Die drei noch lebenden Männer in der waidwunden Maschine warten auf den großen Knall, einen Zusammenprall mit einem Baum, einem Haus. Jeder klammert sich an seinen Sitz. Vorne der Pilot, Gerhard Ehlert, unter ihm in der Glaskuppel der Beobachter, Oberfeldwebel Hanns Schlotter aus Frankfurt am Main. Hinter ihnen der Bordschütze, Willi Burr aus Heidenheim. Der kann den Blick vom toten Professor, dessen Leiche wie ein seltsames rotes Knäuel aus Knochen, Haut und Fliegerkombi aussieht, nicht abwenden.
Nach dem Aufprall würde es sicher dunkel sein und still, unendlich still, denkt sich Ehlert. Dann hören sie ein lautes Schaben, Krachen und Klirren. Ein Ruck geht durch die Maschine, ein schrecklicher Ruck, der ihnen den Boden wegreißt. Nein, nicht den Boden, sondern die Glaskanzel unterhalb des Piloten – dort, wo der Bleistift das Tanzen einstellt und wo Schlotter in dieser Sekunde stirbt. Zuerst reißt es dem Oberfeldwebel beide Beine ab, dann zerquetscht der vordere Teil der Kanzel den Rest des leblosen Körpers und zieht ihn mit sich nach hinten. Der zerquetschte Schlotter und die zertrümmerte Do 217, sie gehören jetzt nicht mehr zusammen. Der lange Oberfeldwebel mit den scharfen Augen und der krummen Nase fällt bei Sarny auf einer grünen, vom Raureif feuchten Wiese. Hanni Schlotter mit ihren beiden Söhnen, Fritz, drei, und Max, erst ein knappes Jahr alt, werden den Mann, den Vater, nicht mehr wiedersehen. Nie mehr wiedersehen. Eine Glaskanzel ist sein Sarg geworden, und niemand kann je ein Kreuz an seinem Grab aufstellen, weil es keines geben wird.
Um ihr Leben kämpfen derweil noch zwei andere. Der Torso der zertrümmerten Maschine gibt ihnen Schutz. Das Flugzeug, oder das, was davon noch über ist, schlittert über eine Wiese wie bei einer Schlittenpartie im bayerischen Winter. Doch den Überlebenden werden die Sekunden des Gleitens zu einer Ewigkeit des Grauens.
Und dann? Dann geschieht nichts, einfach nichts. Stille stellt sich ein. Nur das leise Knistern der Feuer ringsum ist zu hören. Die große Glaskuppel ist nicht nur unter dem Pilotensitz abgebrochen, sondern auch direkt davor. Das rettet Ehlert das Leben. Wäre sie nicht abgerissen, hätte er das Flugzeug nicht verlassen können und wäre womöglich jämmerlich verbrannt. Der Pilot kann es nicht fassen, ist wie versteinert, als die Do 217 steht. Geistesgegenwärtig klettert er nach vorne aus der Maschine heraus. Er ist völlig unverletzt. Und irgendwie ist sein erster Gedanke ein wenig dumm: Gerhard, jetzt musst du zu Fuß nach Haus gehen. Der zweite Gedanke aber ist messerscharf: Weg von hier. Weg von den beinahe leeren Tanks mit dem hochexplosivem Gasgemisch und weg von den acht Blitzbomben, die sich noch an Bord befinden und die jeden Augenblick explodieren können. Ehlert rennt um sein Leben. Nach wenigen Sekunden trifft er auf Burr, der gerade seinen Fallschirm abschnallt. Dann laufen die beiden weg von der Absturzstelle. Nach zweihundert Metern schmeißen sie sich auf den Boden. Gleich wird das ganze Ding mit einem lauten Knall in die Luft gehen. Doch wieder passiert nichts. Still und leise brennt die Maschine vor sich hin. So wagen es die beiden, um das brennende Flugzeug herumzuschleichen. Sie suchen nach Schlotter, rufen leise den Namen des Toten, der sie nicht mehr hören kann. Schlotter ist verstreut über dreihundert Meter Absturzstelle. Gut, dass die beiden das nicht wissen. Ihr Mut hätte sie vielleicht verlassen. So aber verständigen sie sich mit kurzen, knappen Worten. Sie müssen weg hier, bevor die Russen kommen. Von der Do 217 bleibt nach ein paar Minuten nur mehr Asche.
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