Bedenkt man dazu noch meine relative Jugend (ich war 20 Jahre jünger als alle anderen Topmanager), wird einem klar, wieso der Widerstand meines Teams uns alle ausbremste. Aufgaben, die meiner Meinung nach innerhalb von Stunden hätten erledigt sein können, dauerten mehrere Tage. Ich wusste, dass ich etwas tun musste, und wandte mich deshalb an die Management-Trainerin Nancy Badore, die schon als Coach für hochrangige CEOs arbeitete, als es den Begriff „Coaching“ dafür noch gar nicht gab.
Als wir uns zum ersten Mal in meinem Büro trafen, hatten wir kaum die ersten Höflichkeiten ausgetauscht, als ich mit der Frage herausplatzte: „Was muss ich tun, um eine gute Führungskraft zu werden?“
Sie sah sich eine Weile wortlos in meinem Büro um. Als sie schließlich etwas sagte, traf es mich bis ins Mark: „Keith, sehen Sie sich einmal die ganzen Bilder an der Wand an. Sie reden davon, eine tolle Führungskraft zu werden, und in Ihrem ganzen Büro gibt es kein einziges Bild, auf dem Sie nicht zu sehen sind: Sie mit anderen berühmten Menschen, Sie an berühmten Orten, Sie als Gewinner von Preisen. Hier hängt kein einziges Bild von Ihrem Team oder irgendetwas, das auf die Leistungen Ihres Teams hindeutet oder das jemandem wie mir sagen würde, dass Ihnen diese Menschen so wichtig sind wie Sie selbst. Ist Ihnen klar, dass die Leistungen Ihres Teams und alles, was es Ihretwegen tut – nicht was es für Sie tut –, Sie als guten Leader ausweisen?“
Diese Frage machte mich sprachlos. Sie hatte absolut recht. Hatte ich gezeigt, dass ich echtes Interesse an dem Leben hatte, das meine Mitarbeiter außerhalb der Arbeit führten? Warum hatte ich mich nicht bemüht, sie an der Führung zu beteiligen? Mit meinen Vorgesetzten hatte ich das vom ersten Tag an getan. Damals begriff ich, dass mein langfristiger Erfolg von allen Menschen in meiner Umgebung abhing; davon, dass ich genauso für sie arbeitete, wie sie für mich arbeiteten!
Die Politiker haben das viel besser begriffen als die meisten Führungskräfte: Wir wählen diejenigen Menschen, die wir mögen und respektieren. Großartige Unternehmen werden von CEOs aufgebaut, die Zuneigung und Bewunderung erwecken. In der heutigen Welt erreichen die bösen Jungs als letzte das Ziel.
Von dem befreundeten Buchautor Tim Sanders habe ich gelernt, dass das Zeitalter der Gemeinheiten im Geschäftsleben aus zwei Gründen vorüber ist. Erstens leben wir in einem neuen „Überfluss der geschäftlichen Wahlmöglichkeiten“, und zwar sowohl im Hinblick auf Produkte als auch im Hinblick auf berufliche Laufbahnen. Wahlmöglichkeiten sind für schwierige Kollegen und Vorgesetzte das Todesurteil. „In einer Zeit, in der mehr von uns mehr Möglichkeiten denn je haben, gibt es keinen Grund mehr, sich mit einem Produkt oder einer Dienstleistung abzufinden, die nicht halten, was sie versprechen, mit einem Unternehmen, das man nicht mag oder mit einem Chef, den man nicht respektiert“, schreibt Sanders. Der zweite Grund ist das, was er den „neuen Telegrafen“ nennt. „Ein übles Produkt, ein schädliches Unternehmen oder eine miese Person können die traurige Realität kaum noch verheimlichen. Die Menschen vertreten heute nachdrücklich ihre Meinung, sind gut informiert und mit allen Möglichkeiten des Internets gewappnet.
Unterm Strich bedeutet dies, dass man Menschen, die man nicht mag, leichter entgehen kann als je zuvor. Wenn Ihnen die Interessen anderer nichts bedeuten, finden die Menschen das heute eher früher als später heraus. Unsere Kultur verlangt heutzutage mehr von uns. Sie verlangt, dass wir einander respektvoll behandeln. Sie verlangt, dass wir bei jeder Beziehung den gegenseitigen Nutzen beachten müssen.
Wenn man auf ein Leben und auf eine Karriere zurückblickt, in deren Verlauf man anderen Menschen begegnet ist, will man ein Netz aus Freundschaften sehen, in das man sich fallen lassen kann – und nicht einen Scherbenhaufen gescheiterter Beziehungen. Hier nun ein paar Regeln, die ich aus eigener Erfahrung empfehlen kann und die verhindern, dass Sie jemals zur Networking-Nervensäge werden:
Haben Sie etwas zu sagen und sagen Sie es mit Leidenschaft! Achten Sie darauf, dass Sie etwas zu bieten haben, wenn Sie etwas sagen, und bieten Sie es ernsthaft an. Die meisten Menschen überlegen sich nicht, dass es besser ist, mit weniger Menschen mehr Zeit zu verbringen; dass es besser ist, sich eine Stunde zusammenzusetzen und ein oder zwei bedeutsame Gespräche zu führen, als ständig nach etwas Besserem Ausschau zu halten und den Respekt der meisten Menschen zu verlieren, denen man begegnet. Ich bekomme dauernd E-Mails, in denen es heißt: „Lieber Keith, wie ich höre, sind Sie ein guter Networker. Ich auch. Treffen wir uns doch für eine Viertelstunde auf eine Tasse Kaffee.“ „Warum?“, frage ich mich da. Wieso in aller Welt erwarten die Menschen, dass ich auf eine solche Anfrage antworte? Sprechen sie mich emotional an? Sagen sie, dass sie mir helfen können? Haben sie irgendeine ansatzweise Gemeinsamkeit zwischen uns gesucht? Tut mir leid, aber Networking ist kein Geheimbund mit einem verklausulierten Händedruck, der schon von selbst einen Wert besitzt. Der Wert muss schon von uns kommen.
2. Nehmen Sie Gerüchte nicht für bare Münze
Selbstverständlich tut man sich mit Gerüchten leichter. Die meisten Menschen saugen solche Informationen begierig auf. Aber langfristig bringt das nichts. Irgendwann versiegen die Informationen, weil immer mehr Menschen begreifen, dass man Ihnen nicht trauen kann.
3. Kommen Sie nicht mit leeren Händen zur Party
Wer sind die Stars der heutigen digitalen Welt? Die Schreiber, Blogger und Online-Gurus, die am besten darin sind, einer Community von Gleichgesinnten Informationen zu bieten, kreativen Content, nützliche Links oder einfach nur Mitgefühl. Viele tun das kostenlos und werden dafür häufig durch eine treue Gefolgschaft von Menschen belohnt, die ihrerseits genauso viel geben wie sie nehmen. Das ist ein Kreislauf. Beim Connecting, egal ob online oder offline, ist man nur so gut wie das, was man hergibt.
4. Behandeln Sie Personen, die unter Ihnen stehen, nicht schlecht
Einige von ihnen werden früher oder später zu „Oberen“. In der Berufs- und Geschäftswelt ist die Nahrungskette vergänglich. Man muss die Menschen auf der Leiter über sich und unter sich respektvoll behandeln. Der legendäre Hollywood-Superagent Michael Ovitz galt als meisterhafter Networker. Vanity Fair brachte 2002 ein vernichtendes Porträt von ihm, in dem Dutzende anonymer und weniger anonymer Quellen ihn unter Beschuss nahmen – Ausdruck einer glänzenden Karriere, die irgendwie fürchterlich schiefgelaufen ist. Die Menschen fragten sich, was passiert war. Ovitz kann hervorragend mit Menschen umgehen, aber er hat seine Fähigkeiten nicht aufrichtig eingesetzt. Menschen, die er nicht mehr brauchte, behandelte er gleichgültig oder noch schlimmer. Ehemalige Freunde sagten, man konnte ihm nicht trauen und dass seine Beziehungen stets einseitig waren. Es überrascht nicht, dass sich diese Menschen seinen Fall nicht nur genossen, sondern wohl auch dazu beigetragen haben.
„Ich bin, wie ich bin“, sagte die Comicfigur Popeye immer. Im Informationszeitalter wird Offenheit – im Hinblick auf Ihre Absichten, auf die Informationen, die Sie bieten oder auf Ihre Bewunderung – zu einer zunehmend wertvollen und gesuchten Eigenschaft. Die Menschen reagieren mit Vertrauen, wenn sie wissen, dass Sie anständig mit ihnen umgehen. Wenn ich bei einer Veranstaltung jemandem begegne, den ich unbedingt einmal treffen wollte, verberge ich meine Begeisterung nicht. „Ich freue mich, dass ich Sie endlich einmal kennenlerne. Aus der Ferne bewundere ich Ihre Arbeit schon sehr lange und ich habe mir immer gedacht, wie schön es wäre, wenn wir uns einmal persönlich begegnen würden.“ Es mag angehen, dass man an der Bar den Schüchternen spielt, aber nicht, wenn man eine tiefere, bedeutsame Verbindung aufbauen will.
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