... der Geburtsort der Kunst
Nachdem 1940 vier Jugendliche beim Spielen ein Loch im Boden und dahinter eine reich ausgemalte Höhle entdeckt hatten, strömte die Fachwelt nach Montignac im Périgord. Der Prähistoriker Henri Breuil feierte die steinzeitlichen Malereien der Höhle von Lascaux als „sixtinische Kapelle der Frühzeit“, der Kulturphilosoph Georges Bataille entdeckte hier die „Geburt der Kunst“. Die originale Höhle ist für die Öffentlichkeit gesperrt, Besucher müssen mit detailgetreuen Kopien - Lascaux 2 und Lascaux 4 - vorliebnehmen. Aufregend schön.
... sportlich anders
Angeblich wurde Rugby, das Spiel mit dem Lederei, im 19. Jahrhundert in der englischen Stadt Rugby erfunden. Die Südwestfranzosen ordnen es ein paar Jahrhunderte früher ein, in die Zeit der englischen Besatzung, die Engländer hätten das Spiel erst später auf ihre Insel exportiert. Auch der Stierkampf, die Corrida, zählt in Südwestfrankreich als Sport, ebenso die Courses Landaises, bei denen rennende Kühe die Hauptrolle spielen. Die Basken wiederum haben ihren eigenen Sport und schlagen beim Pilota einen harten Gummiball gegen eine Steinmauer.
... ein kulinarisches Paradies
Essen wie Gott in Frankreich! Wenn Gott in Frankreich isst, setzt er sich vermutlich in Südwestfrankreich an den Tisch. Als Entrée empfiehlt sich Foie gras (Stopfleber) von Gans oder Ente, eine Spezialität der périgourdinischen Küche, die jedem französischen Gourmet das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Dann folgen Schenkel oder Brust des Geflügels, im Herbst mit Trüffeln verfeinert. Auch in den Landes stehen Ente und Gans jahraus, jahrein auf der Karte, manchmal auch Fasan. Im Becken von Arcachon wiederum sind die Austernzüchter zugange. Alleine im Städtchen Gujan-Mestras verfügen sie über sieben Häfen. Gegessen beziehungsweise geschlürft wird die Auster am liebsten roh, in lebendem Zustand. Woody Allen („Ich esse nur tote Tiere“) verstand nichts davon. Mit etwas Zitrone beträufelt, Graubrot und Butter dazu, schmecken sie hervorragend. Ein Glas Champagner krönt die Vorspeise.
... fahrradfreundlich
Pinienduft statt Autoabgase in der Nase! Hinter der Küstendüne erstreckt sich Frankreichs größtes zusammenhängendes Waldgebiet, das bis in Agenais hineinreicht. Darin ist ein Netz von Fahrradwegen angelegt. Man gelangt ohne große sportliche Anstrengung von Bordeaux an die Küste nach Lacanau, von da bis an die Médoc-Spitze im Norden oder nach Hossegor im Süden, kann Abstecher ins Landesinnere machen - stets auf speziellen Fahrradwegen. Die Nord-Süd-Piste, die parallel zum Atlantik verläuft, ist Teil der „Vélodyssée“, des französischen Abschnitts einer Fahrradroute, die dereinst vom Nordkap bis an die Südspitze Portugals führen soll. Wer seinen Drahtesel zu Hause gelassen hat, findet an jedem Küstenort einen Fahrradverleih, der auch Räder für Kinder im Angebot hat.
Perlen am Weg
Kunst & Kultur
Lascaux, die Höhle im Vézère-Tal, ist dem Kulturphilosophen Georges Bataille zufolge der Geburtsort der Kunst. Die dortigen Felsenmalereien sind laut jüngsten Forschungen über 20.000 Jahre alt. In Bordeaux wurde 2016 die „Cité du Vin“ eröffnet, ein kühner, kantenloser Bau aus Glas und Aluminium, mit dem die Stadt ihre Offenheit für die Architektur des 21. Jahrhunderts markiert.
Zeugnisse von Kunst und Kultur aus allen Epochen sind in Südwestfrankreich natürlich auch in den Museen zu finden, viel Schönes aber entdeckt man abseits der Städte und Hauptrouten.
Eine Höhle voller Mammuts
Lascaux ist seiner Felsenmalereien wegen weltberühmt, doch im Périgord finden sich noch andere künstlerische Zeugnisse aus der Jüngeren Altsteinzeit. Die Grotte de Rouffignac (→ Link) überrascht mit einer Unzahl von in die Felswände geritzten Tierdarstellungen, davon über 150 Mammuts und eine Rarität: ein hübsches Wollnashorn. Die Ritzungen sind teils verblüffend naturgetreu. Die Höhle ist bis heute noch nicht gänzlich erforscht. Mehr als 10 Kilometer sollen die auf drei Etagen liegenden Gänge messen. Für solche Strecken braucht es ein geeignetes Transportmittel: Ein offenes Elektrobähnchen mit Sitzbänken fährt im Schneckentempo an den Mammutherden vorbei.
Fresken ermahnen den Sünder
Die Dorfkirche von Allemans-du-Dropt (→ Link) schmücken Fresken aus dem 15. Jahrhundert. Sie beeindrucken durch ihre klare Strichführung und ihre drastischen Darstellungen der Apokalypse: In der Küche des Teufels schmoren die Sünder im Kochtopf, auf dem Drehspieß stecken zwei lästerliche Frauen, Teufelchen schleppen schon die nächsten Opfer herbei. Der Bilderzyklus hatte die Aufgabe, den Bauern die Folgen verderbten Tuns zu illustrieren und sie zu ermahnen, nicht vom rechten Weg abzukommen.
Venus mit Kapuze
Ein 1894 in einer Höhle bei Brassempouy (→ Link) gefundenes Fragment einer Figurine gilt als die älteste bekannte Darstellung eines menschlichen Gesichts. Der nur 3,65 cm große Kopf aus Elfenbein steht heute im Nationalen Archäologiemuseum in einem Vorort von Paris. In Brassempouy ist ein Abguss der „Venus von Brassempouy“ zu sehen, seit 2002 im Zentrum einer modernen Dokumentationsstätte.
Die Basken sind anders
Die Basken haben ihre eigene Kultur, ihre eigene Sprache, ihre eigene Musik, eigenen Sport, ihren eigenen Hausbau und Kirchenbau. Alles rund um ihre Lebensweise erfährt man im Musée Basque in Bayonne (→ Link). Seine Sammlung umfasst 100.000 Objekte; 2000 davon sind in 20 Sälen ausgestellt und geben einen einzigartigen Einblick in die Geschichte und Tradition dieses stolzen Volkes.
Spirituelle Malerei
In den Räumen der Abtei von Brantôme (→ Link) kommt auch der Maler Fernand Desmoulin (1853-1914) zu Ehren, eine wunderliche, heute vergessene Gestalt der französischen Kunstgeschichte. Nach einer esoterisch-spiritistischen Sitzung brach er seine Karriere als Porträtmaler ab und übte sich in einer gänzlich neuen Technik: Er setzte seinen Stift auf den Zeichenblock und wartete auf die Eingebung des „Geistes“. Des Malers Hand begann erst aufgeregt zu zittern, dann zu kreisen, bis sich ein zartes Frauenporträt auf dem Papier abzeichnete. Leider versiegte die okkulte Quelle bald wieder, und Desmoulin kehrte zur Porträtmalerei zurück.
Traum vom schöneren Wohnen
In den 1920er-Jahren beauftragte ein menschenfreundlicher Industrieller den damals noch unbekannten Architekten Le Corbusier mit dem Bau einer Wohnsiedlung für seine Arbeiter. Später ging dem Auftraggeber das Geld aus, aber ein Teil der Cité Frugès in Pessac (→ Link) wurde fertiggestellt: fröhlich-bunte Reihenhäuser, jedes mit einer anderen Architektur. Le Corbusiers revolutionäres Konzept stieß allerdings auf wenig Gegenliebe, erst Jahre nach Fertigstellung fanden sich die ersten Mieter. Später verfielen die Häuser, einige sind mittlerweile restauriert, und eines ist als Musterbeispiel für Le Corbusiers innovative Wohnarchitektur der Öffentlichkeit zugänglich.
Kunst im Untergrund
Kaum hatte die deutsche Wehrmacht 1940 Bordeaux besetzt, ließ sie von Zwangsarbeitern aller Nationen einen riesigen Bunker für U-Boote bauen, 235 Meter lang und 162 Meter breit. Dieser wurde 1944 kurz vor der Befreiung mitsamt den stationierten U-Booten zerstört. Übrig blieb ein düsterer Betonklotz mit Trockendocks und Bassins, in den kein Tageslicht dringt. Heute wird die „Base Sous-Marine“ von Bordeaux (→ Link) als Galerie für hochkarätige Ausstellungen genutzt - ein Kunstbesuch in einem außergewöhnlichen Ambiente.
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