Jesus liebt Radfahrer
– Navid auch
Wie uns Gottgesandte, Waffennarren und Warmduscher aus der Klemme halfen
Claudia Hildenbrandt
Daniel Mathias
FÜR DAS DRITTE IM BUNDE. UND DAS VIERTE.
Vorwort
Jesus liebt Radfahrer
Die Schneekönigin
Unter Warmduschern
Salzigsüß
Die Hoach Family
„La Incansable“
Hangry
Desaster
Perspektivwechsel
Sprit
Altenpflege
Ferne
Per Anhalter
Lagunenroute
Falscher Alarm
12 Gurken und ein Schokoeis
Natur heilt
Usbekische Hochzeiten
Krisengeplagt
Dean
Karimas Welt
Anhang
Zur Routenplanung, Vorbereitung und Finanzierung der Reise
Ausrüstung – das brauchten wir unbedingt
Gewicht sparen – das blieb zu Hause
Das ging kaputt
Sicherheit
Wie hält man auf die Dauer durch?
Literatur und Links zur Reiseplanung
App-geführt
(Un)geplante Mutproben – Abenteuer, auf die wir hätten verzichten können
Endlich Zeit zum Lesen! Auswahl unserer Zeltlektüre
Bewusster reisen – was wir heute anders machen würden
SKARDUTAL, PAKISTAN
Eine steile Straße windet sich entlang des Indus
Feierabend! – Sie, ja Sie, kommen von der Arbeit nach Hause. Hinein in die Jogginghose, schnell den Tisch decken. Endlich Ruhe. Nichtstun. Endlich frei.
Plötzlich surrt die Haustürklingel. Wer ist denn das jetzt noch? Sie öffnen – und zwei verschwitzte Radfahrer stehen vor Ihnen. Die beiden sprechen alles, nur kein Deutsch und zeigen auf Ihr Grundstück, mit Hundeblick. Ihnen dämmert, was die Fremden wollen: ein Zelt auf Ihrem Rasen aufstellen, eine Nacht in Ihrem Garten kampieren. Was machen Sie? Vertrauen Sie den Unbekannten?
Und noch eine Situation: Sie rumpeln im Jeep über die Hochebene Boliviens. Um Sie herum nur Sand, bunte und dennoch tote Berge. Sie fragen sich, ob der Fahrer sein Handwerk wirklich beherrscht, ob der Wagen hält? Ob Sie hier oben schneller erfrieren oder verdursten? Plötzlich sehen Sie eine Frau und einen Mann vollbeladene Räder durch den Sand schieben. Inmitten der Hochwüste. Mitten im Nichts. Wie reagieren Sie?
Daniel und ich könnten diese Radverrückten sein. Zwei Jahre lang setzen wir uns fünf Kontinenten aus: Europa, Asien, Nord- und Südamerika, und zum Schluss in Marokko ein Stück von Afrika. Packen 32.000 Kilometer im Sattel. Nichts schirmt uns von den Bewohnern ab, keine Fahrzeugkarosse und kein üppiges Reisebudget, das Hotels erlaubt und damit Privatsphäre erkauft. 769 Tage sind wir angewiesen auf die Hilfe der Einheimischen, auf ihr Wohlwollen, ihren goodwill . In „Schurkenstaaten“, in touristischen Gebieten, in der Ödnis, im Stadtgewimmel. Doch auch die andere Seite muss sich offenbaren. Locals wie Touristen müssen entscheiden, in Sekundenschnelle: Ob sie uns helfen oder fortjagen. Ob sie vertrauen oder misstrauen. Ob sie sich einlassen oder nicht.
Da sind Jeanne und Dave aus Kalifornien, an deren Haustür wir nach Feierabend klopfen. Die uns herzlich hineinwinken, Caipirinhas mixen, Snacks drapieren. Als seien wir geladene Gäste, als seien wir lang ersehnt. Die ihr Bad vorheizen und hotelweiße Handtücher bereitlegen, um uns mit dem Luxus einer heißen Dusche zu beseelen.
Da ist Dahae, ein Schweizer Tourist, der im Jeep die Hochebene Boliviens erkundet. Uns leiden sieht und den Fahrer zum Anhalten auffordert. Aussteigt, uns ausfragt, die Hand schüttelt, uns drückt. Und einen 100-Dollar-Schein schenkt – für ein feines Essen zurück in der Zivilisation.
Da ist ein Bauarbeiter in Chile, der mich spontan den Berg hochschiebt. Ein Eislieferant in Iran, der Vanille und Schoko spendiert. Ja, da sind auch Giftzwerge, die selbst mit Leitungswasser geizen. Die nichts loslassen wollen, können.
In diesem Buch zählen wir weder Schweißtropfen noch Schlangenbisse, weder Stürze noch Magen-Darm-Infektionen. Natürlich schildern wir Strapazen – doch nur um von Engeln und Herzlosen zu erzählen. Um zu berichten, wie uns Unbekannte in haarsträubenden Situationen aus der Klemme helfen, uns zum Weitermachen antreiben. „Pay it forward!“, „Gib’s weiter!“, bitten uns viele US-Amerikaner: Wir helfen euch, damit ihr wiederum anderen zur Seite steht. In diesem Sinne soll das Buch inspirieren.
Außerdem skizzieren wir Frauen und Männer, die uns mit ihrem Mut und ihrer Haltung Kompass und Wegweiser sind. Constanza, die die verkauften Kinder Chiles findet. Dean, der als Rentner niemals seine Neugier verliert. David, der Südpol-Ingenieur. Claris, die einen Erdrutsch überlebte und „Ferne“, ein stiller Protestler in China.
„Staunt euch die Augen aus dem Kopf, lebt, als würdet ihr in zehn Sekunden tot umfallen. Bereist die Welt. Sie ist fantastischer als jeder Traum, der in einer Fabrik hergestellt wird.“ Autor Ray Bradbury feuert zum Leben, zum Reisen und Lernen an. Mögen die Geschichten in diesem Buch zünden. Mögen sie erstaunen, verstören, wissbegierig und weltwach machen.
MARKTFRAU IN BUCHARA USBEKISTAN
JESUS LIEBT RADFAHRER – NAVID AUCH
„Warum hast du uns geholfen?“, wollen wir wissen. „Allah hat mir einen Wink gegeben und gesagt: Da vorne, die Radfahrer brauchen Hilfe. Frag’ mal, was los ist.“
Im Landeanflug beginnt das Verkleiden. Der Iran duldet keine bloße Haut und keine sichtbaren Haare. Dunkle Blusen, lange Tücher. Die Schöne neben mir verwandelt sich in einen Geist. Sie kennt das Spiel, ich nicht. Linkisch setze ich mein Tuch auf, fühle mich klein und entfremdet von mir selbst und der Lächerlichkeit preisgegeben, wie schon als Kind im Karnevalskostüm. Ich schäme mich, vor Daniel, vor mir selbst und starre auf den Boden. Auch Daniel sagt kein Wort, ist nervös. Still verlassen wir den Flieger. Iran, das erste Land unserer Reise.
„Iran, nicht Irak.“
Jetzt also hier, wo es „keinen Krieg und keine Anschläge gibt“, wo „alles safe “ ist. Nichts konnte die Sorgen unserer Eltern mindern. Auch wir waren ängstlich, doch der Flug günstig und die Neugier auf ein muslimisches, ein verrufenes Land drängte.
Jetzt also hier, am Flughafen in Teheran. Der Kontrolleur lächelt und ich komme durch, Daniel nicht. Es piept, der Polizist schaut erschrocken. Er prüft Daniels Pass, zweimal, dreimal. „Mister, Mister, big problem, big problem. Interpol. Interpol!“ Unsere Reise steht vor dem Aus, bevor sie begonnen hat.
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