1 ...7 8 9 11 12 13 ...18 Außer ihr waren noch zwei Leute da; ein junger Mann und eine junge Frau, die über den Körper der Schlange kletterten und kleine Schäden an den Malerarbeiten beseitigten. Als der Mann Emma bemerkte, unterbrach er seine Arbeit und ging lächelnd auf sie zu.
»Ziemlich cool, oder?« Er wandte sich der Schlange zu und steckte die Hände in die Hosentaschen. »Diese Schlange lebte zur Zeit der Dinosaurier und hat sie wahrscheinlich zu Mittag gegessen.« Er drehte sich wieder um und grinste Emma an. »Wollen Sie wissen, wie wir darauf kommen?«
Emma zuckte mit den Schultern. »Klar.«
»Fossile Überreste von Regurgitation.« Emmas Augenbrauen gingen nach oben. »Versteinerte Kotze?« Sie legte den Kopf schief.
»Genau. Wir haben zertrümmerte Dinoknochen gefunden, die vor ihrer Versteinerung verdaut worden waren. Die Größe der Bruchstücke hat uns zu der Erkenntnis gebracht, dass die Schlange sie zerbissen und heruntergeschluckt hat, um die dann wieder zu erbrechen.« Er kicherte. »Das machen Monsterschlangen manchmal.«
»Tun wir das nicht alle?«, fragte Emma und lächelte zurück.
»Stimmt«, lachte der junge Mann. »Das Komische ist nur, die Titanoboa hat die Dinosaurier um Millionen von Jahren überlebt. Wir wissen immer noch nicht, wieso.«
Emmas Augen richteten sich auf das Modell. »Es ist zu klein«, sagte sie, wobei sie wie hypnotisiert wirkte.
»Was ist zu klein?«, fragte er verblüfft.
»Die Schlange ist zu klein, und der Körper war gestreift wie bei einem Tiger, nur in Grün und Braun.« Sie leckte sich über die Lippen, die auf einmal ganz trocken waren. »Und sie war viel muskulöser, sehniger, und sah insgesamt viel mächtiger aus.« Sie zog die Schultern hoch und nickte dann. »Aber es ist schon nahe dran. Ich verstehe ja, dass Sie nur ein paar wenige Knochen als Ausgangsbasis hatten.«
Er starrte sie verwundert an und auch seine Kollegin hatte ihre Tätigkeit unterbrochen, um zuzuhören. Ihre Augen verengten sich. Sie wischte sich die Hände an einem Lappen ab und kam näher.
»Sie sind Emma Wilson, oder?«
Emma nickte und blinzelte. Ihren eigenen Namen zu hören hatte sie aus ihrer Trance geholt. »Ja, die bin ich.«
Die Frau schüttelte ihren Kopf und wandte sich an ihren Kollegen: »Das ist die Frau, die behauptet hat, sie und ihre Freunde wären vor zehn Jahren im Amazonas von einer Riesenschlange angegriffen worden.« Ihre Lippen kräuselten sich.
Emma verschränkte die Arme vor der Brust. »Und ihr beide müsst Andy und Helen Martin sein, die Paläontologen-Geschwister, die auch Spezialisten für Herpetologie sind.« Sie lächelte den jungen Mann an. »Gute Arbeit beim Fund der Fossilien von Borealopelta Mmarkmitchelli .«
Andy grinste. »Danke. Es ist ein Verwandter des Ankylosauriers und ohne Zweifel das besterhaltene Exemplar der Welt. Sogar die Panzerplatten kann man noch sehen. Es ist unglaublich, wie …«
Helen boxte im in die Seite und wandte sich wieder Emma zu. »Was können wir für Sie tun, Misses Wilson? Wir sind gerade etwas beschäftigt.«
»Das verstehe ich«, antwortete Emma. Sie legte den Kopf schief. »Ich sehe, wie eure Augen leuchten, wenn ihr über eure herausragenden Funde redet. Und ich weiß, wie schwer es ist, Expeditionen finanziert zu bekommen. Schließlich findet man nicht jeden Tag etwas wirklich Bedeutendes.«
Helen verkrampfte sich, doch Andy nickte.
»Ich weiß nicht, was ihr über mich gelesen habt, aber ich kann es mir schon denken.« Emma schaute zwischen den beiden hin und her. »Die Sache ist die; meine Freunde und ich sind auf eine Expedition in den Amazonas aufgebrochen und wir haben dort etwas entdeckt, was ebenso faszinierend wie tödlich war. Wir haben versagt, weil wir alles unterschätzt haben, sowohl den Dschungel als auch die Tiere darin.« Emma musterte sie aufmerksam. »Wir gehen dorthin zurück, und dieses Mal werde ich alles mitnehmen, was ich brauche. Diesmal werde ich nichts unterschätzen.«
Die beiden schauten Emma für einen Augenblick wie gebannt an, bevor sie sich einander zuwandten. Dann hob Helen ihr Kinn. »Ich schätze, du willst uns mitnehmen? Uns brauchst du also auch?«
Emma zuckte mit den Schultern. »Ihr seid auf jeden Fall die ersten Experten, die ich frage. Das ist eine großartige Gelegenheit. Und überlegt es euch mal: Ich finanziere eure Forschungen für ein ganzes Jahr, und alle Entdeckungen, die wir machen, gehören euch!«
Andys Augenbrauen wanderten nach oben und auch seine Mundwinkel konnten nicht anders, als aufwärts zu zucken. Helens Gesicht blieb dagegen regungslos.
»Und was springt für dich dabei heraus?«
Emma stellte sich ihrem kritischen Blick. »Ich muss ein Versprechen einlösen, das ich vor langer Zeit gegeben habe. Ich musste jemanden dort zurücklassen und möchte ihn finden.«
»Nach zehn Jahren? Dann meinst du wohl eher die Überreste.« Helen legte den Kopf schief. »Also ist es Zeitverschwendung.«
Andy seufzte und sah dann zu seiner Schwester auf. »Wahrscheinlich ist das alles erstunken und erlogen, aber wenn es auch nur den Hauch einer Chance gibt, dass es wahr ist …« Er senkte seine Stimme. »Komm schon, Schwesterherz, wir sollten das wirklich in Erwägung ziehen.«
»Sollte es wirklich den Hauch einer Chance geben, dass es wahr ist, dann ist es auch verdammt gefährlich!« Helen schaute immer noch böse.
Emma richtete sich auf. »Ich will euch nichts verheimlichen; es wird verdammt gefährlich, sogar tödlich! Alle meine Freunde sind an diesem gottverdammten Ort innerhalb von 24 Stunden umgekommen. Aber damals waren wir einfach nicht vorbereitet.«
»Und jetzt bist du es?«, fragte Helen skeptisch. »Wer kommt denn noch mit?«
»Diesmal nehme ich auf jeden Fall genügend Feuerkraft mit. Vier Ex-Special-Forces-Soldaten, alle mit Dschungelerfahrung und voller Ausstattung. Dann ihr beide und ich, das wäre alles.«
»Volle Ausstattung? Ihr könnt doch nicht in einem fremden Land herumballern. Damit bringst du alle hinter Gitter!«, protestierte Andy.
»Die Waffen nehmen wir auf jeden Fall mit. Und falls ihr mitkommt, was ich sehr hoffe, dann werdet ihr froh sein, dass wir sie dabei haben.« Emma lächelte. »Seid ihr dabei oder nicht?«
Andy zögerte nicht einmal: »Ich bin dabei!«
»Ich weiß, dass ich das bedauern werde …«, seufzte Helen, »… aber ich schätze, ich bin auch dabei.«
Emma nickte. »In einer Woche treffen wir uns für eine Vorstellungsrunde und die erste Lagebesprechung. Ich schicke euch die Einzelheiten.« Sie streckte ihre Hand aus. »Willkommen an Bord!«
Ben hatte ein neues Zuhause gefunden. Es tat ihm wirklich weh, sein altes Heim zu verlassen, denn er war der Meinung, dass es wirklich gut versteckt und befestigt war. Aber er hatte schon auf die harte Tour gelernt, dass die Chance, entdeckt zu werden, immer größer wurde, je länger man an einer Stelle blieb.
Und damit hatte er recht. Es war sein Glück gewesen, dass er einen Fluchttunnel gehabt hatte, sonst wäre er wie eine Made aus einem morschen Stück Holz gepult worden. Er musste alle ein bis zwei Jahre umziehen.
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