„Angus, du kannst nicht …“
„Deine Anwesenheit in Vorstandsitzungen ist gerade noch geduldet, Mutter. Ich kam damit einem ausdrücklichen Wunsch meines Vaters nach, jedoch scheint mir, du nutzt dieses Privileg nur, um mir Steine in den Weg zu legen.“
Ailis’ Mimik entgleiste ihr für eine Millisekunde. Da Angus sie scharf im Auge behielt, entging es ihm nicht, wohl aber den anderen Vorstandsmitgliedern. Einige warfen einander unruhige Blick zu, und auch Ailis und ihm, aber er ignorierte es und wartete ruhig auf den nächsten Schachzug seiner Mutter.
„Ich nutze dieses Privileg, um dich von Unsinn abzuhalten.“ Ihr eisiger Blick sagte alles Weitere.
„Wie zum Beispiel Mr McTiernan zu feuern?“
Besagter Mann saß neben ihm und sog scharf den Atem ein.
Ailis verzog die schmalen Lippen. „Du wärst ein Narr, wenn du einen guten …“
„… Spion rauswirfst?“ Angus schmunzelte, denn nicht nur McTiernan begann auf seinem Sitz herumzurutschen und sich sonst nichts weiter anmerken zu lassen. Ein Rundumblick bewies, dass ihm kaum jemand in die Augen schauen konnte. „Ich habe in den letzten vierundzwanzig Stunden erkannt, dass ich ein immenses Problem habe …“
„Den Alkohol?“, soufflierte Cornish, der strenggenommen ebenfalls nichts bei diesen Besprechungen zu suchen hatte.
Angus legte immer noch grinsend den Kopf schräg und musterte den Cousin. „Mit Loyalität, Cornish, aber das überrascht dich sicherlich nicht, oder?“
Der Cousin lachte harsch. „Wundert’s dich? Du versteckst dich auf deiner Niemandsland-Insel und vernachlässigst deine Pflichten! Niemand hat Vertrauen in deine Führung und wir wären nur zu froh …“
Ailis legte ihm eine Hand auf den Arm, was ihn direkt unterbrach und nach Zustimmung lechzen ließ. Er sah zu seiner Tante und presste die Lippen aufeinander, da sie ungehalten den Kopf schüttelte. Knapp und sicher wieder nicht für jeden bemerkbar, aber es war genau das Szenario, mit dem Angus gerechnet hatte.
„Es wundert mich nicht.“ Angus ließ seine Aufmerksamkeit abgleiten. Er nahm jedes Mitglied der Runde in Augenschein. Nur Männer, was ihm bisher nie merkwürdig erschienen war, aber in der heutigen Zeit sollte es ausgewogener sein. Er sollte die Quote erfüllen. Sein Lächeln wuchs in die Breite. „Dinge müssen sich ändern, und es ist an der Zeit, sie in Angriff zu nehmen. Ich werde jedes Tochterunternehmen in die Audition schicken, daraufhin folgt eine Überprüfung des Mutterkonzerns. Wir werden Schwachstellen ausfindig machen und ausmerzen.“
Ailis verdrehte mit einem lauten, deutlichen Seufzer die Augen. „Angus, du vergeudest Ressourcen. Für was?“ Sie beugte sich leicht vor, verschränkte die Hände auf dem Tisch, sodass man ihren Familienring der McLeans deutlich sehen konnte, und schüttelte nun für alle offensichtlich ihr strohblondes Haupt. „Die Firma läuft, sie trägt sich, was nicht funktioniert, ist New Horizon Enterprises. Dort muss geschraubt werden. Die Kosten dieses Halunken, McFarran, sind exorbitant! Darauf sollten wir unser Augenmerk richten, nicht auf …“
„Ab diesem Tag werden Geschäftsberichte nur noch mir ausgehändigt“, überging Angus die Lamenti der Mutter. „Interna werden nicht nach außen getragen und damit das eine klar ist, meine Mutter gilt als Außen! Auch Cornish oder irgendjemand sonst mit dem Namen McLean hat keine Befugnis, auch nur eine simple Information zu bekommen.“
Gesichter entgleisten reihenweise.
„Schön. Kommen wir zu den ersten Schritten der Supervision. Ich werde eine unabhängige Kommission zusammenstellen, die zeitnah beginnen wird, unsere Abläufe zu durchleuchten. Ich erwarte absolute Kooperation! Mr McTiernan, von Ihnen erwarte ich eine lückenlose Aufarbeitung der geschäftlichen Missstände von New Horizon Enterprises bis zum fünfzehnten des nächsten Monats.“
„Angus, auf ein Wort!“, befahl seine Mutter, wobei sie sich effektvoll erhob. Cornish kam an ihrer Seite ebenfalls auf die Füße.
Angus begegnete ihrem Blick mit Gelassenheit. Zumindest dafür waren die Rückschläge der letzten Jahre gut gewesen, er hatte sich endlich abgenabelt. Er verfolgte, wie Ailis hinaussegelte, wartete, bis die Tür zuknallte, und wandte sich dann an die CEOs. „Bisher bekam ich abgespeckte Versionen der Geschäftsberichte, das hat ab sofort ein Ende. Ich möchte eine vertrauensvolle Kooperation aufbauen, dazu sind personelle Veränderungen unabänderlich. Ich muss Sie bitten, Ihren Aufenthalt noch ein paar Tage zu verlängern, ich möchte Gespräche mit jedem von Ihnen führen. Zunächst machen wir eine Stunde Pause.“
Langsam stand Angus auf, schob die Papiere zusammen und klemmte sie sich befreit unter den Arm. Wenn er mit Patrick ebenso leicht alles wieder ins Lot brachte, wären die nötigen Veränderungen zwar schwierig, aber auch zu überstehen!
„Hallo Patrick, entschuldige, ich komme mir schon selbst vor, wie ein Stalker, aber … nein, ich habe keine Entschuldigung dafür.“ Er räusperte sich. „Ich habe nachgedacht und festgestellt, dass ich womöglich zwanghaft versuche, dich festzuhalten. Ich nehme an, dass dich gerade dieses Klammern von mir wegstößt. Ich weiß nicht genau, wie ich dagegen angehen soll, aber ich suche nach Möglichkeiten, das wollte ich dir sagen. Ich bemühe mich, mich zu ändern. Ich werde eine Weile auf Highcomb sein, also erreichst du mich mühelos über das Mobiltelefon. Ich hoffe, es geht dir gut. Ich liebe dich, bis dann.“
Angus legte auf. Sein Daumen zitterte, aber er schob es gleich beiseite. Er musste etwas ändern, sonst hatte er keine Chance, also atmete er tief durch und steckte das Telefon ein.
Er hatte eine alte Freundin zu sich gebeten, von der er hoffte, dass sie ihm weiterhalf. Fiona war ihm bereits gemeldet worden, also musste er sich nur auf den Weg machen. Obwohl es sicher nicht nötig war, warf er noch einen schnellen Blick in den Spiegel, um seine Erscheinung zu prüfen. Anders als auf Garbh musste er sich hier um sein Aussehen kümmern, was einer der Gründe gewesen war, Highcomb nach dem desaströsen Ende seiner Ehe den Rücken zu kehren. Er zupfte sich die roten Strähnen zurecht, die ihm in die Stirn hingen, und straffte die Schultern. Sogleich fielen sie wieder, als drückte eine unsichtbare Last auf ihn herab. Das war der schwierige Part, er musste den Schein waren, er durfte niemandem seine Verletzbarkeit offenbaren, dem er nicht im tiefsten Herzen vertraute, aber so eine Person gab es auf Highcomb nicht. Hier lauerte nur Verrat und Betrug.
Angus streckte sich erneut, bevor er losstampfte. Er wollte es als eine Aufgabe betrachten, die der Prinz erfüllen musste, um seine Prinzessin zu sehen, obwohl Patrick von der Allegorie sicherlich nicht begeistert wäre. Er grinste, weil ihm das hübsche Gesicht seines Liebsten direkt vor Augen stand. Patrick würde ihn grummelnd zurechtweisen, dass er keine Prinzessin sei, sondern ein Mann. Ein richtiger Mann …
Der Weg zum Salon verging in süßer Reminiszenz und so grinste Angus noch immer glücklich, als er in den Raum trat. Fiona stand an der Fensterfront und drehte sich zu ihm um. Sie war, wie er, Anfang vierzig und hatte sich erstaunlich gut gehalten. Ihr Haar schimmerte in einem tiefen Braunton und fiel ihr offen über den Rücken. Lediglich einige Spangen hielten die Flut zurück, damit man ihr edles Gesicht bewundern konnte. Sie trug kein Make-up, was sie auch nicht nötig hatte. Ein Hauch Röte lag auf ihren Wangen und spiegelte sich auf ihren Lippen.
„Angus!“ Sie flog förmlich durch den Raum und nahm ihn liebevoll in den Arm. „Mein Lieber!“ Sie drückte ihn enthusiastisch, wodurch er mehr von ihrem Körper spürte, als ihm lieb war, aber anders kannte er Fiona nun mal nicht. Sie trug das Herz auf der Zunge und ihre Zuneigung offen zur Schau. „Mein lieber, lieber …“
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