»Ich könnte von Zuhause aus arbeiten.«
Irgendwo im Laufe der Konversation hatte Tom sie verloren. Vielleicht war er auch abgelenkt gewesen vom Anblick ihrer Brüste, die sich unter dem roten Stoff mit jedem Atemzug hoben und senkten. »Was meinst du damit?«
»Ich meine, wäre es nicht toll, wenn jede Frau genau den Sex haben könnte, den sie sich wünscht, in dem Vertrauen, dass der Mann sich genau dasselbe wünscht? Würde das die Welt nicht ein Stück weit besser machen, wenn alle glücklich und zufrieden wären?«
»Zweifellos«, stimmte Tom zu und schnupperte unauffällig an seinem Drink, ob dort noch irgendwelche anderen Zutaten drin sein könnten. Vielleicht Drogen oder K. O.-Tropfen? Für beides fühlte er sich noch zu fit. Falls Luzis Familie vorhatte, ihn auszurauben, gingen sie gerade nicht sehr geschickt vor – oder nach einer komplett neuen Methode, von der er noch nichts gehört hatte.
»Ich würde dich gerne als meinen ersten Mann rekrutieren.«
»Moment mal«, sagte Tom, dessen Blut langsam wieder von seinem Schwanz zu seinem Hirn floss. »Da habe ich auch noch ein Wörtchen mitzureden.«
»Louis wäre auch dabei.« Sie zeigte auf den Barkeeper.
Ein flotter Dreier mit ihm und ihrem Halbbruder? Das wäre Inzest. Er hatte nichts gegen Dreier, Vierer oder auch Gruppensex, solange alles legal war. Inzest hingegen war eine Grenze, die er – wenn auch nur als Mitwisser – nicht überschreiten würde. »Kein Interesse.«
»Du hast doch noch gar nicht alles gehört.« Sie sah ihn fast flehentlich an. »Du könntest so viel Sex haben, wie du willst. Solange du dich nach den Wünschen der Frauen richtest.«
»Ich habe mehr als genug Frauen, die mich sexuell in jeglicher Hinsicht befriedigen.« Das war zwar, zumindest was Qualität anstatt Quantität anging, eher Wunschdenken als Realität, aber in seinen Phantasien lebte Tom genau diesen Traum aus. Mit jeder Frau vögeln können, die ihm gefiel. Das Paradies für jeden Mann.
»Zumindest ab und zu?«
Diese Frau, so attraktiv sie auch war, hatte irgendeine Schraube locker. Tom trank den Rest seines Drinks in einem Schluck aus. Dann gab es heute Nacht eben keinen Sex, sondern Handarbeit. Vielleicht könnte er Luzi als Wichsvorlage verwenden. Schade, dass sie ihm zu verrückt war. Sex mit durchgeknallten Frauen konnte sehr intensiv sein, aber auf die Konsequenzen konnte er verzichten. Nicht wenige seiner One-Night-Stands hatten versucht, ihn zu stalken, um wieder in sein Leben gelassen zu werden. Auf solches Drama konnte er gut verzichten.
»Nein, warte.« Lange, schlanke Finger mit dunkelrot lackierten Nägeln legten sich überraschend fest um seinen Arm und zwangen ihn, sitzenzubleiben, wollte er kein Aufsehen erregen. »Ich habe mich ungeschickt ausgedrückt. Bitte lass mich noch einmal von vorne anfangen.«
Tom zögerte, gab dann aber doch nach. »Mach’s kurz, ich muss morgen früh arbeiten.« Das sollte ihr deutlich zeigen, dass er kein sexuelles Interesse an ihr hatte. Selbst, wenn sein verräterischer Schwanz dies ganz anders sah.
»Also, ich habe folgende Idee: Warum gründe ich nicht eine Agentur, die Frauen mit speziellen sexuellen Fantasien an Männer vermittelt, deren Wunsch es ist, einer Frau genau diese Fantasie zu erfüllen?«
»Das gibt es bereits«, antwortete Tom, ohne zu zögern. »Nennt sich Begleitagentur.«
Doch die Frau schüttelte den Kopf. »Nein, das ist etwas anderes. Da geht es um eine Dienstleistung gegen Geld. Die Angestellten machen es nicht, weil es ihnen Befriedigung verschafft, sondern für die ist es ein Job. Ich meine eine andere Ebene. Es geht um die Befriedigung spezifischer sexueller Bedürfnisse auf beiden Seiten.«
»Auch das gibt es bereits. Schau dir die ganzen Dating-Portale im Internet an.«
»Nein, auch das ist etwas anderes. Portale im Internet sind anonym. Klar, du kannst nach Matches schauen, aber es gibt niemanden, der dich persönlich berät. Der sagt, wenn deine Fantasie X ist, dann ist Y genau der richtige Mann für dich, vielleicht auch Z. Aber nicht A bis W. Die Zeit, deren Profile anzusehen, kannst du dir sparen, entscheide dich zwischen den beiden, wer dir besser gefällt, beide sind mir persönlich bekannt und ich kann sie uneingeschränkt empfehlen. Für Frauen ist ein persönlicher Ansprechpartner bei solchen Entscheidungen immens wichtig. Trotzdem soll alles absolut diskret ablaufen.«
Allmählich verstand Tom, in welche Richtung Luzis Gedanken gingen. »Du willst eine Art persönliche Begleitagentur einrichten, die die Wünsche der Frauen in den Mittelpunkt stellt?«
»Ganz besondere Wünsche. Sexuelle Fantasien, die sie sonst nie wagen würden, auszuleben.«
»Und du willst mich als einen der Männer in deiner Kartei?«, schlussfolgerte Tom.
»Du bist jung, siehst gut aus und stehst auf Sex. Ich müsste natürlich alles über deine besonderen sexuellen Vorlieben wissen, und du müsstest einen Gesundheitstest machen, aber … Ja.«
Tom lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust, so dass die Frau ihn loslassen musste. »Was wäre für mich drin?«
Luzi sah ihn mit großen Augen an. »Ich verstehe nicht? Sex, natürlich.«
»Sex bekomme ich auch auf anderen Wegen mehr als genug«, gab Tom den kühlen Pokerspieler. »Ich meinte finanziell.«
»Oh.« Sie sah verwirrt aus. »Darüber habe ich gar nicht nachgedacht. Mir ging es bei meiner Geschäftsidee nicht darum, Geld zu verdienen.«
»Wieso nicht?«, fragte Tom, ganz Managementberater. »Wenn man ins Risiko geht, sollte man sich das auch entlohnen lassen.«
Luzi warf ihm einen ungeduldigen Blick zu. »Hast du mir nicht zugehört? Mir geht es darum, Frauen ihre geheimsten sexuellen Wünsche zu erfüllen. Das ist mir ein Grundbedürfnis. Geld spielt dabei für mich keine Rolle. Meine potentiellen Kundinnen könnte es jedoch davon abhalten, sich ihren Traum zu erfüllen.«
»Ja, aber so funktioniert das Geschäftsleben nicht, Luzi.«
»Wieso nicht? Es ist ein Tausch. Fantasie gegen Fantasieerfüllung, auf beiden Seiten. Ich will dafür kein Geld. Ich möchte einfach nur die Welt ein Stückchen besser machen, verstehst du?«
»Dein Altruismus in Ehren, aber um ein Business zu führen, reicht er nicht. Ganz ohne Geld geht es nicht. Man sagt nicht umsonst ›Was nichts kostet, ist nichts wert‹.«
»So, du meinst also, weil eine Frau nicht wohlhabend ist, verdient sie es nicht, guten Sex zu haben?« Luzi funkelte ihn aus ihren dunklen Augen kampfbereit an. »Das ist diskriminierend.«
»So habe ich es doch nicht gemeint«, ruderte Tom zurück.
Doch Luzi kam gerade erst in Fahrt. »Was ist beispielsweise mit Studentinnen? Hausfrauen ohne eigenes Einkommen? Selbständige Singles, die jeden Penny in den Aufbau ihrer Firma stecken?«
»Dann mach es wenigstens auf Spendenbasis.«
Sie sah ihn an und klatschte dann in die Hände. »Das ist eine tolle Idee! Ich habe sogar schon einen Namen: LUZIFERS. Der Teufel, der dich in Versuchung führt, und gleichzeitig die Abkürzung von Lucia Fernandez. Also, von Luzi. Das bin ich. Bitte, bitte sag, dass du mein erster männlicher Rekrut wirst.«
»Nein«, antwortete Tom bestimmt. »Luzi, du bist einfach hoffnungslos darin, Männer zu rekrutieren. Ich bin Managementberater, ich weiß, wovon ich rede. Du kannst die Idee einfach nicht gut verkaufen. Vergiss es.«
Ihre Lippen zitterten, als sei sie enttäuscht. »Als du reinkamst, war ich mir so sicher, dass du ›Ja‹ sagen würdest.«
Sie hatte ihn bereits beobachtet, als er hereingekommen war? Zu dem Zeitpunkt hatte er sie noch gar nicht wahrgenommen. Vielleicht steckte in der Frau doch mehr Potential, als er vermutete.
Tom traf nie unüberlegte Geschäftsentscheidungen.
Aber einmal musste ja das erste Mal sein.
»Du hast recht, du brauchst mich«, stellte er klar, »aber nicht so, wie du denkst. Du brauchst einen Geschäftspartner.«
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