationskurs & Epilog
Meine Sorge beim Schreiben dieses Reiseberichts war es, dass manche humorvoll gemeinte Passage zu sarkastisch klingt, meine Sicht auf diesen fremden Planeten Westafrika überheblich und respektlos erscheint. Denn gerade Respekt ist ein bedeutsames Wort in dieser faszinierenden Weltgegend und wohl das Wichtigste, was Menschen bei der Begegnung mit mir erwarten können. Noch nie haben mich so viele Menschen mit ihrer bescheidenen, ehrlichen Art so tief beeindruckt und bereichert. Und ich habe größten Respekt davor, wie sie ihr Leben unter widrigen Umständen meistern. Keinen Respekt habe ich dagegen vor den herrschenden Klassen. Sie haben dieses verrückte Afrika geschaffen, halten es in Armut und sorgen dafür, dass man es oft nur noch mit finsterem Humor und Sarkasmus ertragen kann. Manchmal packt mich dann einfach nur die blanke Wut …
Davon bekommt der Rest der Welt oft wenig mit. Westafrika liegt meist im Schatten der großen Ereignisse des Weltgeschehens. Es scheint, als würde hier selten wirklich Bedeutsames geschehen. Politiker, Regierungen, Geschäftsleute und oft sogar die Hilfsorganisationen agieren gern in diesem Schatten, einem Darknet des Politik- und Wirtschaftslebens. Westafrika mit seinen wenigen, undurchsichtigen, oft nicht durchgesetzten Regeln, mangelhaft ausgeprägten Kontrollmechanismen und schwacher Justiz ist wie geschaffen für das Handeln im Verborgenen. Eine kleine Oberschicht bereichert sich in diesem behaglichen Dunkel. Nur selten fällt ein schwaches Licht des medialen Interesses auf diese Gegebenheiten. Das erstaunte Publikum hört dann meist von Korruption, Bürgerkrieg, Natur- oder Umweltkatastrophen, Seuchen oder Hungersnöten. Der Potentat – oder ein rücksichtsloser Geschäftsmann, profitgetriebener Konzern, skrupelloser Warlord, selbstsüchtiger Religionsstifter – sitzt dann kurz auf der Anklagebank, erhellt vom Blitzlicht investigativer Journalisten, mutiger Menschenrechtsaktivisten, den wenigen idealistischen Politikern oder kritischen Wissenschaftlern. Entspannt kann sich der Missetäter darauf verlassen, dass schon morgen die nächste Schlagzeile die Empörung vergessen lässt, der Medientross weiterzieht. Klingt nicht verheißungsvoll. Vielleicht gibt es aber gerade da, wo viel Dunkelheit herrscht, auch ein besonders helles Licht? Ich sollte es herausfinden.
Die Bevölkerung plagt sich derweil weiterhin unter der erbarmungslosen Sonne. Wenn sie nicht Linderung beim geografischen Nachbarn oder gleich im wohlhabenden Norden sucht. Schon bald sehne auch ich mich nach kühlendem Schatten – nach dem Komfort und dem körperlichen Wohlbehagen, den er in diesen Breitengraden verspricht, als einziger Schutz vor einer alles versengenden Hitze.
PROLOG
Geborgenheit in Weite
Weit unter mir schlägt der Guadalquivir silbrig glänzend seine letzten Haken zum Atlantik. Am Horizont quält sich die matte Februarsonne durch den wolkenverhangenen Himmel und zaubert einen Hauch von Abendröte über Andalusien. Dann setzt der Flieger bei Frühlingstemperaturen sanft in Jerez de la Frontera auf.
So oder so ähnlich beginnt Reisebelletristik gewöhnlich, die von den Abenteuern einer Überlandreise und den Begegnungen unterwegs berichtet. Aber bei diesem Bericht über meine Erlebnisse zwischen Andalusien und Guinea sollen nicht der silbrig glänzende Guadalquivir oder andere Naturschönheiten im Mittelpunkt stehen. Die „Jenseits-von-Afrika-Romantik“ wird allenfalls Statist am Rande sein. Falls es diese abseits von Hollywood-Filmen überhaupt je gab. Ich erzähle hier von einer kräftezehrenden, manchmal die Grenzen des Erträglichen überschreitenden Reise, ein paar tausend Kilometer nach Süden in das Herz Westafrikas. Dabei ist mir Trauriges begegnet, aber vieles hat mich auch zum Schmunzeln gebracht. Doch das meiste war bitterer Ernst, wenn der auch manchmal einer gewissen Komik nicht entbehrte. Letztendlich führt mich mein Weg in drei Monaten bis nach Conakry, ehemals das „Paris Afrikas“. Die Hauptstadt Guineas, am Atlantik gelegen, jedoch kurioserweise nicht am Golf von Guinea: Der beginnt erst weiter südöstlich in Liberia. Zumindest wenn ich der Internationalen Hydrographischen Organisation Glauben schenken darf, die sich um solche Themen kümmert.
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