Im Alt-Lienz habe ich Stella vor ein paar Monaten angesprochen. Ehrlicher gesagt, fand ich sie so hübsch, dass sie Breiti auf mich aufmerksam gemacht hat mit ein paar einfühlsamen und motivierenden Worten. Mit ihren langen, glatten, schwarzen Haaren, schwarzem Lippenstift, schwarz lackierten Fingernägeln und einer vornehmen Blässe wirkte sie sehr städtisch. Nur ein paar Sommersprossen verrieten ihre ländliche Herkunft. Ich war schon entmutigt, weil sie mich zu ignorieren schien, doch Breiti klärte mich über Stella auf: Er kennt sie aus Villach. Sie besucht dort eine Modeschule. Deswegen ist sie so gut angezogen. Sie fahren zusammen Zug, auch dort redet sie wenig bis auf ›Hallo‹ und ›Ciao‹. Ich besorgte mir ihre Adresse und schrieb ihr einen Brief mit einer selbst aufgenommenen Kassette. Und sie hat mir geantwortet! Sie will später einmal Modedesignerin werden und hat dem Brief deshalb ein paar selbst gezeichnete Kleiderentwürfe beigelegt. Die Designs gefallen mir und sie hat Talent, sofern ich das überhaupt beurteilen kann.
Wir machten uns zusammen nie etwas aus. Das wenige, was ich von ihr weiß, hat mir Breiti erzählt. Wenn sie fünf Wörter pro Abend mit mir wechselte, war das viel. Beim vierten Treffen habe ich sie endlich geküsst. Obwohl sie erst 16 ist, küsste Stella viel besser als ich. Ich mochte ihre Zunge, sie war weich und sanft. Seitdem knutschten wir, wenn wir uns trafen. Für mich war das die ideale Beziehung. Für Stella nicht. Sie ist jünger und doch ungeduldiger als ich. Bald beschwerte sie sich:
»Warum küsst du mich nur? Du greifst mich nicht einmal aus. Die anderen Jungs bei mir im Hof wollen gleich mehr.«
»Na ja, ich will nichts überstürzen. Außerdem küsst du so gut. Da kann ich an nichts anderes denken.«
Stella schaute mich entgeistert an. Dabei habe ich nicht gelogen. Ich verspürte überhaupt keine Eile. Sie sah das anders.
»Romed, mir geht das zu langsam. Ich will was erleben. Du bist mir zu schüchtern. Ich mache Schluss mit dir.«
Ich habe so lange gezögert, bis sie mich für einen Schlappschwanz gehalten hat. Sid hat die Situation schneller überzuckert und Stellas Wunsch erfüllt.
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Jung, hungrig und pleite oder warum Franz Innerhofer auf meine Leseliste gehört
Mein Deflorationsstress gerät langsam ins Hintertreffen. Meine Matura naht mit Riesenschritten und die Panik, bei den Prüfungen komplett zu versagen, verdrängt die Sorgen um den Makel meiner Jungfräulichkeit. Meine Arbeitsauslagerungen für die Matura laufen auf Hochtouren. Als mündliche Fächer wähle ich Geografie, Deutsch und Latein. Meine Mathematikleistungen sind dürftig, weshalb ich unser kauziges Mathegenie überrede, mein persönlicher Trainer zu werden. Er will Lehrer werden und ich überzeuge ihn, dass ich der ideale Kandidat bin, um seine pädagogische Eignung zu testen. Wenn er mich durch die Matura bringt, schafft er das garantiert bei jedem anderen auch. Zweimal wöchentlich büffeln wir, mit etwas Wohlwollen meines Lehrers werde ich Mathe mit einem eleganten »Befriedigend« abschließen. In Italienisch gestaltet sich die Situation dramatischer. Meine Lehrerin sagt mir klipp und klar, sie schenkt mir nur dann ein »Genügend« im Abschlusszeugnis, wenn ich nicht bei ihr antrete. Ich bin ihr aufgrund meiner Sympathien für den führerlosen Widerstand der Roten Armee Fraktion ans Herz gewachsen, nur zählt das vor der Prüfungskommission wenig. Sie ist die netteste Lehrerin, die man sich vorstellen kann, dazu jung, fesch und politikinteressiert, nur leider zu alt für mich. Auch sie findet es bitter, dass unsere Mädels uns öfters wegen fescher Italiener verlassen, aber die Italiener sind nun mal ein altes Kulturvolk. Dabei lacht meine Lehrerin und ich erröte. Also muss ich stattdessen Latein wählen, wo ich noch schlechter als in Italienisch und Englisch bin. Da ich fix von einem »Nicht Genügend« bei der schriftlichen Arbeit ausgehe, wähle ich die tote Sprache gleich auch für die mündliche Matura. So erspare ich mir ein Zusatzfach, falls ich durchfallen sollte. In Englisch verhandle ich mit der Lehrerin, ob sie mir nicht schon vorab den Stoff nennen kann. Immerhin einigen wir uns nach einigen Diskussionen auf eine Themeneingrenzung. Damit bin ich zufrieden. Wenn sie mir drei Themen nennt, kommt eines davon mit Sicherheit. Weil Matura ist, bin ich sogar bereit, drei Aufsätze auswendig zu lernen. Ich beknie also Babsi, mir drei 550 Wörter lange englische Erörterungen mit variablen Einstiegen und Enden zu schreiben. Sie macht sich sofort an die Arbeit. Meine Lernabwälzungen zu koordinieren, artet in echte Arbeit aus und hält mich vom eigentlichen Lernen ab. Ich frage mich nur, warum Babsi und das Mathematikgenie so lieb zu mir sind.
Für Trennungsschmerzen wegen Stella habe ich keine Zeit, weil ich gleich nach unserem abrupten Beziehungsende mit ihrer besten Freundin Sonja zusammengekommen bin. Das war nicht schwer. Sonja hat mich als ihren Freund auserkoren, weil ihr Stella brühwarm erzählt hat, wie unerfahren ich bin. Genau so einen wünscht sich Sonja: Einen Verlierer, der sich mit Küssen begnügt und alle Zeit der Welt hat, ihren jungen Frauenkörper in seiner Vielfalt zärtlich zu entdecken. Mit ihrem »Death to the Pixies«-T-Shirt qualifiziert sich Sonja auch eindeutig als freundinnentauglich. Sie ist nicht so dürr wie Stella; sie hat richtige Rundungen und ihre Brüste zeichnen sich selbst unter ihren weiten Sweatshirts deutlich ab. Sonja ist eher klein, höchstens 1,60 Meter groß, hat halblange, schwarze, stark gelockte Haare, ein längliches Gesicht und eine gerade, ziemlich große Nase. Ein bisschen sieht sie aus wie eine Gurke. Bei unserem dritten Treffen beschließen wir, die Party im Club K2 frühzeitig zu verlassen und lieber eine Zweierparty ein Stockwerk höher zu feiern. Wir steuern das Hochbett an. Sonja atmet laut, sie ist gleich aufgeregt und unerfahren wie ich.
Breiti gibt mir immer gute Tipps, um meine Unsicherheit zu überspielen. Wir knutschen eine Weile herum, dann greife ich ihr unter den Pullover und öffne ihren BH, wie es mir Breiti erklärt hat:
»Fast alle BHs haben hinten in der Mitte einen Verschluss mit einem oder zwei kleinen Haken. Du musst einfach beide Seiten des Verschlusses aufeinander zu bewegen, damit die einen Häkchen aus den Ösen der anderen Seite gleiten.« Breiti ist ein richtiger Techniker. »Das ist besser, als den BH einfach wegzureißen. Wenn du ihn richtig aufmachst, ist es irgendwie feierlicher.«
Breitis Tipps sind Gold wert! Leicht zittrig öffne ich ihren BH auf Anhieb. Sonjas Art zu küssen ist ganz anders als die von Stella. Sie genießt die Küsse mehr, manchmal seufzt sie. Besonders mag sie es, wenn ich sie an ihren Ohren und ihrem Hals küsse. Erregt wie ich bin, will ich ihre Hose aufmachen. Doch ich scheitere beim Öffnen des ersten Knopfes und es braucht eine Weile, bis ich begreife, dass ihre Jeans keinen Reisverschluss hat. Sonja scheint es zu genießen und öffnet mir ebenfalls meinen Hosenstall. Wir basteln unbeholfen am Geschlechtsteil des anderen herum. Ich weiß nicht, was ich als nächstes machen soll. Da reißt mich Sonja aus meinen Gedanken:
»Also so schüchtern wie die Stella sagt, bist du gar nicht. Sie meinte, du traust dich nicht mal ausgreifen. Ich mag mit dir nicht schlafen.«
Ich akzeptiere ihr Nein und bin nicht beleidigt.
Ich will die Sache mit dem Sex nicht überstürzen. Wenn wir in diesem Tempo weitermachen, ist es nur mehr eine Frage der Zeit, bis sie mit mir schläft. Außerdem ist das soeben Erlebte ein wichtiger Etappensieg. Beim Küssen bin ich schon recht geübt, aber meine Fertigkeiten beim Petting, wie Sid das nennt, sind noch ausbaufähig.
Ein Bier im Club K2 kühlt uns ab. Der Partyraum ist noch gut gefüllt, aber nur Sid und Breiti tanzen Slamdance zu zweit in der Mitte des Raumes. Sid küsst Stella und ich bin kein bisschen wehmütig. Wegen Frauen streiten wir nicht. Warum sollte sich Sid nicht mit meiner Ex-Freundin vergnügen? Ich habe längst eine neue Freundin.
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