Robby Pink
Die Rückkehr des Biestes
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Inhaltsverzeichnis
Titel Robby Pink Die Rückkehr des Biestes Dieses ebook wurde erstellt bei
Kapitel 1: Die Schöne geht fort
Kapitel 2: Der Scherbock
Kapitel 3: Schönheits- und Liebestränke
Kapitel 4: Die Wahrsagerin
Kapitel 5: Im Gebirge
Kapitel 6: Die wahre Geschichte
Kapitel 7: Die Rückkehr
Impressum neobooks
Kapitel 1: Die Schöne geht fort
Natürlich weiß jeder, wie das Märchen über die Schöne und das Biest endet. Das Biest hat sich, durch ihre Liebe erlöst, in einen schönen Prinzen verwandelt, die Schöne geheiratet, und falls sie nicht gestorben sind, so leben sie bis heute, wie es normalerweise in den Märchen vorkommt. Stimmt es aber wirklich? Nein, natürlich nicht. Die Schöne konnte gar nicht glücklich sein, denn sie liebte nicht den Prinzen, sie liebte in Wirklichkeit das Biest. Und wenn man wirklich liebt, wie es bei der Schönen der Fall war, dann liebt man eben nur diese einzige Person und keine andere. Am Anfang freute sie sich zwar über seine Erlösung, aber sie war irgendwie auch enttäuscht. Denn sie fand den schönen Prinzen eigentlich eher abstoßend. Und außerdem begann er nach seiner Verwandlung eitel zu werden und wurde von Tag zu Tag immer selbstgefälliger und eingebildeter.
„Warum hast du mir“, meinte er eines Tages zu seiner Frau, „immer noch keinen Nachfolger geboren?“
Die Schöne antwortete nicht. Sie wußte, daß er recht hatte. Sie wünschte sich ein Kind, aber sie wußte nicht, warum sie bis jetzt noch keins bekam, und ob es wirklich ihre Schuld war oder an etwas anderem lag. Sie lief in ihre Gemächer und weinte bitterlich. Was sollte sie denn sonst tun?
Es vergingen Tage, Wochen, Monate, ja ein ganzes Jahr, und sie bekam immer noch kein Kind. Und der Prinz wurde immer grober und unverschämter zu ihr. Dann faßte sie einen Entschluß und sagte zu ihm eines Tages:
„Mein Herr und Gebieter, ich fürchte, daß ich Euch Euren Wunsch nach einem Nachfolger nicht so einfach erfüllen kann, denn ich glaube, daß ein böser Fluch auf meinem Körper haftet. Um zu erfahren, was für ein Fluch es ist, möchte ich Euch nun bitten, mich zu meinem Vater gehen zu lassen, um ihn um Rat zu fragen, und falls erforderlich, weitere Schritte zu unternehmen, damit unserem Problem abgeholfen werden könne.“
„Ach, geh nur, scher dich fort, zu deinem Vater oder sonst wohin. Such von mir aus Rat und Hilfe bei allen Hexen der Welt. Aber komm mir gar nicht wieder, solange du nicht die Lösung hast, denn ich habe keine Lust mehr, sich eine Ehefrau zu halten, die keine Kinder kriegt, sondern will endlich einen Nachfolger haben, wie es sich für einen so mächtigen, angesehenen und gutaussehenden Fürsten gehört. Ich gewähre dir großzügig eine Frist von drei Jahren. Wenn du bis dahin keine Lösung findest, so lasse ich mich von dir scheiden und heirate eine würdigere.“
Und damit ging sie. Fort von diesem verwünschten Schloß, das sie einst in großer Furcht betrat, um dem Biest zu dienen, in dem sie aber ein paar wunderschöne Jahre voll Erwartung und Liebe verbrachte, bevor das Biest zu dem schrecklichen Prinzen und ihrem Gemahl geworden ist. Denn danach war es nicht mehr so schön.
Sie ging zunächst zu ihrem Vater. Ihr alter Vater war zwar froh, seine Tochter wiederzusehen, aber nicht froh, daß sie traurig war. Er tröstete sie, wie er konnte und schlug ihr vor, nach der Scheidung einen kräftigen Holzfäller zu heiraten. Aber die Schöne lehnte es ab. Etwas sagte ihr, daß dies nicht die richtige Lösung ist. Sie wußte, daß nunmehr Märchengestalten an der Reihe waren, ihr zu helfen.
Sie wartete zunächst auf das Rumpelstilzchen, dann auf eine Hexe oder Fee. Aber niemand kam. Dann schaute sie in Blumen hinein und setzte seltene Pflanzen ein mit der Erwartung, daß dort vielleicht ein kleines Mädchen wächst. Im Winter versuchte sie, ein Kind aus dem Schnee zu bauen, aber es wurde nicht zu einem lebendigen Schneewittchen. Damit war sie langsam mit ihrer Weisheit am Ende und fand sich mit dem Gedanken ab, daß sie sich scheiden läßt – was ihr im Grunde gar nicht so mißfiel wie die Vorstellung, den kräftigen Holzfäller heiraten zu müssen. Denn sie sehnte sich heimlich stets nach ihrem alten Biest.
Eines Tages ging sie im Wald spazieren und vergaß alles um sich, als sie an die schöne Zeit mit ihrem Biest dachte, bis sie sich verlief. Sie verirrte sich so, daß sie den Weg zurück nicht mehr wußte, und es wurde Abend, und sie bekam Angst. Sie überlegte, ob sie auf einen Baum klettern und nach einem Lichtlein Ausschau halten sollte, wie man es angeblich tun soll, wenn man sich im Wald verirrt. Aber sie konnte nicht so richtig auf Bäume klettern, und außerdem waren die Bäume gar nicht so sehr zum Klettern geeignet. Sie waren nicht knorrig und verästelt, sondern gerade wie Kerzen und mit Ästen erst ganz weit oben und allzu weit voneinander entfernt. Daher wählte sie die andere Möglichkeit, was eine schöne Frau im Wald wohl tun könnte: Sie setzte sie sich hin und weinte. Und sie schlief dabei ein. Denn ein Zwergenhaus oder eine Hexenhütte war weit und breit wirklich nicht in Sicht.
Als sie erwachte, dämmerte es bereits, und neben ihr stand ein kleines komisches Wesen, das ein schlechter Märchenkenner möglicherweise für einen Kobold halten könnte. Aber es war kein Kobold und auch kein Zwerg oder Hobbit. Es war nicht einmal allzu menschenähnlich. Es hatte einen platten weißen Fuchskopf, einen mit stumpfen Igelstacheln bedeckten Körper und ockergelbe Füße, zwei dicke hintere, auf denen es hin und her schaukelte, und zwei kleine vordere zum Festhalten von Gegenständen, sowie einen fellbewachsenen dicken Schwanz. Es glänzte braun-rötlich am ganzen Körper, außer seinen grünen Augen und gelbem nackten Bauch ohne Stacheln oder Fell. Auf seinem Kopf wuchsen aber drei rote Federn. Es war ein Scherbock.
Er betrachtete die Schöne neugierig. Und sie betrachtete ihn. Er schien kein bösartiges Wesen zu sein. Auch nicht besonders schrecklich. Eher ein Bißchen komisch.
„Wer bist du?“ fragte die Schöne das Wesen.
„Das sollen eher isch disch fragen“, meinte der Scherbock. „Und was machen du hier in meinem Wald?“
„Wieso in deinem?“ wunderte sich die Schöne. Sie ging nämlich immer schon davon aus, daß der Wald Eigentum von Menschen ist.
„Isch wohnen hier. Also sein das mein Wald. Mein Zuhause“, sagte der Scherbock.
„Ach so meinst du das“, seufzte die Schöne. „Und weißt du vielleicht auch, wie man aus deinem Wald hinauskommt?“
„Klar wissen isch es“, wunderte sich der Scherbock. „Man kommen immer dann hinaus, wenn man bis ans Ende gehen und dann den Wald verlassen. Wissen du es denn nischt?“
„Nun, in diesem Sinne schon“, überlegte die Schöne. „Aber, aber es geht doch darum, daß man einen bestimmten Weg findet, der aus dem Wald hinausführt und sich dabei nicht verirrt, so etwa, daß man ständig im Kreis läuft, ohne es zu merken.“
„Na, dann müssen man aber wirklisch ganz dumm sein, wenn man aus dem Wald hinausgehen wollen und dabei im Kreis laufen. So kommen man nie hinaus. Man müssen dosch immer in eine Rischtung laufen, um irgendwo ans Ende zu kommen.“
„Ja eben. Aber in welche Richtung soll ich denn laufen, um hinauszukommen und nach Hause zu gelangen?“, fragte die Schöne.
„Isch erlauben dir, in jede Rischtung zu laufen, wenn du hinauskommen wollen, obwohl zugestanden, nischt alle Rischtungen gleisch gut durschgängig sein für eusch, große Leute. Aber trotzdem. Wie dumm ihr Menschen doch sein, ts, ts, ts!“ Der Scherbock schüttelte seinen Kopf mit den drei roten Federn darauf.
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