Auch wenn nicht klar ist, mit welcher Strategie die Krise bewältigt werden kann, so wissen die Betroffenen doch in der Regel ziemlich genau, welche Handlungen schädlich für eine konstruktive Krisenbewältigung sind. Dieser Kopfstand ins Desaster kann ein erster Anhaltspunkt für den Krisenstab sein. Fragen für ein solches Worst-Case-Szenario können sein:
•Wie verlieren wir noch mehr Kunden?
•Was macht unseren Leuten Angst?
•Was bringt die Teamarbeit in Gefahr?
•Was verschlimmert die Situation bei unseren Führungskräften oder auch bei unseren Mitarbeitern?
•Wie gefährden wir unsere finanzielle Lage noch weiter?
Aus solchen Verschlimmerungsfragen können neue Lösungsansätze generiert werden.
Wenn sich der Krisenstab hierarchieübergreifend zusammensetzt, sind weitere günstige Effekte der Abbau des Silodenkens in größeren Unternehmen und die steigende Akzeptanz und Verbindlichkeit in den Abteilungen.
Weniger ist mehr: Damit die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit des Krisenstabs gewährleistet ist, empfiehlt es sich, ihn je nach Unternehmensgröße mit sechs bis acht Mitgliedern zu besetzen. Zudem bedarf es einer Moderation und Führung des Krisenstabs. Hierbei ist auf eine konstruktive Stimmung zu achten, abwertende Aussagen sind abzufangen und für Wertschätzung und lösungsorientierte Zusammenarbeit im Team ist zu sorgen. Als Organisator oder Moderator gilt es einen Arbeitsprozess im Team zu steuern, der zu guten Lösungen führt. Bei der Lösungsfindung können auch kreative und innovative Arbeitsmethoden sehr hilfreich sein. Der Krisenstab berichtet an die Geschäftsführung bzw. an den Inhaber.
Krisenstab bei Franz
In seinen Krisenstab hat Franz den erfahrensten Bäckerund Lehrmeister aus seiner Produktion, eine kompetente und anerkannte Verkäuferin aus dem Laden und einen jungen Auszubildenden eingeladen. Der Auszubildende ist ihm schon länger wegen seines Engagements sowie seines kritischen, doch zugleich konstruktiven Denkens aufgefallen. Seine Mutter hatte er ebenfalls gefragt, doch sie sah sich außerstande, hier mitzuwirken.
Es kann auch eine kleinere Krisen-Taskforce gebildet werden, die sich mit einem bestimmten Problem auseinandersetzt. Weitere Kompetenzträger können von Fall zu Fall hinzugezogen werden.
In Krisenzeiten erwarten alle Betroffenen klare Vorgehensweisen und Aussagen. Daher empfiehlt sich die schrittweise Planung der Krisenbewältigung in Form eines Krisenplans. Ein solcher Krisenplan sollte verschiedene Themenbereiche abdecken, wie die Kommunikation in dieser Ausnahmesituation, einen betriebswirtschaftlichen Notfallplan und Maßnahmen der Personalplanung.
Krisenplan bei Mia
Mia wurde direkt von der Coronapandemie erwischt. Erst vor zwei Jahren hat sie ihr Start-up für umweltgerechte Bekleidung (v.a. T-Shirts) gegründet; der Verkauf läuft über einige wenige stationäre Läden in Berlin. Doch von einem Tag auf den anderen müssen ihre Vertriebspartner die Läden schließen und der gesamte Umsatz bricht ein. Auf einem großen Flipchart hat Mia sofort und für ihre drei Mitarbeiterinnen transparent mit Post-its die ersten Ideen zur Bewältigung der Unternehmenskrise notiert. Die Mitarbeiterinnen wurden aufgerufen, Post-its mit eigenen Anregungen zu ergänzen. In morgendlichen Teamsitzungen besprechen sie nun gemeinsam die Maßnahmen. So wissen alle, wie es weitergehen soll, und sie fühlen sich eingebunden und abgeholt.
Wichtig sind bei der Formulierung des Krisenplans folgende Fragen:
•Welche Aufgaben übernimmt der Krisenstab?
•Welche internen und externen Mitarbeiter gehören zum Krisenstab?
•Wer übernimmt die Leitung und wer die Moderation des Krisenstabs?
•Wie stimmen sich die Mitglieder des Krisenstabs untereinander ab? Gibt es vereinbarte Spielregeln?
•Wie sind die Kommunikationswege zwischen Krisenstab und Geschäftsleitung?
•Welche Maßnahmen werden sofort benötigt?
•Welche Maßnahmenpläne und Checklisten müssen aufgestellt werden?
•Wie schnell können wir erste Aussagen zu den Maßnahmen kommunizieren?
•Wie wird die Krise nachbereitet und in die Firmengeschichte integriert? Hier kann auch bilanziert werden, wie Krisen in Zukunft sogar vermieden werden können.
Bei nicht genau planbaren Entwicklungen und Konsequenzen empfiehlt sich ein agiler Stufenplan, der wöchentlich oder sogar öfter, je nachdem wie es die Situation erfordert, angepasst wird.
Wie immer, wenn es um größere Veränderungen geht, ist die Arbeit auf der sachlichen Ebene der Planerstellung nur ein kleiner, wenngleich wichtiger Teil des Ganzen. Mindestens genauso wichtig ist es, die Betroffenen mitzunehmen. Und damit gelangen wir zum Herzstück des Krisenmanagements, der Krisenkommunikation.
Kommunikation in der Krise ist das Herzstück, da hiervon der Erfolg für deine Führung abhängt. Egal, welche Schritte du einleitest, wichtig ist das Gebot der Kommunikation, und zwar bevor du handelst. Gute Kommunikation ist jetzt noch wichtiger als in ruhigeren Zeiten. Menschen, die Angst um ihren Job oder ihre Zukunft haben, neigen zur Schwarzmalerei und sind schnell im Strudel der Gerüchteküche. Es darf in keinem Fall zu einem Kommunikationsstau kommen. Daher gilt: Lieber einmal mehr als einmal weniger kommunizieren. In der Krise beweist sich nicht nur der Charakter, wie einst Helmut Schmidt sagte, sondern auch die Führung. Krisenkommunikation ist Chefsache und darf nicht delegiert werden.
Krisenkommunikation bei Anna
Die wichtigsten Kunden von Annas Team werden direkt und persönlich von ihren Kundenbetreuern kontaktiert, um mit klaren Aussagen das Vertrauen der Kunden sicherzustellen. Alle anderen Kunden informiert Anna in einem wertschätzenden Brief von den anstehenden Maßnahmen. Der Inhalt der Gespräche und des Briefs ist mit der Unternehmensführung abgestimmt und basiert auf der offiziellen Verlautbarung der unternehmensweiten PR-Abteilung, die diese nach juristischer Prüfung und Freigabe durch die Geschäftsleitung erstellt hat.
Der Kommunikationsplan für das Krisenmanagement sollte folgende Fragen beantworten:
•Wann und in welcher Reihenfolge werden interne und externe Betroffene informiert?
•Wie ist die konkrete Sprachregelung gegenüber den Lieferanten und Kunden?
•Wie werden die Botschaften vermittelt? Welche Form und welche Inhalte sollen es werden? Dabei geht es zunächst um die Kaskade vom Management zur Teamleiterebene.
•An wen oder welche Stelle können sich interne Betroffene wenden (Betriebsrat, Betriebspsychologe, Personalabteilung etc.)?
•Wer kommuniziert mit den Medien, der Presse und Stakeholdern, soweit notwendig?
•Wer kümmert sich um Pressemitteilungen und Texte für die sozialen Netzwerke wie auch für das Intranet und die interne Kommunikation?
Es versteht sich von selbst, dass weder E-Mails und Rundschreiben noch eine Veröffentlichung im Intranet die geeignete Kommunikationsform sind. Hier zählt der Mensch, hier geht es um die Beziehungsebene. Face-to-Face-Kommunikation ist angesagt. Wenn es schnell gehen muss oder Versammlungen nicht möglich sind und die Mitarbeiter sich auf verschiedene Standorte verteilen, können Livestreams oder auch Videobotschaften das Mittel der Wahl sein.
Читать дальше