1 ...7 8 9 11 12 13 ...35 Sie waren verraten worden … ein weiteres Mal.
07:49 Uhr
Das CIA-Hauptquartier
Der Name auf seinem Ausweisschildchen lautete Alex Hall. Als Angestellter einer der vielen Privatfirmen, welche die CIA zur Erledigung von Wartungsarbeiten beschäftigte, hatte er die letzten fünf Tage damit verbracht, die Beleuchtung in der Tiefgarage unter dem Gebäude des Hauptquartiers neu zu verkabeln.
Als er sich dem letzten Kontrollpunkt näherte, erlaubte er sich, ein schmales Lächeln über sein Gesicht huschen zu lassen. Wie bei so vielen anderen Sicherheitsdiensten der Welt sorgte man sich auch hier sehr viel weniger um die Menschen, die den Komplex verließen, als um jene, die hinein wollten. Außer einer kurzen Leibesvisitation und einer Kontrolle seines Fahrzeuges – wie bei allen externen Unternehmen – hatte er keine Schwierigkeiten bekommen.
»Heute schon früher Schluss?«, erkundigte sich der Wachmann, während Hall ihm seinen Ausweis überreichte. In der Frage lag kein persönliches Interesse. Nur eine kalte, unpersönliche Routine.
Hall nickte und nahm die Hand vom Lenkrad, um damit ein müdes Gähnen zu verbergen. »Hab die ganze Nacht damit zugebracht, Schaltkreise zu ersetzen. Dafür sollten die Lichter in der Tiefgarage schon bald wieder dann angehen, wenn sie es sollen.«
Der Wachmann nickte, gab ihm sein Ausweisschildchen zurück und gab ein Zeichen, die Schranke hochzufahren.
Hall tippte das Gaspedal an und ließ den Wagen vorsichtig auf die Zugangsstraße hinausrollen, von der aus man auf den Highway gelangte. Geschafft .
Das Handy in seiner Tasche brummte und er kramte es mit seiner freien Hand hervor. »Hallo.«
»Aleksandr«, begann eine ihm vertraute Stimme, »ist das Paket in der Garage platziert?«
»Ja.«
»Bolshoe spasibo« , antwortete die Stimme. Ich danke dir vielmals. »Wir sehen uns bald, Towarischtsch.«
Der Anruf endete, als Aleksandr den Highway erreichte, und er öffnete das Fahrerfenster und ließ das Prepaid-Handy auf den Asphalt fallen.
Binnen Sekunden wurde es unter den Rädern eines anderen Fahrzeuges zermalmt.
07:53 Uhr
Die Tiefgarage
CIA-Hauptquartier
Verraten. Und wieder hatte es das Leben eines Freundes gekostet. Harry spähte zu dem stets wachsamen Auge der Sicherheitskamera hinauf, als sich die Fahrstuhltüren in die dahinterliegende Dunkelheit öffneten. Einige Handwerker, die sorgfältig vom FBI überprüft worden waren, hatten hier seit Wochen neue Kabel für die Beleuchtung verlegt. Offenbar waren die Arbeiten aber noch nicht abgeschlossen, zumindest nicht auf dieser Etage.
Die Tiefgarage war eines der besser gehüteten Geheimnisse der Agency. Man hatte sie in den Jahren nach dem elften September unter dem neuen Hauptquartiersgebäude errichtet. Amerika war nicht das einzige Land mit Spionagesatelliten … nicht mehr.
Reihe fünf. Zwei Worte, aufgeladen mit doppelter Bedeutung. Er schlängelte sich zwischen den Autos hindurch und zählte im Kopf die Betonsäulen ab.
Drei … vier. Und dann die fünfte Säule, in einer dunklen Ecke, die wenigstens drei Meter von der nächsten Lichtquelle und weit genug von der nächsten Sicherheitskamera entfernt war. Er ging in die Hocke und strich mit den Fingern über den feuchtkalten Beton.
Nichts . Für einen Moment dachte er, er hätte die Nachricht fehlinterpretiert und dass vielleicht eine andere Säule in einer anderen Ebene der Tiefgarage gemeint war. Oder vielleicht gar keine echte Säule. Wenn er falschlag … lief ihnen die Zeit davon.
Freefall.
Doch dann schlossen sich seine Finger um einen wasserdichten Beutel und er zog ihn zu sich heran. Der Beutel enthielt ein Handy, höchstwahrscheinlich ein Prepaid-Telefon. Er lehnte sich gegen den nächsten Wagen, hielt es in die Höhe und schaltete es ein. Das war sein Kommunikationsmittel. Musste es sein.
Unter den Kontakten gab es keinen Eintrag. Es gab auch keine Nummer unter den vermissten Anrufen, die er hätte zurückrufen können, und selbst dann hätte er hier unten auch keinen Empfang gehabt. Das Telefon schien absolut sauber zu sein – ein Wegwerftelefon, ganz sicher. Aber wozu? Lay war beinahe seit einer Stunde tot.
Und dann fand er es, im Ordner mit den Dateien … ein MP3 mit einer Sprachnachricht. Als er die Datei aufrief, erschien eine Passwortabfrage und er tippte Freefall in das Feld ein. Er sah sich noch einmal in der Garage um und prägte sich die Position der nächsten Kamera ein, dann hob er das Telefon an sein Ohr.
»Harry«, begann die Stimme eines Mannes. So vertraut. David Lay. »Wenn du das hier hörst, bin ich wahrscheinlich bereits tot. Meine Feinde haben ihren Zug gemacht und ich habe die Schlacht verloren. Ich wusste, dass es einmal so kommen würde, aber ich hatte immer Hoffnung, dass ich ihnen stets einen Schritt voraus sein würde. Vielleicht war das töricht, aber ich bereue nichts. Es war der einzige Weg – für das Wohl der Nation. Vor ein paar Jahren hätte nichts von dem eine Rolle gespielt und ich hätte im Traum nicht daran gedacht, dich in diese Sache hineinzuziehen. Aber das war, bevor Carol wieder in mein Leben trat.«
Eine Pause. Die eiserne Stimme wurde kaum merklich ein wenig brüchiger. »Sie ist alles, was mir noch geblieben ist, und ich habe mir geschworen, sie nie wieder im Stich zu lassen. Sie werden auch hinter ihr her sein – denn sie können nicht mit Sicherheit sagen, wie viel sie weiß. Die Agency wird sie beschützen, wenn ich nicht mehr lebe, aber das wird nicht genügen. Das Böse lauert in den höchsten Positionen in Langley, und niemand ist davor sicher. Finde sie, Harry, und verschwindet – so schnell wie möglich, so weit weg wie möglich. Taucht unter. Vertraue niemandem. Denke an die Moskauer Regeln, Harry. Jeder könnte unter der Kontrolle des Feindes stehen.«
Jeder . Irgendwo hinter sich hörte er, wie sich eine Fahrstuhltür öffnete. Aus der Richtung, aus der er gekommen war. Eine Bedrohung?
»Der Grund, der mich in diese Situation gebracht hat … es muss hier enden. Mit mir. Mit großem Wissen wächst die Gefahr.«
Es war ein Büroangestellter. Eine der über hundert männlichen Arbeitsbienen, die das Hauptquartier bevölkerten, der mit einem Koffer in der Hand zu seinen Wagen schlenderte. Harry hielt den Atem an und presste seine Hand auf den Lautsprecher des Handys, als der Mann an ihm vorüberlief. »Dir kann ich vertrauen, Harry. Ich kenne dich. Ich weiß, was du tun wirst. Vaya con Dios .«
Geh mit Gott.
Und dann Stille. Harry klappte das Telefon zu. Sein Gesicht nahm einen kalten, harten, entschlossenen Ausdruck an.
Er hatte seine Befehle. Dass sie von einem Toten stammten, machte keinen Unterschied.
Es war an der Zeit, sie auszuführen.
07:55 Uhr
»Ich weiß, ich weiß … Michelle soll sich darum kümmern«, erklärte Carter und schob einen USB-Stick seitlich in Daniel Laskers Terminal. »Ich brauche Sie, um die Comm für die Extraktion zu überwachen.«
Mit seinen achtundzwanzig Jahren wirkte der kleine, blonde Lasker eher wie eine Bürohilfskraft als der Kommunikationschef der CLANDOPS, aber so lautete seine Amtsbezeichnung in Langley. Und er war einer der Besten. »Haben wir je versucht, eine Operation dieser Größenordnung durchzuziehen, Ron?«
Carter antwortete mit einem Kopfschütteln. »Zwölf Agenten. Neun Länder. Und das ist erst der Anfang.«
Er spürte die plötzliche Anwesenheit von jemanden, und erblickte Harry, als er sich umdrehte. »Wie geht’s voran?«
»Wir positionieren unsere Teams im Mittleren Osten«, antwortete Carter. »Versuchen unsere Leute herauszuholen, bevor sie erwischt werden.«
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