„Selbstverständlich“, sagte sie überschwänglich. Sie erklärte, dass ihre Kinder schon groß waren und das Spielzeug seit Jahren nicht mehr benutzt worden war.
„Sie können gern auch noch das Fahrrad haben. Zum Wegwerfen war es mir einfach zu schade …“
Dann fuhren wir weiter. Ich hatte ein „neues“ Big Wheel, auf dem ich fahren konnte, und ein Fahrrad, in das ich hineinwachsen konnte. Sie hatte ein Lächeln und ein Herzklopfen, das nur Güte hervorbringt. Und Dad lehrte mich, dass Kühnheit etwas mit Genie und sogar mit Freundlichkeit zu tun hat.
Jedes Mal, wenn ich mir selbst Grenzen setze, was ich schaffen kann und was nicht, oder wenn sich Angst in mein Denken einschleicht, erinnere ich mich an das Big-Wheel-Dreirad. Ich erinnere mich selbst daran, dass Menschen mit geringer Risikotoleranz, deren Verhalten von Furcht geleitet wird, kaum einen Hang zum Erfolg haben.
Die Erinnerungen aus jener Zeit sind haften geblieben. Mein Vater brachte mir bei, dass das Schlimmste, was jemand sagen kann, höchsten ein „Nein“ ist. Wenn einem jemand nicht seine Zeit oder seine Hilfe gibt, ist das sein Pech.
Mir hat in meinem Leben nichts so viele Gelegenheiten gebracht wie die Bereitschaft, zu fragen, egal in welcher Situation. Als ich einmal als namenloser Besucher auf dem Weltwirtschaftsforum in der Schweiz in den Bus zum Hotel stieg, sah ich Phil Knight, den Gründer von Nike. Knight war für mich so etwas wie ein Rockstar, weil er so außerordentlich erfolgreich mit der Gründung und dem Aufbau von Nike war und weil er im Laufe der Zeit so viele Marketing-Innovationen eingeführt hatte. Ob ich nervös war? Darauf können Sie Gift nehmen. Aber ich ergriff die Gelegenheit, mit ihm zu sprechen, beim Schopf und machte mich auf den Weg zum Platz neben ihm. Später wurde er der erste Bluechip-Kunde von YaYa. Ich mache so etwas ständig, egal in welcher Situation.
Manchmal klappt das nicht. Die Liste der Menschen, mit denen ich mich anfreunden wollte und die an meinen Annäherungsversuchen nicht interessiert waren, ist genauso lang. Beim Networking hält der Wagemut die gleichen Fallstricke und Ängste bereit wie beim Dating – und darin bin ich nicht annähernd so gut wie im Knüpfen geschäftlicher Bekanntschaften.
Es ist verlockend, sich an die Menschen zu halten, die man schon kennt. Aber im Gegensatz zu gewissen Formen des Datings ist der Networker nicht auf der Suche nach einem einzigen erfolgreichen Bund. Wenn man einen bereichernden Kreis vertrauter Beziehungen schaffen will, muss man die ganze Zeit draußen sein und sich unter die Menschen mischen. Wenn ich jemanden anrufe oder treffe, den ich nicht kenne, habe ich bis heute Angst vor der Zurückweisung. Dann rufe ich mir das Big Wheel ins Gedächtnis, das mein Vater für mich besorgte, und mache trotzdem weiter.
Für die meisten von uns ist Networking kein bisschen instinktiv oder natürlich, auch wenn es selbstverständlich Menschen gibt, die dank ihres angeborenen Selbstvertrauens und dank ihrer sozialen Kompetenz leicht Anschluss finden.
Daneben gibt es noch uns, die anderen.
In der Anfangszeit bei YaYa machte ich mir Sorgen um das Überleben des Unternehmens. Zum ersten Mal in meiner beruflichen Laufbahn musste ich mich an viele mir unbekannte Menschen wenden; ich repräsentierte ein unbekanntes Unternehmen und pries ein Produkt an, das sich am Markt noch nicht bewährt hatte. Ich wollte nicht einfach Manager bei BMW oder bei Mastercard anrufen und ihnen meine Ware aufschwatzen. Aber wissen Sie was? Da die Alternative hieß, einen Teil der Belegschaft zu entlassen oder in den Augen des Vorstands und der Investoren zu versagen, fiel es mir nicht mehr schwer, auf BMW zuzugehen.
Die Kühnheit, mit Menschen zu sprechen, die mich nicht kennen, lässt sich häufig einfach dadurch mobilisieren, dass ich die Angst vor der Peinlichkeit gegen die Angst vor dem Scheitern und seinen Folgen abwäge. Bei meinem Vater war es so, dass er entweder fragte oder seine Familie nichts bekam. Ich musste entweder fragen oder ich hatte keinen Erfolg. Diese Angst überwindet immer meine Furcht, abgewiesen zu werden oder in peinliche Situationen zu geraten.
Letztendlich muss sich jeder selbst fragen, wie das Scheitern aussieht. Das passiert uns schließlich allen einmal und deshalb müssen wir das aus dem Weg räumen. Es geht nicht um die Wahl zwischen Erfolg und Misserfolg. Es geht darum, sich für das Risiko zu entscheiden und nach Größe zu streben – oder nichts zu riskieren und sich der Mittelmäßigkeit sicher zu sein.
Bei vielen Menschen ist die Angst vor der Begegnung mit anderen Menschen mit der Angst verbunden, vor Publikum zu sprechen (einer Angst, die regelmäßig die Todesangst als größte Angst übertrifft). Einige der größten Redner der Welt gestehen, dass sie solche Ängste empfinden. Mark Twain hat einmal gesagt: „Es gibt zwei Arten von Rednern: die, die nervös sind, und die, die lügen.“
Man bewältigt diese Angst am besten, wenn man zuerst anerkennt, dass sie völlig normal ist. Sie sind damit nicht alleine. Als Zweites muss man anerkennen, dass die Überwindung dieser Angst über den Erfolg entscheidet. Und drittens muss man sich vornehmen, sich zu bessern.
Ich sage Ihnen jetzt ein paar Dinge, die Sie sofort tun können, damit das wirklich besser wird und Sie sich daran gewöhnen, in gesellschaftlichen Situationen mutiger zu sein:
• Finden Sie ein Rollenmodell
Wir neigen dazu, Menschen zu suchen, die uns ähneln – schüchterne Menschen tun sich gern mit schüchternen Menschen zusammen und extrovertierte Menschen tun sich gern mit extrovertierten Menschen zusammen –, weil sie unser eigenes Verhalten unbewusst bestätigen. Aber jedermann kennt jemanden in seinem Freundes- und Bekanntenkreis, der anscheinend ohne Angst oder mit wenig Angst auf andere Menschen zugeht. Wenn Sie sich nicht trauen, den großen Sprung zu wagen und von sich aus fremde Menschen anzusprechen, lassen Sie sich von solchen Menschen helfen und den Weg zeigen. Nehmen Sie sie nach Möglichkeit zu gesellschaftlichen Anlässen mit und beobachten Sie ihre Verhaltensweisen. Achten Sie auf ihre Handlungen. Mit der Zeit übernehmen Sie einen Teil ihrer Methoden und langsam bauen Sie den Mut auf, selbst auf andere zuzugehen.
• Lernen Sie, zu sprechen
Viele Unternehmen haben auf die zahllosen Menschen, die erkannt haben, dass sie bessere Redner werden müssen, reagiert. Diesen Bildungsorganisationen ist klar, dass Sie nicht vorhaben, vor einer Zuhörerschaft von tausend Menschen zu sprechen (jedenfalls nicht am Anfang). Die meisten Menschen, die bei solchen Unternehmen Hilfe suchen, wollen mehr Selbstvertrauen gewinnen und Methoden lernen, mit denen sie ihre Schüchternheit überwinden können. Diese Unternehmen bieten nicht ein oder zwei Allheilmittel an. Sie bieten vielmehr die Möglichkeit an, in einem nicht einschüchternden Umfeld zu üben, und zwar unter Anleitung eines Lehrers, der einen auch antreiben kann. Es gibt Hunderte von Trainern und Schulen, die sich dieser Ausbildung widmen. Zu den bekanntesten gehört der Toastmasters Club. Ganz sicher gibt es eine Abteilung in Ihrer Nähe. Diese gut geführte Organisation hat schon Millionen von Menschen geholfen, ihre Redefähigkeit zu verbessern und ihre Ängste zu überwinden.
Man fühlt sich am wohlsten, wenn man etwas tut, an dem man sich mit anderen freuen kann, die die Begeisterung mit einem teilen. Man kann jedes Hobby gemeinsam mit anderen betreiben: Briefmarken sammeln, Singen, Sport, Literatur. Für alle diese Interessen gibt es Vereine. Machen Sie mit, werden Sie aktives Mitglied. Wenn Sie sich der Aufgabe gewachsen fühlen, werden Sie einer der Leiter dieser Gruppe. Dieser letzte Schritt ist entscheidend. Um Führungsaufgaben zu übernehmen, braucht man Übung – also üben Sie! Dabei ergeben sich immer neue Möglichkeiten, neue Kontakte zu knüpfen und auf andere zuzugehen.
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